Veranstaltungssicherheit: Definition, Rollen und rechtliche Grundlagen

Veranstaltungssicherheit: Definition, Rollen und rechtliche Grundlagen

Beitrag vom 02.07.2021

Zur Themenwelt Veranstaltungssicherheit

Sichere Veranstaltungen planen

Spätestens mit der Loveparade-Tragödie ist der Öffentlichkeit bewusstgeworden, welches Risiko Veranstaltungen für die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher darstellen können. Um die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher gewährleisten zu können, sollten Sie sich umfassend über Richtlinien und Gesetze informieren, bevor Sie eine Veranstaltung planen. Wir haben mit unserem Experten Olaf Jastrob darüber gesprochen und die wichtigsten Aspekte zum Thema Veranstaltungssicherheit für Sie zusammengestellt. 

 

"Die Sicherheit von Besuchern steht bei Veranstaltungen an erster Stelle. Erfahren Sie hier, wie Sie die häufigsten Fehler vermeiden können!"

Olaf Jastrob ist Sachverständiger für Veranstaltungs- und Besuchersicherheit sowie Vorsitzender im Deutschen Expertenrat für Besuchersicherheit.

In unserem Artikel erfahren Sie, welche rechtlichen Grundlagen relevant sind und was Sie beachten müssen, um Ihre Veranstaltung sicher zu gestalten.

Besuchersicherheit = Veranstaltungssicherheit?

Umgangssprachlich werden die Begriffe „Besuchersicherheit“ und „Veranstaltungssicherheit“ oft synonym verwendet. Tatsächlich sind die Themen eng miteinander verbunden, meinen aber streng genommen nicht dasselbe. Wir geben Orientierung, um ein gemeinsames Verständnis aufzubauen und die richtige Verwendung der Begrifflichkeiten zu klären.

Definition Besuchersicherheit

Alle Maßnahmen, die in der Besuchersicherheit umgesetzt werden, haben die Gewährleistung der Sicherheit Ihrer Besucherinnen und Besucher zum Ziel. Als schutzbedürftige Zielgruppe steht ihr Schutz im Fokus der Besuchersicherheit.

Begriffserklärung Veranstaltungssicherheit

Bei der Veranstaltungssicherheit steht nicht nur die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher im Fokus, sondern die gesamte Veranstaltung als Projekt. Neben den Besuchenden wird ebenso die Sicherheit der Angestellten berücksichtigt.

Die Besuchersicherheit ist also ein Teil der Veranstaltungssicherheit. Jastrob betont jedoch, dass es keine normierte Definition, sondern nur Ansätze gibt.

Rechtliche Verordnungen – Definitionen für Veranstaltungen

Veranstaltungsformate gibt es wie Sand am Meer. Dementsprechend vielfältig sind auch die jeweils geltenden Verordnungen im Veranstaltungsrecht. Veranstaltungen können grob in drei verschiedene Veranstaltungsarten unterteilt werden:

  • Veranstaltungen im öffentlichen Raum
    Hierzu zählt zum Beispiel ein Event auf der Straße, im Park oder auf dem Marktplatz.
  • Open Air-Veranstaltungen in Anlagen
    Hierunter fallen beispielsweise Veranstaltungen auf einer eingezäunten offenen Fläche.
  • Veranstaltungen in Gebäuden
    Typischerweise finden Veranstaltungen in Gebäuden, beispielsweise in Event-Locations, Sportstadien, Diskotheken oder Restaurants statt. Im Wesentlichen wird zwischen Veranstaltungen in und außerhalb von Versammlungsstätten differenziert. Hierbei ist Vorsicht geboten, da auch Schulen, Uni-Mensen, jegliche Foyers oder alte Industrie- und Landwirtschaftshallen in den Anwendungsbereich der MVStättVO fallen können.

