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Solarenergie

Biotop PV-Park

Wie Solarparks Artenvielfalt fördern können.

Eine Person steht vor einer Reihe von Solarpaneelen auf einer grünen Wiese und arbeitet mit einem Tablet. Die Solarpaneele sind in einem Winkel aufgestellt, um das Sonnenlicht optimal zu nutzen.

13. November 2025

Solarparks mögen für manche Menschen wie Fremdkörper in der Landschaft wirken. Doch neben dem Klima können sie auch dem Naturschutz zugutekommen, bedrohten Arten wie Feldlerche und Steinschmätzer ein Zuhause bieten. Allerdings ist nicht jede PV-Freiflächenanlage automatisch ein Booster für Biodiversität. Was sind die Voraussetzungen dafür, dass Solarparks Artenvielfalt fördern?

Solarpaneele so weit das Auge reicht. Der Solarpark Gottesgabe bei Neuhardenberg erstreckt sich auf einer Fläche von 190 Fußballfeldern und ist damit einer der größten und leistungsstärksten in Deutschland. Rund 44.000 Haushalte werden von hier aus mit Grünstrom versorgt, überschüssige Energie wird für den Betrieb und für nächtliche Stunden in großen Batteriespeichern geparkt.

Neue Heimat für Sandschrecke und Feldlerche

Seit Gottesgabe 2022 in Betrieb genommen wurde, hat sich aber auch um und unter den 350.000 Solarmodulen einiges getan und bewegt. 68 verschiedene Pflanzenarten hat Tim Peschel auf dem Gelände entdeckt. Der Biologe hat den Solarpark 2024 im Rahmen einer Feldstudie untersucht und ist dabei auf eine vielfältige Fauna gestoßen: Diverse Heuschreckenarten, darunter die gefährdete Blauflügelige Sandschrecke, zirpen unter den Blüten, die außerdem Wildbienen und Schmetterlinge anziehen. Weil in Solarparks keine Pflanzenschutzmittel verwendet werden, können die Insekten hier besser gedeihen – zur Freude von Reptilien oder Vögeln wie der Feldlerche. Die steht in Brandenburg auf der Roten Liste und hat im Solarpark Gottesgabe ein Zuhause gefunden. Das macht das Areal wiederum für Turmfalken und Mäusebussarde interessant, die den Park regelmäßig anfliegen, wie Biologe Peschel festgestellt hat.

Feldstudie mit vielversprechenden Ergebnissen

Gottesgabe ist einer von insgesamt 31 Solarparks, die Peschel mit einem Kollegen im Rahmen der Feldstudie untersucht hat. Laut Bundesverband Neue Energiewirtschaft, der die Studie beauftragt hat, handelt es sich um die weltweit umfangreichste Untersuchung zur Artenvielfalt in Solarparks auf ehemaligen Landwirtschaftsflächen, wo in Deutschland heute die meisten neuen Freiflächenanlagen gebaut werden. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: 385 Pflanzenarten, 36 Schmetterlingsarten und 30 Heuschreckenarten haben die Biologen nachgewiesen. In Tümpeln und Feuchtwiesen um die Paneele herum fühlen sich 13 Libellenarten und acht Amphibienarten wohl, darunter die stark gefährdete Gelbbauchunke. Zu den Bewohnern der Solarparks zählen außerdem 32 Vogelarten, 63 weitere Vogel- und 13 Fledermausarten steuern die Anlagen zur Nahrungssuche an.

„PV-Freiflächenanlagen bieten in der strukturarmen Agrarlandschaft für viele Arten ein Mosaik neuer, offensichtlich geeigneter Lebensräume“, benennt Peschel die zentrale Erkenntnis der Studie. Solarparks böten einen echten Mehrwert für die Artenvielfalt, so der Biologe – wenn sie gut geplant und richtig gepflegt werden.

