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ein Elektro-Zustellfahrzeug für Pakete
Mobilität in Städten

Lieferverkehr unter Strom

5. September 2018

Elektrische Lieferwagen und Lkw waren bislang eher die Ausnahme als die Regel. Doch mittlerweile nimmt die Elektrifizierung des Lieferverkehrs Fahrt auf. Den Startschuss setzte die Post mit ihrem StreetScooter. Doch nun ziehen immer mehr nach.

Bei Privatkunden läuft der Absatz von Elektroautos noch schleppend. Doch Logistikkonzerne setzen immer häufiger auf Elektromobilität. In verschiedenen deutschen Städten fahren Paketdienste seit einiger Zeit auch elektrisch. Vielen Fachleuten gilt der urbane Lieferverkehr als ideales Anwendungsfeld für Elektromobilität. Ein vierjähriges Langzeitprojekt des Fraunhofer Instituts kam bereits 2016 zu dem Ergebnis, dass kleinere E-Lieferwagen schon heute mit Dieselfahrzeugen konkurrieren können. Schließlich ließen sich die täglich anfallenden Touren mit einer Akkuladung erledigen und die Wagen über Nacht aufladen. Generell ist die Planbarkeit des Lieferverkehrs ein großer Vorteil für den Einsatz von Elektrofahrzeugen in der Stadt, betont auch Christian Förster, Elektromobilitätsexperte bei TÜV NORD. Denn während Privatleute beim Autokauf wegen der jederzeit möglichen Langstrecken-Urlaubsfahrt vor dem Kauf eines Elektroautos zurückschrecken, fahren im Lieferverkehr dieselben Fahrer täglich Routen von ähnlicher Länge. So lässt sich einerseits sehr gut kalkulieren, wie lange die Fahrzeuge in der Nacht am Netz hängen müssen, um am nächsten Morgen wieder aufgeladen zu sein. Bei täglichen Fahrstrecken von bis zu hundert Kilometern muss andererseits auch nicht zwangsläufig die größte Batterie in das Fahrzeug verbaut werden. Und eine kleinere Batterie bedeutet geringere Anschaffungskosten, weniger Gewicht und damit einen niedrigeren Energiebedarf, um das Fahrzeug zu bewegen.

6.000 der hauseigenen elektrischen StreetScooter bringen deutschlandweit Post und Pakete.

Vor diesem Hintergrund setzt die Deutsche Post bereits in großem Stil auf elektrischen Lieferverkehr. 6.000 der hauseigenen elektrischen StreetScooter bringen deutschlandweit Post und Pakete. Mittelfristig soll die komplette Flotte der 50.000 Post-Fahrzeuge elektrifiziert werden. Um die wachsende Nachfrage auch von Kommunen und Handwerksbetrieben zu bedienen, hat die Post im Mai 2018 ein zweites Produktionswerk im nordrhein-westfälischen Düren eröffnet. Bis zu 20.000 Elektrolieferwagen unterschiedlicher Größe können so jährlich hergestellt werden.

Tatsächlich wird es immer wichtiger, den Lieferverkehr umweltfreundlicher zu gestalten. Schließlich wird bereits jetzt rund ein Drittel des Verkehrsaufkommens in Städten durch den Güter- bzw. Lieferverkehr verursacht, kalkuliert der BUND. Tendenz steigend: Allein im ersten Halbjahr 2017 wuchs die Kurier-, Express- und Paketbranche in Deutschland um 6,6 Prozent. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Bis 2021 rechnet die Branche mit einem Umsatzwachstum von mehr als 30 Prozent. Eine Elektrifizierung der Lieferfahrzeuge würde nicht nur Stickoxidemissionen und den lokalen Ausstoß von CO2 auf null herunterfahren. Auch die Feinstaubbelastung durch den Verbrennungsmotor entfällt. Und sogar der Feinstaub, der durch den Abrieb der Bremsbeläge entsteht, wird stark reduziert, erklärt Christian Förster. Denn durch die Rekuperationsbremsen der E-Mobile werden die mechanischen Bremsen weniger stark gefordert – und zugleich die Batterien bei jedem Bremsvorgang wieder aufgeladen. Während also bei Verbrennern im städtischen Stop-and-go-Verkehr der Verbrauch und damit auch die Umweltbelastung steigt, können Elektroautos gerade in der Stadt ihre Stärken voll ausspielen. Für Paket-Lieferfahrzeuge, die alle paar Meter abgestellt und dann wieder neu gestartet werden, gilt das in besonderem Maß. „Ein Elektrofahrzeug ist für ein solches Einsatzgebiet deutlich besser geeignet“, so Förster. Denn anders als ein Verbrennungsmotor muss ein E-Motor nicht auf Betriebstemperatur aufgeheizt werden. „Im Start-und-Stopp-Betrieb funktioniert auch die Abgasnachbehandlung eines Verbrenners tendenziell schlechter, denn die benötigt ebenfalls Temperatur“, ergänzt Förster.

