24. August 2022
Der Betrieb von Gebäuden ist weltweit für 30 Prozent des Energieverbrauchs und für 28 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Der Einbau isolierter Fenster, die Dämmung von Dächern und Wänden und die Umstellung auf Wärmepumpen helfen beim Sparen. Und Forschende arbeiten weltweit an weiteren innovativen Ideen, um die Energiebilanz von Gebäuden zu verbessern.
Wassergekühlte Fenster
Der Klimawandel treibt weltweit die Temperaturen nach oben – und immer mehr Menschen halten mit Klimaanlagen dagegen. Doch die fressen viel Strom. Und da dieser vielerorts noch aus fossilen Quellen kommt, heizen Klimaanlagen damit ihrerseits die Erderwärmung an. Ein Teufelskreis, den ein britischer Forscher durchbrechen will: mit wassergekühlten Fenstern. Heutiges Isolierglas besteht aus mehreren Glasschichten. Matyas Gutai von der Universität Loughborough will die Zwischenräume zwischen den Schichten mit Wasser füllen. Das einfallende Licht erwärmt zunächst das Wasser statt den Raum dahinter. Ab einer bestimmten Temperatur wird das Wasser abgepumpt und durch kühles ersetzt. Das abgepumpte Wasser kann dann im Haus als Brauchwasser verwendet werden – also etwa für die Toilettenspülung, die Waschmaschine oder die Pflanzen im Garten. Ein Haus mit wassergefüllten Fenstern und einer Wärmepumpe könnte bis zu 72 Prozent weniger Energie verbrauchen als ein Gebäude mit herkömmlichen Heiz- und Kühlsystemen, wie der britische Forscher berechnet hat. Nicht zuletzt sollen die Wasserfenster gut gegen Schall dämpfen. Und im Unterschied zu Fensterläden und Jalousien verstellen sie auch an heißen Tagen nicht die Sicht.
Das weißeste Weiß
In heißen Regionen wie den griechischen Inseln ist Weiß die Wandfarbe der Wahl. Und das hat natürlich nicht nur ästhetische Gründe. Schließlich wirft Weiß die Sonnenstrahlen zurück und sorgt so für verträglichere Temperaturen in den Innenräumen. US-Forschende haben nun nach eigenen Angaben die bisher weißeste Wandfarbe entwickelt. Sie soll mehr als 98 Prozent des einfallenden Sonnenlichts reflektieren. Dadurch liege ihre Oberfläche selbst in der Mittagshitze 4,5 Grad unter der Umgebungstemperatur, nachts sogar ganze 10,5 Grad, wie die Messungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ergaben. „Wenn Sie diese Farbe verwenden würden, um eine Dachfläche von gut 90 Quadratmetern zu bedecken, könnten Sie schätzungsweise eine Kühlleistung von zehn Kilowatt erhalten“, sagt Xiulin Ruan, Professor für Maschinenbau an der US-amerikanischen Purdue University. „Das ist leistungsfähiger als die zentralen Klimaanlagen, die in den meisten Häusern verwendet werden.“ Das Ultraweiß soll ähnlich widerstandsfähig sein wie herkömmliche Wandfarbe. Und es soll auch der Umgebung zugutekommen. Denn wenn sich Fassaden weniger stark erwärmen, arbeitet das auch urbanen Hitzeinseln entgegen, mit denen die Bewohnenden von Großstädten immer stärker zu kämpfen haben.
© iStocksAn die Hauswand angebracht, reflektiert das Ultraweiß – es ist weißer als weiß – mehr als 98 Prozent des einfallenden Sonnenlichts. Eine enorme Kühlleistung!
Handwärmekissen für Hauswände
Dämmmaterial dient gewöhnlich vor allem dazu, die Wärme in der Wohnung zu halten. Das Material, das Forschende der Universitäten Halle-Wittenberg und Leipzig entwickelt haben, soll stattdessen die Sommerhitze speichern – um sie in der Nacht oder im Winter wieder abzugeben. Die Erfindung basiert auf einem sogenannten Latentwärmespeicher. Dieser kann durch einen Wechsel des Aggregatzustands von fest zu flüssig Wärme aufnehmen. Erhärtet das Material, wird die gespeicherte Wärme wieder abgegeben. Ein Prinzip, das man etwa von Handwärmekissen für den Winter kennt. Integriert in Dämmplatten könnte das neue Material bis zu 24-mal mehr Wärme speichern als herkömmlicher Beton oder Gips, so die Berechnungen der Forschenden. Bislang wird es noch in kleinen Mengen im Labor produziert – überwiegend aus umweltfreundlichen Materialien. Künftig könnte es in größerem Stil und sommers wie winters die Energiebilanz von Gebäuden verbessern. Außerdem könnte es als passive Kühlung die Effizienz von Solaranlagen oder Batteriesystemen steigern.
