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Unterseekabel

Datenautobahn durch den Ozean

17. September 2020

Unternehmen wie SpaceX, OneWeb oder Blue Origin wollen mit Satellitenschwärmen schnelles Internet aus dem All auf die Erde schicken. Bislang kommt unser Netz aber überwiegend aus dem Meer. Und Tech-Riesen wie Google oder Facebook planen weitere große Seekabelverbindungen.

37.000 Kilometer soll das Seekabel messen, das Facebook gemeinsam mit internationalen Telekommunikationsanbietern plant. Mit dieser Länge ließe sich die Internetleitung beinahe einmal um den Äquator wickeln. Tatsächlich soll das Projekt „2Africa“ 23 Länder in Afrika, dem Nahen Osten und in Europa verbinden. Rund um den gesamten afrikanischen Kontinent wird das Seekabel im Meer versenkt. Wenn es, wie geplant, 2024 fertiggestellt ist, soll es die dreifache Kapazität aller aktuellen Seekabel Afrikas liefern.

Mit seinen 37.000 Kilometern wird „2Africa“ dann gerade einmal 2.000 Kilometer kürzer sein als das bis dato längste Seekabel der Welt: Das „SEA-ME-WE 3“ vernetzt bereits seit 20 Jahren Australien mit Asien und Europa. Während dieses Kabel eine Kapazität von 20 Gigabit pro Sekunde hat, soll es „2Africa“ auf bis zu 180 Terabit pro Sekunde bringen – also 9.000 Mal so viel. Möglich wird das unter anderem, weil das Seekabel den Einsatz von bis zu 16 Glasfaserpaaren anstelle von acht unterstützt. Bis zu eine Milliarde Euro dürfte die Installation kosten, kalkuliert die Nachrichtenagentur Bloomberg. Selbst für ein Seekabel eine enorme Investition, die sich aus Sicht der beteiligten Unternehmen aber rechnen soll. Denn der Bedarf nach schnellem wie stabilem Internet wächst – nicht nur unter der jungen Bevölkerung des afrikanischen Kontinents.

 

Nervenbahnen des Netzzeitalters

Öffnen wir heute eine Website oder nutzen die Cloud-Dienste der einschlägigen Tech-Giganten, erreichen uns die Datenpakete zumeist in Sekundenbruchteilen durch das Meer. Anfang 2020 waren weltweit rund 406 Seekabel mit einer Gesamtlänge von schätzungsweise 1,2 Millionen Kilometern in Betrieb. Rund 98 Prozent des internationalen Internetverkehrs werden nach Schätzungen von Google aktuell über diese Unterseekabel abgewickelt. Und das nicht von ungefähr: Seekabel erlauben Datenkommunikation über enorme Distanzen und können dabei wesentlich größere Datenmengen in deutlich geringerer Laufzeit transportieren als die stärksten Kommunikationssatelliten im Orbit – dank Glasfasertechnologie.

 

Bei dieser Technik werden optische Signale mit Lichtimpulsen übertragen. Durch die haarfeinen Fasern flitzen also Photonen – statt der Elektronen, die durch ein Kupferkabel wandern. Und während bei den Kabeln aus Kupfer die Signalstärke schon nach wenigen Kilometern abnimmt, bleibt die Geschwindigkeit der Datenpakete in Glasfaserkabeln selbst über größte Distanzen nahezu gleichbleibend hoch. Vorausgesetzt natürlich, die Kabel nehmen im Meer keinen Schaden. Denn dann müssen die lädierten Stellen unter hohem Aufwand repariert werden (siehe Kasten). Während der oft wochenlangen Reparaturarbeiten werden die Daten auf ein anderes Kabel umgeleitet, was verlangsamte oder gestörte Verbindungen zur Folge haben kann.

 

Wie das Internet seetauglich wird

Um die kostbaren Datenadern bestmöglich zu schützen, betreiben die Unternehmen einen gewaltigen Aufwand. Vor der Verlegung eines neuen Seekabels nimmt zunächst ein Forschungsteam den Meeresboden zwischen den Landungspunkten gründlich unter die Lupe. Auf der Basis dieser Befunde legen die Experten dann eine bis auf den Meter genaue Kabeltrasse fest. Bei der Routenführung berücksichtigen sie den Verlauf von Naturschutzgebieten, Schifffahrtsrouten und geologischen Besonderheiten. Besonders Erdbebengebiete, aktive Vulkane und Korallenriffe wollen dabei bestmöglich umgangen werden. Verlauf und Beschaffenheit der Kabeltrasse bestimmen, wie stark das Kabel ummantelt und welche Technik bei der Verlegung verwendet wird.

