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Gute Frage, nächste Frage

Wie wirkt sich das Weltall auf unseren Körper aus?

03. April 2025

Bemannte Flüge zum Mond, später zum Mars und eines Tages vielleicht sogar die Besiedlung fremder Planeten: Die Ambitionen in der Raumfahrt sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Aber welchen Kräften ist der menschliche Körper fernab der Erde überhaupt ausgesetzt? Und könnten wir auch eine längere Zeit im All schadlos überstehen?

 

Es sollte ein Trip von acht Tagen werden. Doch aufgrund eines technischen Problems dauerte es schlussendlich neun Monate, bis die US-Astronautin Suni Williams und ihr Kollege Barry Wilmore wieder wohlbehalten in einer Raumkapsel vor der Westküste Floridas landeten. Die Folgen ihres verlängerten Aufenthalts auf der Internationalen Raumstation ISS dürften die beiden noch einige Zeit begleiten. Denn menschliche Körper sind für die Strahlung und die Schwerelosigkeit im All nicht gemacht. Letztere bringt unseren Gleichgewichtssinn gehörig durcheinander. Der Körper reagiert in den ersten Tagen mit Übelkeit und Erbrechen.

 

Mondgesicht und Babyfüße

Im All kommen unsere schwerkraftgeeichten Körper noch anderweitig aus dem Lot: Das Wasser, aus dem wir bekanntlich zu 60 Prozent bestehen, verteilt sich um – es fließt Richtung Kopf. Und das lässt sich sehen: Raumfahrende entwickeln oft ein aufgedunsenes Gesicht, das „puffy face“, wie die NASA das Phänomen benannt hat. Der Umfang der unteren Extremitäten schrumpft dagegen zu „Vogelbeinchen“ und „Babyfüßen“ zusammen.

Immerhin: Wenn sie morgens in den Spiegel schauen, fällt ihnen ihr unvorteilhaftes Aussehen möglicherweise gar nicht auf. Denn bei rund 70 Prozent der Astronautinnen und Astronauten kommt es zum raumfahrtassoziierten neurookularen Syndrom (SANS): Ihre Augen verformen sich, sie sehen verschwommener und unschärfer. Als Grund dafür gilt ebenfalls die schwerelosigkeitsbedingte Umverteilung: Denn durch die Flüssigkeitszunahme im Kopf wächst der Druck auf Sehnerv und Augen. Zumeist bilden sich diese Verformungen am Auge auf der Erde zurück. Es kommt aber auch vor, dass Raumfahrende nach der Mission eine Brille tragen müssen. Oder ausnahmsweise auch mal umgekehrt: War die US-Astronautin Jessica Meir vor dem Start auf eine Brille angewiesen, durfte sie sich nach ihrer Reise durch die Abflachung ihrer Augäpfel über eine überdurchschnittliche Sehkraft freuen.

 

„Space Adaptation Back Pain“ und Weltraum-Anämie

Ein weiterer Effekt der Schwerelosigkeit: Durch die fehlende Gravitation wirken keine Kräfte mehr auf die Bandscheiben ein. Sie dehnen sich aus, und der Körper streckt sich um rund fünf Zentimeter. Genießen lässt sich die neue Größe aber kaum. Viele Raumfahrende klagen über Kreuzschmerzen – den sogenannten „Space Adaptation Back Pain“. Der fällt allerdings eher mild aus und verschwindet meist von selbst.

Länger dauert das bei der Blutarmut, die häufig bei Raumfahrenden festgestellt wird. In der Schwerelosigkeit sei die sogenannte Weltraum-Anämie zunächst kein großes Problem, so kanadische Forschende, die das Phänomen an ISS-Astronautinnen und -Astronauten untersucht haben. Und nach der Rückkehr zur Erde normalisieren sich die Blutwerte nach einigen Monaten wieder. Aber wenn die Raumfahrenden nach langem Flug auf dem Mars oder anderen Himmelskörpern landen, könnte die Anämie ihre Ausdauer und ihre Kraft beeinträchtigen und die Ziele der Mission bedrohen. Es gelte daher, weiter nach den Ursachen der Weltraum-Anämie zu forschen, um sie eines Tages gezielt behandeln und bestenfalls verhindern zu können.

 

Kreuzheben gegen den Knochenschwund

Frei im Raum zu schweben ist für den Körper, wie den ganzen Tag auf einem Wasserbett herumzudümpeln. Die Muskeln müssen quasi nichts leisten, die Knochen nichts tragen – sie werden im Zeitraffer abgebaut. Um dem entgegenzusteuern, steht bei den Insassinnen und Insassen der ISS daher täglich zweieinhalb Stunden Sport auf dem Programm.

