Kurz nachgefragt
Wenn es stinkt, hilft Geruchsgutachter Thomas Liebich. Was dabei wichtig ist und warum seine Nase dabei gar nicht so wichtig ist, erklärt er im Interview.
14. November 2017
Wenn es buchstäblich drei Meilen gegen den Wind stinkt, kommt Geruchsexperte Thomas Liebich zum Einsatz. Der TÜV NORD-Gutachter erklärt im Interview, warum seine Nase dabei gar nicht gefragt ist und wie man Gestank verdünnen kann.
#explore: Was macht eigentlich ein Geruchstester?
Thomas Liebich: Es gibt Geruchstester und Geruchsgutachter. Die Geruchstester sind die Probanden, das sind sozusagen unsere Nasen. Mein Job dagegen ist der eines Geruchgutachters. Ich führe Geruchsmessungen durch und schreibe Gutachten zu Themen, die mit Geruch zu tun haben. Wer in Deutschland eine Anlage betreiben will – ganz gleich welcher Größe – muss sich an ein ausgefeiltes Regelwerk halten und braucht eine Genehmigung, genauso wie jemand, der ein Haus bauen will, eine Baugenehmigung braucht. Stößt die Anlage Emissionen aus, also für Laien: Gase, Staub etc., gehört zum Genehmigungsantrag auch ein Geruchsgutachten, das klären soll, ob die Emissionen im Rahmen der Regelungen zulässig sind oder ob Maßnahmen gegen Gestank notwendig sind. Auch bereits laufende Anlagen müssen überwacht werden – die notwendigen regelmäßigen Messungen führen dann wir durch. Ein dritter wichtiger Aspekt sind Gerichtsverfahren. In diesem Zusammenhang helfen wir bei der Aufklärung von Fragen wie: Ist in einem Raum eine unzumutbare Geruchsbelastung vorhanden? Ruft ein Möbelstück diesen Geruch hervor? Oder war eine Renovierung nicht erfolgreich?
„Wir suchen nicht Supernasen, die noch feinste Nuancen unterscheiden können, sondern wir brauchen eine getestete, europäische Durchschnittsnase.“
Thomas Liebich
#explore: Wie werden Gerüche überhaupt gemessen?
Thomas Liebich: Gerüche werden immer noch mit der Nase gemessen – in unserem Bereich gibt es keine technische Innovation, die uns diese Arbeit abnimmt. Im Wesentlichen messen wir nur die Stärke der Gerüche. Dafür arbeiten wir mit Verdünnungen. Der Proband bekommt den Geruch zu Beginn stark verdünnt, dann wird der Geruch immer stärker, bis der Prüfer sagt: Stopp, jetzt rieche ich etwas. Umgekehrt heißt das, je stärker wir verdünnen müssen, bis der Geruch nicht mehr zu riechen ist, desto intensiver ist der Geruch. Um den Geruch überhaupt erst einzufangen zu können, arbeiten wir mit Beuteln, die aus demselben Material wie ganz normale Bratschläuche bestehen. Vor Ort ziehen wir in diese Beutel Luft aus Schornsteinen, Abgasreinigungsanlagen, offenen Oberflächen und anderen Quellen. Diese Beutel nehmen wir dann mit in das Geruchslabor und werten sie anschließend mit den Probanden aus. Das Prinzip ähnelt dem Umgang mit Schadstoffen – dort werden ebenfalls Proben wie zum Beispiel Staub im Labor analysiert.
#explore: Müssen die Nasen der Probanden so gut sein wie die eines Parfümeurs?
Thomas Liebich: Nein, auf keinen Fall. Wir suchen nicht Supernasen, die noch feinste Nuancen unterscheiden können, sondern wir brauchen eine getestete, europäische Durchschnittsnase. Wer zu unseren Probanden gehören will, muss eine Reihe von Tests mit Standardgeruchsstoffen bestehen und mit seiner Empfindlichkeit in einem bestimmten Bereich liegen. Außerdem müssen unsere Nasen den Geruch wiederfinden können. Wichtig ist, dass die Werte in einer festgelegten Bandbreite liegen, damit die Ergebnisse nicht von Nase zu Nase zu stark schwanken. Ich selbst bin auch geprüfter Proband, setze meine Nase aber nur ein, um einen Eindruck zu bekommen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn wir nicht im Labor arbeiten, sondern draußen vor Ort, zum Beispiel auf einem Feld. Dann leite ich die Messung und setze gleichzeitig meine Nase mit ein.
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