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Straßenverkehr

Unfälle am Stauende: So verhalten sich Autofahrer richtig

24. Februar 2017

Immer wieder rasen LKWs ungebremst ins Stauende, weil sie nicht mehr rechtzeitig zum Stehen kommen. Die schweren Unfälle verunsichern die Autofahrer. Dabei gibt es bereits eine Technik, die den LKW automatisch abbremst. Doch anscheinend schalten viele Kraftfahrer das System aus. Warum das so ist und was Autofahrer für ihre eigene Sicherheit tun können, erklärt Ralf Buchstaller, Leiter des Medizinisch-Psychologischen Instituts von TÜV NORD, im Interview.

 

#explore: Was machen Autofahrer meist falsch, wenn sie in einen Stau geraten?

Ralf Buchstaller: Der häufigste Fehler ist, dass Autofahrer zu spät das Tempo verringern und die Warnblinkanlage einschalten. So wird der nachfolgende Verkehr nicht früh genug über das Stauende informiert. Je eher Autofahrer vor einem Stau warnen, desto mehr Reaktionszeit haben die anderen Verkehrsteilnehmer.

 

Wie verhält man sich denn in einer Stau-Situation korrekt?

Die Warntafeln, die an kritischen Punkten an Autobahnen aufgestellt werden, sollten Verkehrsteilnehmer unbedingt berücksichtigen und dann auch mit einem Stau rechnen. Am besten wird der Abstand zum Vordermann sofort vergrößert, sobald der Verkehr dichter wird. Außerdem gleich die Warnblinkanlage einschalten – lieber einmal zu früh, als zu spät.

 

Sollten die Fahrer nicht auch den Rückspiegel im Blick behalten, ob die nachfolgenden Autos rechtzeitig abbremsen?

Das macht auf jeden Fall Sinn. Im Notfall kann man dann noch schnell reagieren und auf den Seitenstreifen ausweichen.

„Der Großteil aller Unfälle ist auf menschliches Versagen zurückzuführen. Hauptunfallursachen sind Geschwindigkeitsüberschreitung, Alkohol und Drogen am Steuer.“

Ralf Buchstaller, Leiter des Medizinisch-Psychologischen Instituts von TÜV NORD

Welche psychologischen Aspekte spielen bei der Gefahrensituation ‚Stauende’ eine Rolle?

Meiner Meinung nach ist vor allem Leichtsinnigkeit ein Problem – und nicht etwa Angst. Viele nehmen die Hinweise nicht ernst, lassen sich ablenken und glauben, dass schon nichts passieren wird. Dabei könnte schon eine ganze Menge an Gefahrenpotenzial entschärft werden, wenn alle rechtzeitig auf Warnhinweise reagieren.

 

Unfälle, bei denen LKWs mit voller Wucht auf einen Stau treffen, scheinen häufiger zu werden. Wächst damit nicht auch die Angst vor solch einem Aufprall?

Das kann man nicht ausschließen. Doch man sollte dann nicht vergessen, dass laut Statistiken Autobahnen immer noch die sichersten Straßen sind. Trotzdem bleiben solch dramatische Auffahrunfälle besonders stark in Erinnerung, weil sie meist erhebliche Schäden anrichten – und werden damit auch ein bisschen übergewichtet.

 

Inzwischen gibt es für LKW-Fahrer Assistenzsysteme, die vor einem Stau automatisch rechtzeitig abbremsen. Das könnte viele Unfälle verhindern. Dennoch schalten anscheinend viele LKW-Fahrer die Technik ab. Warum?

Häufig ist es so, dass die Technik den Berufsalltag der Kraftfahrer erschwert. Sie fahren dicht auf einen LKW auf, um dann möglichst zügig überholen zu können. Wenn das Abstandssignal eingeschaltet ist, gelingt ihnen das nicht. Sie brauchen länger für den Überholvorgang und ernten unfreundliche Blicke von den anderen Verkehrsteilnehmern.

 

Zum Schluss: Was ist Ihrer Ansicht nach die größere Gefahr im Straßenverkehr – der Mensch oder die Technik?

Der Großteil aller Unfälle ist auf menschliches Versagen zurückzuführen. Hauptunfallursachen sind Geschwindigkeitsüberschreitung, Alkohol und Drogen am Steuer. Es gibt nur noch ganz wenige Unfälle, die durch technisches Versagen verschuldet sind. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass mit der modernen Technik die Zahl der Unfälle zurückgehen kann, weil zu schnelles Fahren automatisch verhindert wird.

ZUR PERSON

Ralf Buchstaller ist als Diplom-Psychologe seit 25 Jahren im Bereich der Fahreignungsdiagnostik tätig. Er ist Mitglied der VdTÜV-Kommission „Verkehrsmedizin und Verkehrspsychologie“ und in der „Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie DGVP“. Seit 2002 ist er bei TÜV NORD. Dort leitet er aktuell das medizinisch-psychologische Institut (MPI) in Hamburg.