 

Die Glasfasern selbst werden in Kupfer gehüllt, über das Strom für den Betrieb des Kabels geleitet wird. Darüber folgt eine Lage aus Silikongel, mehrere Schichten aus extrastarken Stahlfasern und schließlich eine Außenhaut aus geteertem Nylon, um das Kabel gegen die harschen Bedingungen im Meer zu wappnen – gegen Felsstürze, starke Strömungen und natürlich gegen das chronisch korrosive Salzwasser.

 

Breitband aus dem Gartenschlauch

Wer bei Unterseeleitungen an laternenmastdicke Kabelbäume denkt, liegt zumindest über weite Strecken ziemlich daneben. Im offenen Meer und in bis zu 8.000 Meter Tiefe hat das Kabel gerade mal den Umfang eines dicken Gartenschlauchs. Hier in der Tiefsee wird das Kabel nur auf den Meeresgrund gelegt. In seichteren Regionen ist die Datenleitung stärker gepanzert und wird besonders in Küstennähe zusätzlich im Meeresboden vergraben. Bei härterem Untergrund kommt eine Seefräse zum Einsatz, bei weicheren, sandigen Böden wird das Kabel eingepflügt oder mit Druckluft eingespült. Das Seekabel „2Africa“ soll bis zu drei Meter tief im Meeresboden versenkt werden – nach Angaben von Facebook rund einen Meter tiefer als bisherige Kabel. Das soll die kostbaren Nervenbahnen des Internets noch besser vor der Beschädigung durch Schleppnetze und Schiffsanker schützen.

Die größte Gefahr für ein Seekabel geht nämlich nicht von der Natur, sondern vom Menschen aus. Zwar erhalten die Fischereifirmen und Schifffahrtsunternehmen Karten, auf denen die Kabel verzeichnet sind. Trotzdem verursacht die Fischerei mit ihren Netzen nach Zahlen des US-Unternehmens TeleGeography 38 Prozent aller Schäden, Schiffsanker sind für jedes vierte beschädigte Kabel verantwortlich. Weitere 11 Prozent aller Zwischenfälle werden auf andere Weise von Menschen verursacht.

Umweltereignisse wie Erdbeben und die natürliche Abnutzung unter Normalnull sind dagegen für nur etwas über ein Achtel der Schäden verantwortlich. Und selbst wenn vor einigen Jahren ein Video im Internet für Aufsehen sorgte, auf dem ein Hai herzhaft in ein Unterseekabel beißt, machen uns diese und andere Meeresbewohner nicht das Internet kaputt. Den Daten des International Submarine Cable Protection Committee (ICPC) zufolge waren Fischbisse zwischen 2007 und 2014 für exakt 0,0 Schäden an Tiefseekabeln verantwortlich.

 

Verlegungsschiffe auf Schleichfahrt

Verlegt werden die Kabel mit Spezialschiffen. Doch bevor diese zu ihrer monatelangen Fahrt aufbrechen können, muss das Kabel erst mal sorgfältig und langwierig verladen werden. Je nach Kabellänge kann es zwei bis vier Wochen dauern, bis die Tausende Tonnen schweren Seekabel sicher an Bord verstaut sind. Und auch auf dem Meer geht die Arbeit nur sehr langsam vonstatten. Mit knapp zehn Kilometern pro Stunde ist ein Kabelleger über den Ozean unterwegs – die Reisegeschwindigkeit von Hochseeschiffen liegt normalerweise zwischen 27 und 37 Stundenkilometern. Der Grund für die Schleichfahrt: Um das Kabel nicht zu beschädigen, muss die Geschwindigkeit des Kabellegers genau auf die Beschaffenheit des Meeresbodens abgestimmt sein.