Die rechtlichen Grundlagen bei Veranstaltungen können generell sehr komplex sein. Eine der wichtigsten Rechtsnormen ist die jeweilige landesrechtliche Versammlungsstättenverordnung. In den meisten Bundesländern orientieren sich Veranstalterinnen und Veranstalter an der Musterversammlungsstättenverordnung (MVStättVO). Diese Verordnung ist vor allem relevant, da sie bei den meisten Veranstaltungen in Gebäuden, aber auch bei Open Air-Veranstaltungen Anwendung findet. Da Veranstaltungen häufig in großen Messe- oder Festzelten stattfinden, weisen wir auch explizit auf die Muster-Richtlinie über den Bau und Betrieb Fliegender Bauten hin, die ebenfalls wie die MVStättVO von der Bauministerkonferenz herausgegeben wird.

So ist die jeweilige Versammlungsstättenverordnung eine Sonderbauvorschrift, welche die jeweilige Landesbauordnung ergänzt.

FAQ - Häufige Fragen im Überblick

Wie ist eine Versammlungsstätte definiert?

Ob es sich nun konkret um eine Versammlungsstätte handelt, wird bereits durch die Baugenehmigung festgelegt. Die Personenkapazität und der Zweck bestimmen im Wesentlichen, ob die bauliche Anlage eine Versammlungsstätte ist und somit in den Anwendungsbereich der MVStättVO fällt. Dabei können Versammlungsstätten Gebäude mit Versammlungsräumen oder bauliche Anlagen im Freien sein. Oftmals werden jedoch Gebäude zweckentfremdet. Es kann sein, dass diese baulich nicht als Versammlungsstätte ausgelegt sind, jedoch den Maßgaben der Versammlungsstättenverordnung entsprechen.

Welche Beispiele gibt es für zweckentfremdete Versammlungsstätten?

Häufige Beispiele sind

  • Entlassfeiern in Schulsporthallen,
  • trendige Events in rustikaler Umgebung wie alten Industriestätten,
  • AStA-Partys in Foyers oder Mensen von Hochschulen oder auch
  • Veranstaltungen in Kirchen, die nicht der Religionsausübung dienen.

Die erwähnten Bauten müssen zumindest für eine temporäre Nutzungsänderung genehmigt werden, wenn sie nicht als Versammlungsstätten ausgelegt sind. Die Veranstaltung, respektive der Betrieb, ist ansonsten nicht nur illegal, sondern es werden aufgrund fehlender Sicherheitseinrichtungen und -maßnahmen, vor allem Menschen einem höheren Risiko ausgesetzt.

Gilt die MVStättVO auch für Veranstaltungen im Freien?

Die Versammlungsstättenverordnungen können ebenfalls (in Teilen) Anwendung bei Veranstaltungen im Freien sowohl in stationären baulichen Anlagen als auch auf öffentlichen Freiflächen finden. Dies trifft zu, wenn Kriterien zum Besucherbereich, Szenenflächen oder baulichen Anlagen erfüllt werden.

