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Sicherheit

Rad- und Fußverkehr vor!

Wie Städte den Verkehr fuß- und fahrradfreundlicher machen.

Drei Radfahrer in sommerlicher Kleidung auf einer städtischen Straße; eine lächelnde Frau mit Sonnenbrille und gelbem Top vorne, dahinter ein Mann mit Hut und eine Frau in grauem Shirt, parallel zum Autoverkehr.

16. Februar 2023

Während der Coronapandemie wurde es sicherer auf den Straßen. Doch mittlerweile ist die Zahl der Verkehrsunfälle wieder fast auf dem Stand von 2019. Und nach wie vor sind in den Städten die verletzlichsten Verkehrsteilnehmenden am stärksten gefährdet. So war 2022 in Berlin mehr als jeder zweite Verkehrstote zu Fuß oder auf dem Rad unterwegs, nur jeder fünfte saß in einem Fahrzeug. Kommunen wie Bürgerinitiativen wollen den Verkehr fuß- und fahrradfreundlicher machen.

 

Nahaufnahme einer grünen Fahrradampel mit leuchtendem Fahrrad-Symbol aus reflektierenden Punkten auf schwarzem Hintergrund.

Vorfahrt für den Fußverkehr

Bedarfsampeln funktionieren für gewöhnlich folgendermaßen: Der Autoverkehr hat freie Fahrt, also grundsätzlich Grün. Menschen auf dem Rad oder per pedes müssen auf den Ampelknopf drücken, erst dann springt für sie das Lichtzeichen um. Dieses Prinzip wurde in Karlsruhe 2021 erstmals umgekehrt. Und seit Dezember vergangenen Jahres auch in Hamburg: An einer Kreuzung im beliebten Stadtteil Eimsbüttel haben jetzt der Rad- und der Fußverkehr Priorität. Angrenzend an die Kreuzung liegen ein kleiner Park am Kanal, ein Schwimmbad und ein Fitnessstudio. Entsprechend viele Menschen wollen zu Fuß oder mit dem Rad die Straße überqueren – und sollen dabei nicht immer warten müssen.

Autos bekommen mit der neuen Schaltung erst Grün nach Bedarf: Nähern sie sich der Ampel, springt eine Wärmekamera an und nach kurzer Zeit die Ampel um. Bei höherem Andrang gibt es länger Grün für den Kfz-Verkehr. Linienbusse werden an der Kreuzung weiterhin bevorzugt behandelt: Sie können bereits vorab über Meldepunkte „Grün“ anfordern, damit sie verzögerungsfrei durchkommen. Wenn sich das neue Ampelprinzip bewährt, sollen bis 2024 vier weitere Kreuzungen in der Hansestadt umgerüstet werden.

Gruppe von Radfahrern auf abgesichertem Fahrradweg mit gelben Begrenzungen; ein Kind mit Helm in Kindersitz auf dem Fahrrad einer Erwachsenen.

Im Fahrradkonvoi zur Schule

Für Schulkinder in Barcelona werden morgens die Straßen zum Fahrradweg. Rund einhundert Kinder rollen durch die spanische Metropole, begleitet von Eltern und der Polizei. Für Autos sind die Straßen zu dieser Zeit gesperrt. Wer in den „Bicibus“– so nennt sich die Fahrradkolonne – „einsteigen“ will, stößt an einer Straßenecke dazu und verlässt ihn an seiner Schule wieder. So können auch die Kleinsten das Radfahren sicher lernen. Die im März 2021 gestartete Initiative hofft, dass die Kinder durch diese positive Erfahrung auch später eher und öfter aufs Rad steigen. Mittlerweile gibt es 15 Bicibus-Routen in ganz Barcelona. Manche davon fahren täglich, andere an einzelnen Wochentagen. Die Idee macht europaweit Schule: Auch in Madrid, Glasgow oder Wien sind mittlerweile Kinder-Konvois unterwegs. Hierzulande können die Kleinen etwa in Frankfurt am Main, Halle oder Hamburg in den Bicibus einsteigen.

Frische Luft statt Elterntaxi

Kürzere Schulwege werden im Kreis Paderborn gemeinsam zu Fuß bewältigt. Auch Kinder in Osnabrück nehmen jeden Morgen den „Walking-Bus“. Der heißt so, weil die Idee ursprünglich aus Großbritannien stammt. Durch den gemeinsamen Weg an der frischen Luft sind die Abc-Schützinnen und -Schützen schon einmal in Bewegung – und kommen so wacher und aufgeräumter in der Schule an. Nicht zuletzt lernen sie unter Aufsicht, sich sicher und immer selbstständiger im Verkehr zu bewegen. Eine aktive Alternative zu den Elterntaxis, die frühmorgens die Straßen vor Kitas und Schulen verstopfen und dabei immer wieder zur Gefahr für die Kinder werden.

