Qualitätsmanagement
In der Produktion kommt es häufig zu unnötigen Reibungsverlusten, Verzögerungen und Unwirtschaftlichkeiten. Hier erfahren Sie, wie ein funktionierendes Prozessmanagement diese Probleme beheben kann.
Zum Blog Wissen kompaktDas Prozessmanagement in der Produktion soll sicherstellen, dass Hersteller in der Lage sind, qualitativ hochwertige Waren zu produzieren und die Bedürfnisse ihrer Kund:innen in einem sich ständig verändernden Markt zu erfüllen. Unternehmen müssen ihre Produktionsmethoden regelmäßig untersuchen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie können aber nicht nur große, sondern auch kleine und mittelständische Betriebe ein effektives Prozessmanagement implementieren?
Wir haben uns mit Werner Lobinger, Dipl.-Ing., Referent für Qualitäts-, Prozess- und Risikomanagement und Geschäftsführer der VIA Management Consulting GmbH, über folgende Themen unterhalten:
Das Prozessmanagement betrachtet das Unternehmen ganzheitlich, mit einem Fokus auf Zusammenhänge und Abläufe statt auf einzelne Abteilungen. „Man kann zwar versuchen, sich nur auf Abteilungen zu konzentrieren, aber dann lässt sich nicht erkennen, wie diese zusammenspielen. Genau das steht jedoch beim Prozessmanagement im Vordergrund“, erläutert Werner Lobinger. Dabei werden zwei Zielsetzungen verfolgt:
Das Prozessmanagement soll dafür sorgen, dass Kund:innen zufriedengestellt werden, ohne sie wochenlang auf Reklamationen oder Bearbeitungen warten zu lassen. Zu unerwünschten Verzögerungen komme es, weil Abteilungen zwar ihren Job machen, das Zusammenspiel aber nicht funktioniere. Autonom arbeitende Abteilungen allein reichten für den Erfolg eines Unternehmens nicht aus.
Gerade bei abteilungsübergreifenden Abläufen treten häufig Stolperfallen auf, die sich jedoch durch die holistische Herangehensweise des Prozessmanagements identifizieren und beseitigen lassen. „Durch die Analyse der Abläufe werden Lücken sichtbar, die zwischen Abteilungen entstehen – insbesondere an den Schnittstellen, wenn eine Abteilung davon ausgeht, dass die andere einen Prozessschritt bereits erledigt hat, dadurch aber ein Fehler entsteht“, erörtert Werner Lobinger. Dieser Ansatz sei ein entscheidender Vorteil, der für die Einführung eines effektiven Prozessmanagements spräche.
Das Prozessmanagement betrachtet zwar das gesamte Unternehmen, richtet seinen Blick aber als Erstes auf die Produktion, wie Werner Lobinger erklärt. „Ich schaue wirklich ganzheitlich auf alle Prozesse eines Unternehmens und konzentriere mich als Erstes auf die Produktion, weil es bei den meisten Organisationsformen den größten Impact hat und hier die meisten Investitionen stecken. Finde ich dort Optimierungspotenzial, hat das den größten Effekt.“
In der Produktion lassen sich beispielsweise Standardisierungen leichter erreichen als in anderen Sektoren. Das führt zu:
Bei der Optimierung und Weiterentwicklung von Prozessen in der Produktion spielt auch die Datenerfassung eine große Rolle. Im Dienstleistungssektor hingegen sei dies komplizierter, da menschliche Faktoren stärker ins Gewicht fielen. In der Produktion lassen sich objektive Faktoren leichter messen, wodurch die Qualität eines Produkts sichergestellt und Abweichungen von den gewünschten Standards schneller identifiziert und korrigiert werden können.
Unabhängig davon, welcher Bereich eines Unternehmens oder welche Schnittstelle als Erstes betrachtet wird, handelt es sich beim Prozessmanagement wie beim Qualitätsmanagement um einen kontinuierlichen Kreislauf. Es ist ein System, das durch ständiges Lenken und Steuern geprägt ist. „Der PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) ist ein zentraler Bestandteil. Um einen sinnvollen Plan zu entwickeln, sollten die Beteiligten zunächst eine Analyse durchführen“, ergänzt Werner Lobinger. Beim Prozessmanagement komme es also nie zu einem Abschluss – nach jeder Aktion folge eine Analyse der Auswirkungen, die wiederum in die nächste Planungsphase einfließe.
Auch wenn das Prozessmanagement stärker übergeordnete, langfristige strategische Aspekte und Ziele wie die Einführung neuer Technologien, Geschäftsmodelle oder Umstrukturierungen betont, dürfen kurz- bis mittelfristige operative Teilprozesse und das Tagesgeschäft nicht vernachlässigt werden. Beide Bereiche sind streng miteinander verknüpft. „Strategische Planung ist unerlässlich: Wenn wir eine Produktion digitalisieren oder Unternehmensziele verfolgen, passiert das nicht über Nacht oder per Knopfdruck“, betont Werner Lobinger. Zwar lässt sich ein Projekt operativ Schritt für Schritt vorantreiben, doch ohne eine klare strategische Ausrichtung ist langfristiger Erfolg nicht möglich. Jedes Unternehmen müsse für sich entscheiden, welche Prozesse zur eigenen Strategie passen. Erst anschließend folgen operative Schritte wie Steuerung, Planung und Dokumentation.