 

Schwere See ist bei der langen Fahrt über den Ozean unvermeidlich. Schlagen die Wellen besonders hoch, ist die Crew manchmal gezwungen, das Kabel zu durchtrennen, um sich in ruhigeren Gewässern in Sicherheit zu bringen. Lässt der Sturm nach, wird das auf einer Boje schwimmende lose Ende wieder mit dem restlichen Kabel an Bord verbunden.

 

Internetriesen unter Normalnull

Waren es früher vor allem die Telekommunikationsfirmen, die Unterseekabel verlegten und sie anschließend vermieteten, werden heute auch zunehmend die Digitalkonzerne selbst aktiv. Microsoft, Google und Facebook kontrollieren oder mieten bereits über die Hälfte der weltweiten Bandbreite. Und zunehmend versenken sie die Internetadern auch selbst im Meer. Facebook und Microsoft etwa haben zusammen das 6.600 Kilometer lange Kabel „Marea“ zwischen dem US-amerikanischen Virginia Beach und dem spanischen Bilbao im Atlantik installiert. Gemeinsam mit Google und weiteren Unternehmen ist Facebook auch am über 12.000 Kilometer langen „Pacific Light Cable Network“ (PLCN) zwischen Los Angeles und Hongkong beteiligt. Google betreibt oder baut bereits drei Unterseekabelverbindungen in Eigenregie: „Curie“ zwischen den USA und Chile, „Dunant“ zwischen den USA und Frankreich sowie „Equiano“, das Portugal mit Nigeria und Südafrika verbindet.

Mit den eigenen Seekabeln wollen die Tech-Riesen ihre Unabhängigkeit erhöhen, die Mietkosten für die Nutzung der Kabel einsparen und ihre Kunden in Übersee verlässlich mit großer und stabiler Bandbreite versorgen. Google hat im Juli nun sein nächstes eigenes Projekt angekündigt. Das Unterseekabel „Grace Hopper“ soll ab 2022 die USA mit Großbritannien und Spanien vernetzen. Dadurch werde die Kapazität erhöht und Google-Dienste wie Meet, Gmail und Google Cloud besser versorgt.

Das nach einer US-Computerpionierin benannte Kabel soll nach Angaben des Unternehmens eine neuartige Glasfaser-Switching-Architektur verwenden, die den Datenverkehr bei Ausfällen besser umleiten kann. Und auch bei der Übertragungsgeschwindigkeit will der Suchmaschinenriese mit „Grace Hopper“ neue Maßstäbe setzen: 340 bis 350 Terabit Daten sollen die 16 Glasfaserpaare pro Sekunde durch den Atlantik jagen können. Laut Google genug, damit 17,5 Millionen Menschen gleichzeitig Videos in 4K-Auflösung streamen können.
Die Zeiten und Technologien haben sich eben geändert. 1858 wurde das erste transatlantische Unterseekabel zwischen Großbritannien und Nordamerika fertiggestellt. Zur Einweihung sandte Königin Victoria eine Botschaft an US-Präsident James Buchanan – die nach 16 Stunden ihren Empfänger erreichte.

Tauchroboter und Tiefseeangeln: Wie Unterseekabel repariert werden

Wird ein Kabelfehler entdeckt, muss sich innerhalb von 24 Stunden ein Reparatur­trupp auf den Weg machen – das sehen die geltenden Verträge vor. Rund um den Globus werden deshalb permanent Reparatur­schiffe in Bereitschaft gehalten. Im Ziel­gebiet angekommen, fahnden die Experten an Bord mit elektronischen Hilfs­mitteln zunächst nach der beschädigten Stelle. Anschließend unter­sucht ein Tauch­roboter die Lage vor Ort, und das defekte Kabel wird mit Spezial­ankern vom Meeres­grund herauf­geangelt und an der fehler­haften Stelle gekappt. Das intakte Ende wird mit einer Schwimm­boje an der Wasser­ober­fläche geparkt. An Bord wird derweil das betroffene Kabel­stück durch ein gleich langes Stück ersetzt. Im Anschluss werden die Kabelenden miteinander verbunden und nach aufwendigen Funktions­tests wieder im Meer versenkt. Mehrere Wochen kann es dauern, bis die Reparatur abgeschlossen ist und die Daten wieder durch die submarine Leitung schießen können.