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Programmieren auf dem Stundenplan

Hacker School Hamburg

6. Juni 2017

Informatik sollte für jedes Kind Pflichtfach sein – davon sind die Macher der Hacker School überzeugt. Doch weil die Schulen nicht genug in die digitale Zukunft investieren, kümmern sich die Software-Experten lieber selbst um den Nachwuchs. Programmierer und Entwickler zeigen Kindern in ihrer Freizeit, was sie über Raspberry Pi, Scratch, Minecraft und Java wissen müssen.

„Könnt ihr schon programmieren?“, fragt Ben Brunzel. „Nö“, antwortet Finn, 14 Jahre alt. „Unsere Schule kann sich die Hardware-Ausstattung nicht leisten.“ Sein Sitznachbar, der elfjährige Max, nickt und sagt: „Ich habe keine Ahnung vom Programmieren, bin aber total neugierig.“ Ein Stuhl weiter richtet sich Ben-David, 13 Jahre alt, auf: Er hat schon ein paar Sachen am PC ausprobiert, denn sein Vater „macht im Job was mit Medien“ und legt Wert auf die digitale Bildung seines Sohnes.

Ben Brunzel ist werktags angestellter Software-Entwickler. Heute, an einem Samstagmorgen, ist er Dozent an der Hamburger Hacker School – ehrenamtlich. Zusammen mit seinem Kollegen Leon Jordans hat der 29-Jährige einen ungewöhnlichen Bildschirm gebastelt: Aus einer Getränkekiste, leeren Glasflaschen, LED-Lampen und ein paar Meter Kabel entstand ein via Code und Controller steuerbarer Display. Wie genau das funktioniert, sollen Finn, Max und Ben-David heute in der Hamburger Hacker School lernen.

Informatik im Unterricht so wichtig wie Mathe und Englisch

Diese besondere Schule haben David Cummins, Timm Peters und Andreas Ollmann vor drei Jahren als Social Business selbst ins Leben gerufen. Damals diskutierte die Hamburger Schulbehörde, ob Informatik als Pflichtfach für alle Schüler wirklich vonnöten sei. „Desaströs“, fasst Andreas Ollmann sein Urteil zu dieser Kontroverse in einem Wort zusammen. Wie seine zwei Mitstreiter ist er erfolgreicher Unternehmer in der IT- und Medienbranche. Sie sind überzeugt: Informatik als fester Bestandteil des Unterrichts ist im digitalen 21. Jahrhundert mindestens ebenso wichtig wie Mathe, Englisch oder Geschichte. „Uns geht es um das Verständnis, was die digitale Welt im Innersten zusammenhält“, erklärt Ollmann, warum ihnen das Thema eine Herzensangelegenheit ist. Das Trio beschwerte sich nicht über die Ausgangslage, sondern wurde selbst aktiv: „Wir sind Unternehmer, also unternehmen wir was!“ – die Idee zur Hacker School war geboren.

Sie fragten im persönlichen Netzwerk nach, wer Lust und Zeit hat, sich für den Nachwuchs zu engagieren und IT-Kurse für Schüler nach Dienstschluss anzubieten. Die Resonanz: überwältigend. 60 „Inspirer“ stellt die Hacker School inzwischen auf ihrer Website vor: professionelle Entwickler und Programmierer – wie Ben Brunzel und Leon Jordans – die in ihrer Freizeit ihr Know-how an die nächste Generation weitergeben. Die Seminare richten sich an Kinder und Jugendliche zwischen elf und 18 Jahren. Spezielle Vorkenntnisse sind dabei nicht nötig und nach den Noten in Mathe oder Physik fragt auch keiner. „Es ist unglaublich, mit wie viel Power und Enthusiasmus die Kinder bereit sind Neues zu lernen und sich voll und ganz auf die Kurse zu konzentrieren“, berichtet Andreas Ollmann, der so etwas wie der Direktor der Hacker School ist.

Das neue Konzept geht auf

Seit kurzem bieten sie die Kurse gebündelt an einem Wochenende an. Über 80 Kinder, darunter zehn Mädchen, lauschen den Kurzvorträgen der Dozenten und müssen anschließend auf die Kurse verteilt werden. Ollmanns Aufregung ist umsonst – das neue Konzept geht auf: Jedes Kind hat sich für eins der drei Seminare entschieden. Auf dem Stundenplan stehen heute: Der LED-Kurs von Ben Brunzel und Leon Jordans, die Programmiersprachen Scratch und JavaScript, der Einplatinencomputer Raspberry-Pi und das Computerspiel Minecraft.

Ein Großteil der Kinder kommt aus Hamburg und dem nahen Umfeld, doch auch der elfjährige Kiron aus dem knapp 300 Kilometer entfernten Lienen (Nordrhein-Westfalen) ist dabei. Zusammen mit seinem Papa Benjamin Kepp ist er über das Wochenende an die Elbe gereist – das Vater-Sohn-Duo übernachtet extra im Hotel, um bei der Hacker School dabei sein zu können. „Kiron brennt für das Thema und möchte sein Wissen vertiefen. Ich wünsche mir, dass es ihm hier einfach Spaß macht“, sagt Benjamin Kepp. Kiron ist im Raspberry-Pi-Kurs und lernt, wie vielseitig der Mini-Computer ist. Benjamin Kepp hätte genug Zeit, um die Hansestadt zu erkunden, doch stattdessen bleibt er und unterstützt im Minecraft-Seminar den Dozenten Benedikt Stemmildt, der sonst den beliebtesten aller Kurse alleine wuppen müsste. Statt Zombies zu jagen und neue Welten zu schaffen, lernen die Kinder bei ihm, was hinter dem Computerspiel Minecraft steckt. „Minecraft wurde in Java entwickelt, eine anspruchsvolle Hochsprache für professionelle Software-Entwicklung“, erklärt Ollmann. Die Kinder basteln Plug-Ins, um ihre Spielfigur höher springen und Zombies auf Kühen reiten zu lassen. Selbstverständlich können die Kids die selbst gebauten Software-Erweiterungen mit nach Hause nehmen und daheim beim Spielen auf Tablet, PC oder Smartphone selbst ausprobieren.

Währenddessen beginnt die zum Bildschirm umfunktionierte Getränkekiste von Ben Brunzel und Leon Jordans grün zu blinken – die 40 Flaschen mit LED-Lampen leuchten abwechselnd auf und erzeugen Muster, die Max, Ben-David und Finn zuvor am PC programmiert haben. Ein Junge aus dem Kurs schnappt sich ein kariertes Notizblatt, legt es auf seinen PC-Bildschirm und paust die Daten vom Display mit dem Bleistift ab, um die Zeichnung dann wieder in die Programmiersprache zu übertragen, damit die Glasflaschen das von ihm entworfene Bild anzeigen. Ben Brunzel zieht sein Handy aus der Tasche und macht heimlich ein Foto davon. „Als Programmierer muss man auch unkonventionelle und kreative Wege gehen können“, sagt er und ist begeistert: Er, der Inspirer und Software-Experte, gibt heute nicht nur sein Wissen weiter. Ben Brunzel lernt auch vom Nachwuchs dazu.