Details wie die Rollenverteilung sind beim Prozessmanagement ebenfalls entscheidend für den Erfolg. Eine der größten Herausforderungen dabei liegt laut Werner Lobinger in der Vereinheitlichung der zahlreichen unterschiedlichen und häufig synonym verwendeten Begriffe: „In meinen Kursen zum Prozessmanagement verwenden die Teilnehmenden oft verschiedene Begriffe für dieselben Rollen. Prozessverantwortliche sind beispielsweise dasselbe wie ein Prozess-Owner. Hinter den vielen Begriffen verbergen sich oft dieselben Funktionen.“ Es existiere auch keine Norm, die hierbei Klarheit schaffen könne. Selbst Fachbücher verwenden unterschiedliche Begriffe für ähnliche Rollen, um sich von anderen Werken zu diesem Thema abzuheben.
Werner Lobinger definiert vier Grundfunktionen oder Basisrollen im Prozessmanagement, denen Aufgaben und Befugnisse zugeordnet werden:
Sind die Rollen und Zuständigkeiten klar verteilt, beginnt ein klassisches Projekt mit der Analyse eines Prozesses, der Erstellung eines Plans gefolgt von dessen Umsetzung und der anschließenden Optimierung. Dabei gebe es jedoch unterschiedliche Ansätze, wie Werner Lobinger erklärt. „Viele Unternehmen führen das Prozessmanagement nicht ganzheitlich durch. Statt alle Prozesse zu betrachten, konzentrieren sie sich auf einzelne Bereiche mit dem größten Optimierungsbedarf und gehen diese nacheinander an.“
Ein einmal abgeschlossener Prozess reiche nicht aus, um nachhaltige Verbesserungen zu erzielen. „Prozessmanagement ist ein fortlaufender Prozess, der nie abgeschlossen ist. Eingeführte Projekte müssen kontinuierlich angepasst und weiterentwickelt werden.“
Die Gestaltung von Projekten und Prozessen sowie deren fortlaufende Begleitung erfordert jedoch Expertise und ist mit erheblichen Zeit- und Ressourcenaufwand verbunden. Große Unternehmen können sich oft eine professionelle Beratung leisten, um ihre Produktionsprozesse zu optimieren und effizienter zu gestalten. Doch wie können kleine und mittlere Unternehmen vorgehen?
Werner Lobinger beobachtet häufig, dass kleinere Betriebe das Prozessmanagement mit bereits bestehenden Rollen verknüpfen. „Im Qualitätsmanagement nach ISO 9001 wird bereits gefordert, dass Unternehmen ihre Prozesse definieren. Allerdings konzentrieren sich diese Maßnahmen primär auf den Qualitätsbereich und prüfen, ob sie qualitätsrelevant sind.“ Dabei liege der Fokus vor allem darauf, die Kundenzufriedenheit zu gewährleisten. Der Experte informiert in seinen Kursen aber über zahlreiche weitere Ansätze, die eine erste Orientierung verschaffen und sich je nach Zielsetzung und Ausgangssituation anpassen lassen.
Zunächst ist es wichtig, ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln, was Prozessmanagement für das Unternehmen bedeutet. Dazu gehört, die Mechanismen und Grundprinzipien zu vermitteln. Darüber hinaus gilt es, den Unterschied zwischen abteilungs- und prozessorientierter Betrachtung deutlich zu machen sowie die Bedeutung von Teamarbeit hervorzuheben.
Prozesse lassen sich hierarchisch in Hauptprozesse, Teilprozesse und Tätigkeiten gliedern, um Komplexität zu reduzieren und die Übersichtlichkeit zu erhöhen. Hauptprozesse zeichnen sich durch abteilungsübergreifende und strategische Bedeutung aus, während Teilprozesse diese häufig in abteilungsspezifische Abschnitte zerlegen. Tätigkeiten stellen die kleinste Einheit dar und ermöglichen eine detailliertere Analyse.
Ein weiterer Aspekt ist die klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Befugnissen innerhalb des Prozessmanagements. Dies umfasst die Definition von Rollen wie Prozess-Owner, die Festlegung von Eskalationsprozessen bei Zielkonflikten und die Koordination zwischen Abteilungs- und Prozessverantwortlichen.
Zur kontinuierlichen Überwachung der Prozesse werden Kennzahlen und Audits eingesetzt. Diese helfen dabei, Engpässe zu identifizieren und Verbesserungen abzuleiten. Ziel ist es, Engpässe zu reduzieren, den Durchsatz zur erhöhen und langfristig eine gleichmäßige Wertschöpfungskette zu etablieren.
