Unternehmensführung
Erfahren Sie jetzt, welche Ursachen der Fachkräftemangel hat und wie Unternehmen mit guter Arbeit gegensteuern können.
Zum Blog Wissen kompakt„Stell dir vor, es ist Arbeit da, aber niemand, der sie macht.“ Diese Vorstellung ist für viele deutsche Unternehmen längst Realität. Ob im Handwerk, in der Verwaltung oder in der IT-Branche, qualifizierte Arbeitskräfte fehlen fast überall. Die Folgen sind gravierend. Laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kostet die Fachkräftelücke allein in diesem Jahr 49 Milliarden Euro.
Durch den fortschreitenden demografischen Wandel wird sich das Problem verschärfen. „In den nächsten zehn Jahren werden pro Jahr etwa 500.000 Menschen weniger in den Arbeitsmarkt eintreten, als ihn verlassen“, prognostiziert Prof. Dr. Christoph Berg, Professor für Wirtschaftspsychologie an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management. Dass diese Situation schon vor einer Dekade absehbar war, spielt nun kaum noch eine Rolle. Vielmehr stellt sich die Frage, welche Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel helfen.
Wir haben uns mit Christoph Berg darüber unterhalten,
Gründe für den Fachkräftemangel gibt es mehrere, wobei einer besonders schwer wiegt:
Demografischer Wandel
Die deutsche Bevölkerung altert und die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinkt rasant. Gleichzeitig erhöht der wachsende Anteil älterer Menschen den Fachkräftebedarf in der Pflege und in Gesundheitsberufen. Dieser Megatrend wird auf absehbare Zeit anhalten.
Globaler Wettbewerb
Unternehmen in Deutschland stehen bei der Fachkräftesuche stärker als früher im Wettbewerb mit Firmen in anderen Ländern. Manche Staaten punkten in diesem Wettbewerb mit attraktiven Rahmenbedingungen.
Digitalisierung
Mit fortschreitender Digitalisierung gewinnt komplexes Fachwissen an Stellenwert. Dieses Spezialwissen besitzen viele Menschen (noch) nicht. Dazu kommt, dass die hohe Veränderungsgeschwindigkeit lebenslanges Lernen erfordert.
Imageproblem mit Ausbildungen
Handwerksberufe beispielsweise leiden darunter, dass Ausbildungen ein Imageproblem haben. Schulabsolvent:innen entscheiden sich lieber für eine weiterführende Schule und/oder ein Studium.
Obwohl er sich fast überall bemerkbar macht, trifft der Fachkräftemangel Branchen und Regionen unterschiedlich hart.
Besonders drängend ist das Problem zum Beispiel im Gastgewerbe und Handwerk, aber auch in Pflegeberufen und sozialen Berufen, im Gesundheitsbereich, in der Verwaltung und Lehre sowie im sogenannten MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik).
Einen genauen Einblick gibt die interaktive Karte des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA).
Unterschiede beobachtet Christoph Berg auch bei der Reaktion auf das Problem: „In der Industrie finden teilweise schon länger notwendige Umbaumaßnahmen statt.“ Anders sähe es im Handwerk oder in der Verwaltung aus. Hier fehle oft das Bewusstsein dafür, dass einschneidende Änderungen notwendig seien. Dabei sei ein „Weiter so“ keine Option.
Für Christoph Berg steht fest: Das Problem Fachkräftemangel lässt sich weder durch Zuwanderung noch durch eine längere Lebensarbeitszeit oder die Ausweitung von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung lösen. Auch verbliebenen Mitarbeitenden mehr Arbeit aufzubürden, sei keine gute Idee. Dies führe vor allem dazu, dass die betreffenden Personen krank werden und ebenfalls ausfallen.
Stattdessen gäbe es nur eine sinnvolle Option, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken: „Wir müssen Arbeit so organisieren und strukturieren, sodass wir mit weniger Leuten auskommen.“ Die Digitalisierung und KI eröffnen neue Möglichkeiten, die allerdings noch viel zu wenig genutzt würden.
Die gute Nachricht, so Christoph Berg: Eine Neustrukturierung berge Chancen, Arbeit effizienter und attraktiver zu gestalten.
Es stellt sich die Frage, mit welchen Maßnahmen Unternehmen dem Fachkräftemangel entgegenwirken können. Neben der Aufgabe, Arbeitsstrukturen neu zu gestalten und Abläufe effizienter zu machen, stehen Unternehmen vor der akuten Herausforderung, qualifizierte Mitarbeitende zu halten und neue Talente zu finden. Angesichts des sich zuspitzenden Fachkräftemangels keine leichte Aufgabe.
Dabei stellt sich die Frage: Welche Eigenschaften machen einen Job attraktiv beziehungsweise was macht „gute Arbeit“ aus?
Für die Antwort verweist Christoph Berg auf eine Studie, die die Masterstudierende der Wirtschaftspsychologie Claudia Kammermeier 2021 durchführte. Sie befragte 250 Menschen, welche Merkmale von Arbeit ihre Motivation beziehungsweise ihr Commitment steigern.
Auf den Spitzenpositionen fanden sich folgende Eigenschaften:
Punkten können Unternehmen zudem, wenn sie Mitarbeitenden ein Gefühl von Eingebundenheit vermitteln, sie Kompetenz erleben lassen, ihnen Autonomie geben und Anforderungen vielfältig halten. Autonomie ist auch in Hinsicht auf den Umgang mit Zeit und die Einteilung von Arbeiten wichtig. Das Gefühl, von außen getaktet zu sein, sorgt für Stress.
(absteigend sortiert)
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Und das Geld? „Das Gehalt muss angemessen sein“, betont Christoph Berg. Aber es eigne sich nur sehr bedingt als Hebel, um begehrte Fachkräfte für sich zu gewinnen. Schließlich seien die finanziellen Grenzen im Mittelstand zu eng gesteckt für einen Überbietungswettbewerb.
Tipp: Wer erfolgreich junge Talente ansprechen will, wählt am besten Kanäle, auf denen sich diese Talente aufhalten. Gerade Handwerksbetriebe, beobachtet Christoph Berg, verspielen Chancen, weil sie auf Social Media nicht aktiv sind. Statt aktiv auf junge Menschen zuzugehen und Employer Branding zu betreiben, warten sie auf Bewerber:innen, und das immer öfter vergeblich.
Der Jobmarkt in Deutschland hat sich von einem Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Diese Situation wird allein aufgrund des demografischen Wandels anhalten.
Für Unternehmen bedeutet das zum einen, dass sie Prozesse, zum Beispiel durch den zielgerichteten Einsatz von künstlicher Intelligenz, effizienter gestalten müssen. Zum anderen haben sie nur dann gute Karten im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte, wenn sie „gute Arbeit“ anbieten. Das Gehalt ist dabei weniger ausschlaggebend als Eigenschaften wie Sinnhaftigkeit, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie Sicherheit. Wenn Arbeitgeber dies dann noch auf den richtigen Kanälen kommunizieren, sind sie gut gerüstet für die Herausforderungen der nächsten Jahre.
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