Anforderungen aus der MVStättVO

  • § 3 Bauteile – Ausführungsbestimmungen zu Materialien und Bauteilen, um eine Brandausbreitung zu verlangsamen und hierdurch eine Evakuierung zu ermöglichen.
  • § 35 Rauchen, Verwendung von offenem Feuer und pyrotechnischen Gegenständen – Im Rahmen des Brandschutzes werden Zündquellen ausgeschlossen.
  • § 7 Bemessung der Rettungswege – Festlegung der notwendigen Breiten und Längen, um eine sichere, zügige Evakuierung durchführen zu können. Der personenbezogene Maßstab wird auch aufgrund der möglichen Verrauchungsverhältnisse festgesetzt. Ein Gebäude verraucht schneller, sodass weniger Zeit für die Evakuierung bleibt.
  • § 38 Pflichten der Betreiber, Veranstalter und Beauftragten – Essenzieller Bestandteil der Organisationsstruktur ist der Betreiber bzw. eine von ihm beauftragte Funktion, dem Veranstaltungsleiter. Dessen Aufgaben und Pflichten werden hier festgelegt. Die Veranstaltungsleitung ist bei Unfällen der erste Ansprechpartner für beteiligte Personen und muss bei Fehlverhalten gegebenenfalls auch mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.
  • § 15 Sicherheitsbeleuchtung – Um eine Evakuierung im Schadensfall auch bei Ausfall der regulären Beleuchtung zu ermöglichen, macht die MVStättVO Vorgaben hierzu. Sie werden in der DIN VDE V 0108-200 (VDE V 0108-200): 2018-12 konkretisiert.
  • §§ 39-40 Verantwortliche für Veranstaltungstechnik – Um Gefahren durch die Veranstaltungstechnik auszuschließen, werden Qualifikationen (in Abhängigkeit der örtlichen Verhältnisse und der Veranstaltung) und Aufgaben entsprechender Funktionsträger definiert. Auch werden die Bedingungen formuliert, bei denen die Aufgabenerfüllung durch eine Sachkundige Aufsichtsperson (SAP) ausreicht.
  • § 31 Rettungswege, Flächen für die Feuerwehr – Für alle Versammlungsstätten wird als Betriebsvorschrift, das Freihalten der Rettungswege bestimmt, um die zu § 7 beschriebene Evakuierung auch durchführen zu können.
  • § 43 Sicherheitskonzept, Ordnungsdienst – Ein Sicherheitskonzept wird zumindest nach MVStättVO nicht zwingend in jeder Versammlungsstätte gefordert. Wenn nach Absatz (2) die Kriterien jedoch erfüllt werden, muss der Betreiber im Einvernehmen mit den Behörden ein Sicherheitskonzept als Teil der Betriebsvorschriften aufzustellen.

Vermeiden Sie die häufigsten Fehler im Veranstaltungsrecht

Aufgrund der Komplexität des Veranstaltungsrechts können Fehler entstehen. Wir geben Ihnen einen Überblick und erklären,
wie Sie die Fehler vermeiden können.
 

  • Organisationsstruktur: In der Praxis fehlt häufig eine geeignete Organisationsstruktur, sodass für eine Veranstaltung weder die Rolle der Veranstaltungsleitung, noch die der sachkundigen Aufsichtsperson benannt wurde. Planen Sie diese Rollen am besten von Anfang an mit ein und schaffen Sie somit eine sichere Grundlage für die Planung und Durchführung Ihrer Veranstaltung.
  • Befähigungsnachweis: Besonders häufig treten Fehler bei dem Befähigungsnachweis der verantwortlichen Personen einer Veranstaltung auf. Es reicht nicht, für diese Funktionen Mitarbeitende zu benennen, es ist verpflichtend, diese regelmäßig zu qualifizieren. Ein Befähigungsnachweis sind entsprechende Weiterbildungen.
  • Fahrlässigkeit: Auch Fahrlässigkeit bzw. grobe Fahrlässigkeit spielt bei den Pflichtverletzungen eine wichtige Rolle. Häufige Fehlerquellen stellen dabei die Ordnungswidrigkeiten nach MVStättVO dar. Sollten die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die weitreichende Pflichten der Betreiberinnen oder den Betreibern übertragen bekommen haben, fahrlässig handeln, kann dies zu einer Abmahnung führen.
    Mindestens fahrlässig ist es zum Beispiel, wenn die Veranstaltungsleitung während der Veranstaltung das Event verlässt, denn für sie besteht Anwesenheitspflicht. Eine weitere Ordnungswidrigkeit liegt vor, wenn die Veranstaltungsleitung die Versammlungsstätte nicht schließt, also die Veranstaltung nicht beendet und die Besucherinnen und Besucher nicht aus dem Gebäude entfernen lässt, obwohl es Sicherheitsmängel nach § 38 Abs. 4 der MVStättVO gibt.

 

Leseempfehlungen

Lese-Tipp

Eventrecht kompakt 
ein Lehr- und Praxisbuch von Prof. Dr. Risch-Kerst

Seminar-Tipp

Weiterbildungen
zum Thema Veranstaltungssicherheit

 

Checkliste

Für Hygienekonzept 
Dt. Expertenrat Besuchersicherheit

Ratgeber

Für Organisatoren
Dt. Expertenrat Besuchersicherheit

Welche Rollen und Aufgaben gibt es im Veranstaltungsrecht?