Um das Prozessmanagement strukturiert umzusetzen, ist ein gemeinsamer Kick-off aller relevanten Beteiligten sinnvoll, bei dem die Zielsetzung klar definiert wird. Eine Erstellung einer Prozesslandkarte, die die Prozesse und ihre Ebenen abbildet, verschafft Transparenz über die wesentlichen Geschäftsprozesse innerhalb der Organisation und wie sie miteinander verknüpft sind und interagieren. Auch die Definition von Darstellungsformen sowie die Rollenverteilung im Prozessmanagement müssen dabei festgelegt werden.
Die richtige Dokumentation unterstützt die Steuerung und das Verständnis von Prozessen. Hierzu können verschiedene Methoden wie Flowcharts, Prozessteckbriefe oder Checklisten eingesetzt werden, wobei Überbürokratie vermieden werden sollte. Ziel ist es, die benötigten Informationen leicht zugänglich zu machen und Wissen innerhalb der Organisation zu bewahren.
Prozessmanagement kann durch Methoden wie die Customer Journey oder die Blue-Print-Methode auch aus der Perspektive des Kunden betrachtet werden. Dabei geht es darum, den Prozess aus der Sicht der Kund:innen zu gestalten, Kontaktpunkte zu optimieren und den Ablauf entlang der Bedürfnisse zu organisieren. Diese Vorgehensweise kann mit der Persona-Methode kombiniert werden, um die verschiedenen Kund:innen oder Nutzer:innen, deren Wünsche, Sorgen, Ängste und Erwartungen zu skizzieren und sie besser zu verstehen.
Wie verändern Digitalisierung und künstliche Intelligenz diese Dynamiken? Der Experte erwartet einen eher verzögerten Einfluss. „Viele Babyboomer lehnen die Digitalisierung aus Gewohnheit ab, und das wird sich nicht mehr ändern. Der Adaptionsprozess dauert deshalb länger, obwohl die Möglichkeiten schon längst da sind. Die Firmenkultur ist in vielen Fällen einfach noch nicht so weit.“
Sobald jedoch benutzerfreundliche Tools zur Verfügung stehen, mit denen Unternehmen ohne Programmierkenntnisse eigene Apps und Workflows erstellen können, wird der Wandel schnell voranschreiten. „Das lässt sich schon an Tools wie ChatGPT erkennen. Wer sich jetzt damit beschäftigt, profitiert bereits davon. Dafür braucht es allerdings die passende Belegschaft. Andere Firmen werden erst reagieren, wenn sie nicht mehr darum herumkommen.“
Werner Lobinger sieht diese Entwicklung aber auch kritisch. „Je mehr schriftliche Aufgaben an eine KI ausgelagert werden, desto weniger intensiv setzen sich Verantwortliche mit den Prozessen auseinander. Die kritische Reflexion kann also abnehmen.“
Großes Potenzial sieht der Prozessmanagement-Experte in der Datenerfassung und -analyse. „Viele Planer:innen arbeiten mit theoretischen Annahmen wie etwa: Das Bohren eines Werkstücks dauert eine Minute. Dann wird das auf tausend Werkstücke hochgerechnet und Rüstzeiten hinzugefügt.“ Häufig basieren diese Annahmen aber auf theoretischen Werten, ohne dass genaue Tests oder eine Arbeitszeiterfassung durchgeführt werden.
Abweichungen können sogar erst Jahre später auffallen. „Vielleicht dauert eine Montage in Wirklichkeit zwei statt vier Stunden, oder Mitarbeitende haben mittlerweile selbstständig effizientere Tricks und Methoden für ihre Arbeit entwickelt. Die Produktionstechnik könnte sich verändert haben oder es gibt neue Produktvarianten, die den Arbeitsaufwand beeinflussen“, merkt Werner Lobinger an. Moderne Technologien wie Barcodes oder RFID ermöglichen hingegen eine genauere Erfassung der realen Arbeitszeiten. „Mit diesen Daten können Unternehmen beispielsweise Arbeitsschichten besser vergleichen und genau herausfinden, wie lange ein Prozess tatsächlich dauert oder warum eine Schicht schneller arbeitet als die andere. Daraus lässt sich viel Nutzen ziehen“, fährt Werner Lobinger fort.
Auch andere Sektoren profitieren von KI und Digitalisierung. „Heute erstellen wir noch manuell Flowcharts. In Zukunft wird das durch Software-Workflows ersetzt, die die Prozesse automatisch steuern. Arbeitskarten werden nicht mehr ausgedruckt, stattdessen meldet sich der Rechner des Mitarbeitenden selbstständig.“ Diese Automatisierung ermögliche eine effizientere Optimierung von unkoordinierten Durchläufen und Rüstzeiten, Produktionslücken lassen sich schneller finden und schließen. KI kann also große Geschwindigkeitsvorteile mit sich bringen und diverse Produktionsprozesse beschleunigen.
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