 

Tempo-30-Schild an grauem Mast vor üppig grünem Baum und blauem Himmel mit leichten Wolken.

Tempo 30 innerorts

Tempo 30 innerorts: Was manchen Autofahrenden den Angstschweiß auf die Stirn treibt, gilt als ein Königsweg zur „Vision Zero“ – null Toten im Verkehr. Denn je geringer die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Verkehrsteilnehmenden, desto kleiner auch die Unfallgefahr. Helsinki macht’s vor: In der finnischen Hauptstadt wurde Tempo 30 als Teil der „Vision Zero“-Strategie beschlossen und 2019 eingeführt. Mit unmittelbaren Ergebnissen: Im selben Jahr wurden erstmals keine Passantinnen und Passanten oder Radfahrenden bei einem Verkehrsunfall getötet.

Im deutschen Verkehrsrecht ist Tempo 30 die Ausnahme der Regel. Städte dürfen es auf Hauptverkehrsstraßen nur auf beschränkten Abschnitten einrichten – etwa vor Schulen, Kitas und Altenheimen oder um auf stark befahrenen Straßen den Stickoxidausstoß zu senken. Die Initiative „Lebenswerte Städte“ will das ändern: Kommunen sollen Tempo 30 innerorts als Höchstgeschwindigkeit anordnen können, wo sie es für nötig halten. Die Initiative wurde im Juli 2021 von sieben Städten gegründet, darunter Aachen, Münster und Hannover. Mittlerweile sind über 440 dabei: von Berlin oder Köln bis zu Bad Segeberg oder Brunn.

Neben mehr Verkehrssicherheit versprechen sich die Kommunen von Tempo 30 auch weniger Lärm, weniger Abgase und damit mehr Lebensqualität für alle Städterinnen und Städter. Erwartungen, die durch Untersuchungen des Umweltbundesamts gestützt werden. Außerdem: Wo heute wechselnde Tempolimits Verwirrung stiften, könnten einheitliche Regelungen künftig mehr Klarheit bringen, so die Städte-Initiative. Und zusätzlich für mehr Akzeptanz sorgen – auch unter Autofahrenden.

Grüne Welle für Radfahrende

Was etwa in Kopenhagen seit Jahren gang und gäbe ist, gibt es mittlerweile auch in Karlsruhe und in Hamburg: eine grüne Welle für Fahrradfahrende. Auf einer Strecke im Hamburger Stadtteil Harvestehude fahren Radfahrende bei einem Durchschnittstempo von 18 Kilometern pro Stunde ungehindert bei Grün. Morgens stadteinwärts, ab dem Mittag stadtauswärts. Auf einer zweiten Route durch Ottensen stehen die Zeichen stadtauswärts auf Grün. Insgesamt elf Ampeln wurden dazu miteinander abgestimmt. Grüne Wellen wie diese seien besonders auf stark frequentierten Fahrradstrecken sinnvoll, so Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende in Hamburg. Fünf weitere Routen sind in der Hansestadt in Planung.

Geschwindigkeitsempfehlung von der Säule

Wenn Ampeln weiter voneinander entfernt liegen oder weniger Personen auf einer Route radeln, ist eine grüne Welle nicht immer eine Option. Denn Menschen radeln in unterschiedlichem Tempo, viel stärker als bei anderen Verkehrsmitteln. An der Hamburger Rothenbaumchaussee gibt es daher jetzt Geschwindigkeitsempfehlungen von einer Säule – individuell berechnet anhand der aktuellen Geschwindigkeit der oder des Radfahrenden. Ein grüner Haken bedeutet: Das Tempo passt, um bei Grün über die Ampel zu kommen. Ein gelber Pfeil nach oben beziehungsweise nach unten heißt: Tempo anziehen beziehungsweise drosseln! Und Rot sagt aus, dass die Grünphase nicht mehr erreicht wird. Man kann also gemütlich zur Ampel rollen. Einfluss auf den Pkw-Verkehr hat die Säule nicht, denn die Ampelschaltung selbst wurde nicht verändert. Das Radfahren aber soll sie deutlich flüssiger und angenehmer machen, indem sie das Abbremsen und das Anfahren an der Ampel minimiert. Denn was im Auto auf einen Pedaltritt zu machen ist, erfordert auf dem Rad immer Mühe und Muskeleinsatz.

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Dies ist ein Artikel von #explore. #explore ist eine digitale Entdeckungsreise in eine Welt, die sich in rasantem Tempo wandelt. Die zunehmende Vernetzung, innovative Technologien und die alles umfassende Digitalisierung schaffen Neues und stellen Gewohntes auf den Kopf. Doch das birgt auch Gefahren und Risiken: #explore zeigt einen sicheren Weg durch die vernetzte Welt.