© Uni HalleVon den Universitäten Halle-Wittenberg und Leipzig stammt dieses Material, das Wärme speichern und abgeben kann. Perfekt für den Einsatz in Gebäuden.
Windkraft aus dem Gartenzaun
Windkraft gilt als Rückgrat der Energiewende, braucht aber gemeinhin viel Platz. Das polnische Start-up Panel Wiatrowy arbeitet an einer besonderen Windkraftanlage, die man auch im heimischen Garten aufstellen könnte. Sie besteht aus mehreren vertikalen Windturbinen und könnte etwa als Zaun oder Sichtschutz eingesetzt werden – und zwar kinder- und haustiersicher, wie das Start-up betont. Die Windpaneele sollen besonders leise und robust sein und vor allem effizient arbeiten. Das tun sie bis zu 50 Jahre lang, selbst bei schwachen Windgeschwindigkeiten, wie sie bodennah in bebauten Gebieten herrschen. Pro zehn Meter Zaun stellt das Entwicklungsteam eine Leistung von einem Kilowatt in Aussicht. An Autobahnstrecken von einem Kilometer sei eine Systemleistung von bis zu 200 Kilowatt möglich. Mit der Energieausbeute von großen Windrädern können die Paneele natürlich nicht konkurrieren. Dafür benötigen sie jedoch keine zusätzlichen Flächen und aufwendige Genehmigungsverfahren. Panel Wiatrowy will zunächst Großkunden in der Industrie für die neue Technologie gewinnen. Anschließend sollen auch Privatleute mit den Paneelen Energie im Garten gewinnen können.
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Flexible Solarmodule
In ihren Anfängen war die Photovoltaik eine kluge, aber kostspielige Sache. Mittlerweile ist Elektrizität aus der Sonne die günstigste Art, Strom zu erzeugen. Gut 90 Prozent der heutigen Solarzellen nutzen dabei das Halbmetall Silizium zur Umwandlung der Sonnenenergie. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Unternehmen arbeiten aber zunehmend an organischen Solarmodulen. Der Strom wird dabei von Kohlenwasserstoffverbindungen erzeugt. Kurz gesagt: aus Plastik. Der Vorteil: Die Solarfolien sind deutlich dünner, leichter und vor allem flexibel. Sie eignen sich daher grundsätzlich für alle Oberflächen, auf denen der Einsatz starrer und schwerer Module nicht möglich ist. Die Folien des Herstellers Heliatek aus Dresden wurden etwa bereits auf Leichtbaudächern, Biogasanlagen oder dem Turm einer Windkraftanlage angebracht. Durch ihre Halbtransparenz könnten sie jedoch auch in Glasfassaden oder Fenstern zum Einsatz kommen. Und dabei mit weniger Energie und Materialaufwand zu geringeren Kosten produziert werden, wie die Verfechterinnen und Verfechter der Technologie betonen. Was klingt wie ein Selbstläufer, hat allerdings selbstverständlich auch ein paar Haken. Während Siliziumzellen eine Lebensdauer von 40 Jahren erreichen, liegt die Lebenserwartung von organischen Zellen bislang „nur“ bei 25 Jahren. Und auch ihr Wirkungsgrad liegt noch gut zehn Prozent hinter ihren siliziumbasierten Verwandten. Man braucht also größere Flächen, um denselben Energieertrag zu ernten – womit sich die geringeren Herstellungskosten relativieren. Die organischen Solarzellen müssen also noch etwas aufholen, um in Zukunft auf jeder Fensterscheibe zu kleben.
© picture allianceModerne organische Solarfolien sind auf Grund ihrer Beschaffenheit flexibel anzubringen – vor allem dort, wo schwere, starre Module an ihre Grenzen stoßen.