Abstand einplanen

Damit sich um und unter den Paneelen eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt entwickeln kann, dürfen diese nicht zu tief gesetzt und zu dicht gestellt werden. Denn viele Arten brauchen ausreichend Licht, um zu gedeihen. Expertinnen wie Elke Hietel von der TH Bingen empfehlen daher einen besonnten Mindestbereich von 3,5 Metern zwischen den Modulreihen. „Insgesamt sollten bei Biodiversitätssolarparks maximal 40 Prozent der gesamten Fläche mit Modulen überstellt werden“, sagt die Professorin für Landschaftspflege, Landschafts- und Stadtplanung, die mit ihrem Team für das Umweltministerium Rheinland-Pfalz einen Leitfaden für biodiversitätsfördernde Solarparks erstellt hat.

Attraktives Totholz und wollige Samentaxis

Die Verwendung von Saatgutmischungen aus heimischen Wildblumen und -gräsern legt ein gutes Fundament für eine artenreiche Flora. Auch mit dem Pflanzen von Hecken und Bäumen am Rand der Fläche und der Anlage von kleinen Gewässern oder anderen Biotopen können Betreibende die Biodiversität voranbringen: Während etwa Totholzhaufen für viele Insekten attraktiv sind, finden auf Steinhaufen seltene Vogelarten wie der Steinschmätzer Orte für ihre Nester. Da Solarparks eingezäunt werden, brauchen große Anlagen außerdem Korridore für Rehe oder Hirsche.

Ob all diese Maßnahmen den gewünschten Effekt erzielen, steht und fällt mit der Pflege des Solarparks. „Die Beweidung durch Schafe ist dabei grundsätzlich die beste Lösung, da sie weniger abrupt in die Vegetation eingreift“, sagt Expertin Hietel. Die tierischen Greenkeeper dienen außerdem als Taxi für Samen, die sich in ihrer Wolle verfangen. Sie ziehen Insekten an, und durch den Tritt ihrer Klauen entstehen Lücken im Boden, von denen weniger durchsetzungsstarke Pflanzenarten, aber auch Wildbienen profitieren.

Magerkeit schafft Vielfalt

Wird der Solarpark gemäht, sollte das mit insektenschonenden Balkenmähern und möglichst abschnittsweise geschehen. Auf diese Weise bleiben immer Blütenbereiche übrig, in die sich die Tiere zurückziehen können.

Besonders wichtig für Expertin Hietel ist, dass der Grünschnitt nach dem Mähen abtransportiert werden muss: „Allzu oft wird er aber vor Ort als Mulch verwendet, wodurch sich der Boden mit Nährstoffen anreichert.“ Das Problem dabei: Auf nährstoffreichen Böden machen sich in erster Linie Gräser breit und verdrängen andere Pflanzenarten. Deshalb gilt es, die ehemaligen Äcker „auszumagern“, also den Nährstoffgehalt zu reduzieren. „Je magerer der Boden, desto artenreicher der Bestand“, konstatiert Hietel. „Diese Ausmagerung des Bodens und alternierendes Mähen setzen ein durchdachtes Pflegekonzept voraus, das bereits in der Planungsphase von Fachleuten erarbeitet werden sollte.“

Eine umweltfachliche Begleitung ist Hietel zufolge auch nach der Inbetriebnahme unerlässlich. In den ersten fünf bis zehn Jahren brauche es ein regelmäßiges Monitoring, um zu kontrollieren, ob sich die Artenvielfalt auf den Flächen wie gewünscht entwickelt, und um bei Bedarf nachsteuern zu können.

Welche Rolle Artenschutz bei Planung und Genehmigung spielt

Was in welchem Umfang von diesen Maßnahmen umgesetzt wird, das hängt auch immer noch vom guten Willen der Projektplanenden ab. Zwar werden jedem Solarpark im Zuge des Genehmigungsverfahrens Ausgleichsmaßnahmen auferlegt, um den mit dem Bau verbundenen Eingriff in die Natur zu kompensieren. In diesem Rahmen wurden im Solarpark Gottesgabe etwa Hecken und Bäume um die Anlage gepflanzt und Biotope angelegt. Aber solche Ausgleichsmaßnahmen zielen in erster Linie darauf ab, den Status quo vor Ort zu erhalten. Leitlinien für biodiversitätsfördernde Solarparks, wie sie neben Rheinland-Pfalz auch andere Länder veröffentlicht haben, gehen deutlich darüber hinaus und sollen Genehmigungsbehörden wie Planenden Orientierung geben – bindend sind sie nicht.