Ebenso wie bei jeder Veranstaltung individuell geprüft werden muss, welche gesetzlichen Verordnungen gelten, muss auch im Einzelfall entschieden werden, welche Rollen und Aufgaben für die jeweilige Veranstaltung relevant sind. Nicht bei jeder Veranstaltung müssen alle Funktionen besetzt werden. Für einen besseren Überblick listen wir Ihnen die wichtigsten Rollen und Aufgaben bei Veranstaltungen auf:

  • Veranstaltungsleitung nach § 38 Abs. 4 MVStättVO: Ihre Aufgabe ist die Gewährleistung der Rechtskonformität und der Sicherheit. Sie hat Anwesenheitspflicht. Diese Rolle ist Pflichtbestandteil jeder Veranstaltung. 
  • SAP – Sachkundige Aufsichtsperson nach § 40 Abs. 5 MVStättVO: Die Aufgabe der SAP ist die Gewährleistung sowohl der bühnen-, studio- und beleuchtungstechnischen als auch der technischen Sicherheit sonstiger Einrichtungen der Versammlungsstätte. Auch für diese Person besteht Anwesenheitspflicht für die Sicherstellung. Häufig wird die Funktion durch Hallenwarte, Hausmeister, Messebauer, Bühnenbauer, Dekorateure und Ordnungsdienste besetzt. Regelmäßig ist jedoch festzustellen, dass notwendige Kenntnisse fehlen.

Diese beiden Rollen (Veranstaltungsleitung und SAP) sind Pflichtenträger: Das bedeutet, dass die jeweilige Person im Rahmen eines Unternehmens eine fachkundige und persönlich geeignete, schriftlich delegierte Person sein muss, die die Pflichten des Unternehmens übernimmt. In diesem Fall sind die Pflichten des Unternehmens die Gewährleistung der Sicherheit, Anwesenheit, Aufsicht, Kontrolle und Durchsetzung der Sicherheitsanforderungen.


Darüber hinaus gibt es noch weitere Aufgaben, die der Unternehmer entsprechend des Landesrechts an Fachpersonal delegieren kann:

  • Brandschutzbeauftragte/r (Seminar TÜV NORD): Die oder der Brandschutzbeauftragte berät Betreiberinnen oder Betreiber / Veranstalterinnen oder Veranstalter / Unternehmerinnen oder Unternehmer in Brandschutzfragen.
  • Ordnungsdienstleitung: Die Ordnungsdienstleitung ist zuständig für den Veranstaltungsordnungsdienst (umgangssprachlich oft auch als „Security“ bezeichnet). Sie wacht mit dem ihr unterstellten Ordnungsdienst u.a. über die Einhaltung der Besucherkapazitäten und sorgt im Notfall für eine geordnete Evakuierung.
  • Betriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter: Als Betriebsmitarbeiterin oder Betriebsmitarbeiter werden Mitarbeitende des Hauses bezeichnet. Sie haben eine Mitwirkungspflicht im Sinne der Sicherheit.
  • Brandsicherheitswache: Die Rolle der Brandsicherheitswache ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt, ist aber grundsätzlich bei erhöhter Brandgefahr erforderlich.

Die großen Aufwendungen und Planungen rund um eine Veranstaltung ermöglichen Ihren Besucherinnen und Besuchern ein unbeschwertes Erlebnis. Dafür lohnt es sich, das eigene Wissen über Sicherheitsbelange bei Veranstaltungen aufzufrischen oder zu vertiefen.

Die Veranstaltungsleitung, die “Sachkundige Aufsichtsperson” sowie das Betriebspersonal müssen sowohl vor Aufnahme ihrer Tätigkeit als auch danach mindestens einmal pro Jahr entsprechend unterwiesen werden.