Doch auch das kann den Schwund nur verlangsamen: Die Hälfte der im Rahmen einer internationalen Studie untersuchten Astronautinnen und Astronauten hatte auch ein Jahr nach der Rückkehr eine verringerte Knochendichte. Ihre Schienbeinknochen waren während des maximal sechsmonatigen Flugs so stark gealtert wie in zehn Jahren auf der Erde.

Was die Studie allerdings außerdem zutage förderte: Astronautinnen und Astronauten, die im All intensiv bestimmte Kraftübungen wie das sogenannte Kreuzheben betrieben, konnten nach der Rückkehr zu Hause vollständig regenerieren. Die Empfehlung der Forschenden: Um Raumfahrende bei künftigen Missionen besser zu schützen, müssten Trainingspläne angepasst und um neue beinknochenfordernde Übungen erweitert werden. Helfen könnten auch spezielle Medikamente, wie sie gegen Osteoporose verschrieben werden.

 

Raumfahrende unter Strom

Für Langzeitmissionen stellt sich damit eine weitere Herausforderung: die Entwicklung ebenso kompakter wie effizienter Sportgeräte. Schließlich wird ein Raumschiff zum Mars weniger Platz für die Fitnessecke bieten als heute die ISS.

Experimentiert wird daher etwa mit EMS-Anzügen, die Muskeln durch schwache Stromimpulse stimulieren und das Training so effektiver machen könnten. Durch die elektrische Unterstützung sollen auch die kleinen Muskeln besser trainiert werden, die die Wirbelsäule stabilisieren – um so ein weiteres bekanntes Problem von Raumfahrenden in den Griff zu bekommen: Ihr Risiko für Bandscheibenvorfälle ist nach der Landung massiv erhöht.

 

Brennender Ausschlag und Zwillingsstudie im Orbit

Wie hart die Rückkehr auf die Erde sein kann, hat NASA-Astronaut Scott Kelly wie kaum ein anderer erlebt. Nach seinen 342 Tagen auf der ISS fühlte er sich wie ein Grippekranker: Fieber, Dauerübelkeit, Schwindel. Seine Waden schwollen auf Ballongröße an, seine Haut überzog sich mit einem Ausschlag und schmerzte bei jeder Berührung. Noch Monate später hatte er mit extremer Erschöpfung zu kämpfen.

Und der direkte Vergleich mit seinem eineiigen Zwilling zeigte: Der Langzeitaufenthalt im All hatte sich bei Kelly bis auf die molekulare Ebene ausgewirkt. Seine Chromosomen und das Mikrobiom seines Darms hatten sich verändert, seine kognitiven Fähigkeiten verlangsamt, und manche Gene wechselten zwischen aktivem und inaktivem Zustand.

Ein Ergebnis, das auch eine umfängliche Untersuchung der Weltraumtouristinnen und -touristen der Inspiration4-Mission bestätigte. Die vier Astronautinnen und Astronauten waren nur vier Tage unterwegs. Es dauerte aber sechs Monate, bis sich ihre Genaktivitäten wieder normalisiert hatten. Beim Langzeitastronauten Scott Kelly arbeiteten nach dieser Frist viele seiner Gene noch immer im Weltraummodus.

 

Sind Frauen die besseren Astronauten?

Ein weiteres interessantes Ergebnis der Untersuchung: Frauen stecken Weltraumflüge offenbar genetisch besser weg. Ihre Körper sind nach dem Trip schneller wieder im Normalzustand als der ihrer männlichen Kollegen. Woran das liegt, ist noch nicht bekannt. Die Vermutung der Forschenden: Da Frauen mit Schwangerschaften zurechtkommen müssen, seien ihre Körper besser auf starke physiologische Änderungen vorbereitet.

 

Kosmische Strahlung und kompatibles Kollegium

Was für Raumfahrende aller Geschlechter gilt: Durch die deutlich höhere Strahlenbelastung im All steigt das Krebsrisiko. Sind wir auf dem Boden pro Jahr einer Dosis von zwei bis vier Millisievert (mSv) ausgesetzt, wären es allein für Hin- und Rückflug zum Mars bis zu 800 mSv. Das ist doppelt so viel, wie Menschen, die hierzulande etwa an Röntgengeräten arbeiten, in ihrem gesamten Berufsleben abbekommen dürfen. Marsreisende bestmöglich vor dieser Strahlung zu schützen sei technisch sehr schwierig, allerdings durchaus möglich, so Forschende des Helmholtz-Zentrums Potsdam.

Zu all diesen körperlichen Strapazen kommt die psychische Belastung hinzu. Denn in engen Raumschiffen liegt die Privatsphäre bei null Komma null. Bei der Auswahl und Ausbildung der Marsreisenden muss deshalb stark darauf geachtet werden, dass sie emotional stabil, belastbar und sozial kompatibel sind und darüber hinaus gut zusammenpassen, damit schließlich nicht nur die letzten Überlebenden den Roten Planten erreichen.

 

Entdeckt, erklärt, erzählt: Der Podcast von #explore