Manche Betreibende gehen freiwillig über die verpflichtenden Auflagen hinaus. In der Oberlausitz arbeitet etwa der Grünstromversorger Naturstrom mit dem NABU zusammen, um die Biodiversität im bestehenden Solarpark Nochten weiter zu fördern. Auch der Bundesverband Solarwirtschaft hat die Bedeutung des Artenschutzes erkannt und gemeinsam mit dem NABU Standards entwickelt, die Mitgliedsunternehmen bei der Planung naturverträglicher Anlagen unterstützen sollen.

Verbindliche Biodiversitätsstandards für alle?

Verbindliche Anforderungen auf Bundesebene, um die Biodiversität in Solarparks aktiv zu fördern, gab es lange Zeit keine. Den Anfang hat hier die 2024 in Kraft getretene Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gemacht. Zu den fünf Vorgaben, die das sogenannte Solarpaket I festlegt, gehört etwa die Durchgängigkeit für Wildtiere, die Anlage von Biotopen und ein biodiversitätsförderndes Pflegekonzept. „Allerdings müssen die Unternehmen nur drei der fünf Anforderungen erfüllen und können sich daher auf jene beschränken, die sich ohne allzu große Anstrengungen umsetzen lassen“, problematisiert Expertin Hietel. Hinzu kommt: Die Anforderungen gelten nur für geförderte Anlagen – und 2024 kam bereits knapp ein Drittel der neu installierten Solarparkleistung ohne Förderung aus.

Naturschutzorganisationen wie der NABU verlangen daher verbindliche und umfassende Mindestanforderungen für alle PV-Parks in Deutschland. Besonders vorbildliche Anlagen könnten darüber hinaus als „Biodiversitätssolarparks“ ausgezeichnet werden und dafür etwa eine höhere Förderung erhalten, empfiehlt Hietel. „Die Biodiversitätskrise, in der wir uns heute befinden, ist für die Menschheit ebenso existenzbedrohend wie der Klimawandel“, sagt die Expertin. „Klima- und Umweltschutz bestmöglich miteinander zu verbinden ist daher eine große Chance, die wir unbedingt ergreifen sollten.“

Eine Reihe von Solarpaneelen steht hinter einem Feld voller blühender Wildblumen in Lila und Gelb. Die Blumen sind üppig und kontrastieren mit den geometrischen Formen der Solarpaneele. Der Himmel ist klar und blau.
Blühendes Leben: Einer Feldstudie nach wurden in Solarparks auf ehemaligen Landwirtschaftsflächen 385 Pflanzenarten, 36 Schmetterlingsarten sowie 30 Heuschreckenarten nachgewiesen. Copyright: Adobe Stock
Eine Landschaft mit Solarpaneelen und Windkraftanlagen, die sich über ein grünes Feld erstrecken. Im Vordergrund ist ein kleiner Teich, der die Farben des Sonnenuntergangs am Himmel reflektiert. Der Himmel ist mit rosa und violetten Wolken bedeckt.
Gräser, Gewässer, Grünland: Solarparks sind nicht immer ein Fremdkörper in der Umgebung, sondern fördern häufig die Artenvielfalt. Copyright: Adobe Stock
Elke Hietel ist Professorin für Landschaftspflege, Landschafts- und Stadtplanung an der TH Bingen. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit Biodiversität auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, in urbanen Räumen und in Solarparks.

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Dies ist ein Artikel von #explore. #explore ist eine digitale Entdeckungsreise in eine Welt, die sich in rasantem Tempo wandelt. Die zunehmende Vernetzung, innovative Technologien und die alles umfassende Digitalisierung schaffen Neues und stellen Gewohntes auf den Kopf. Doch das birgt auch Gefahren und Risiken: #explore zeigt einen sicheren Weg durch die vernetzte Welt.