Um ihren Kurieren die Arbeit zu erleichtern, will die Post noch einen Schritt weiter gehen. Statt den Paketboten immer wieder zurück ins Fahrzeug klettern zu lassen, um die zehn Meter bis zur nächsten Lieferadresse zu fahren, soll das Paketauto künftig selbstständig neben dem Boten herfahren. Erste Tests wurden bereits durchgeführt. Langfristig könnten die Lieferwagen komplett autonom durch die Straßen kurven. Der Paketbote wird dadurch nicht überflüssig. Schließlich bringt der Lieferwagen die Pakete nicht in den dritten Stock. Vielmehr soll der Roboter-Lieferwagen den Paketboten entlasten, sodass dieser die gewonnene Zeit nutzen kann, um Post und Pakete zu sortieren oder Büroarbeiten zu erledigen. Zunächst müssen allerdings noch rechtliche Fragen geklärt werden, bevor der autonom fahrende StreetScooter in einem Praxistest über öffentliche Straßen kreuzen kann.

In Sachen Elektrifizierung haben auch die etablierten Autohersteller inzwischen nachgelegt. Mercedes hat angekündigt, seine gewerblichen Transporter mit Elektroantrieb auszustatten. Den Anfang macht der eVito, der ab September 2018 ausgeliefert werden soll. Anfang des Jahres haben Hermes und Mercedes-Benz ihre Zusammenarbeit mit einer Pilotphase in Hamburg und Stuttgart gestartet. Bis 2020 will der Paketdienstleister deutschlandweit 1.500 der elektrischen Vans in Ballungsräumen einsetzen. Auch Amazon will in einer Partnerschaft mit Daimler im Ruhrgebiet die batterieelektrische Lieferung von Paketen auf der letzten Meile zum Kunden in Angriff nehmen. Den Anfang machen 30 Fahrzeuge am Standort Bochum, 70 weitere sollen dann in Düsseldorf und anderen Logistikzentren zum Einsatz kommen.

Auch bei schweren elektrischen Nutzfahrzeugen steht der Batteriebetrieb in den Startlöchern. Daimler hat die ersten zwölf Einheiten des vollelektrischen Lkw Fuso eCanter Ende 2017 an europäische Kunden ausgeliefert. Genutzt wird der 7,5-Tonner etwa von DHL für die Innenstadtbelieferung. Mit der Großserienproduktion ab 2019 sollen rund 500 Lkw pro Jahr produziert werden. 2019 will auch Volvo Truck mit einem strombetriebenen Modell in die Großserie gehen. Der Fl Electric bringt es auf ein Gesamtgewicht von 16 Tonnen und ist ebenfalls auf den Einsatz in der Stadt ausgelegt – etwa als Müllwagen oder als Verteilerfahrzeug im Lieferverkehr. Weil elektrische Lkw deutlich leiser durch die Straßen rollen, sinkt auch die Lärmbelastung für die Bewohner. Das soll zukünftig häufigere Nachtlieferungen möglich machen und damit die Verkehrsbelastung der Städte senken. Denn an dieser hat der Versandhandel einen großen Anteil.

Schätzungen zufolge ist der Lieferverkehr zu Stoßzeiten für 80 Prozent aller Staus verantwortlich. Kein Wunder: Schließlich gibt es vielerorts keine geeigneten Parkplätze für die Fahrzeuge. Oft parken die Transporter in zweiter Reihe, was das Staurisiko drastisch erhöht. Deshalb soll der Lieferverkehr besser gebündelt und möglichst von der Straße geholt werden. Helfen sollen sogenannte City-Hubs – Sammelstellen im innerstädtischen Bereich, wie sie etwa in Frankfurt am Main und Berlin erprobt werden. Paketdienstleister können hier Sendungen für den jeweiligen Zustellungsbereich gebündelt anliefern, die dann auf der letzten Meile über Lastenräder an ihr Ziel gebracht zu werden. Sie könnten Staus umgehen, kämen im Vergleich zu Zustellfahrzeugen auf doppelt so viele Zustellstopps pro Stunde. Auch die Betriebskosten über die gesamte Nutzungsdauer seien deutlich niedriger als die eines Transporters.

Bislang bringen noch Lkw die Pakete und Päckchen in die Mikrodepots. Zukünftig könnten das auch Straßenbahnen erledigen. Das wird zumindest in Berlin diskutiert. In der Nacht würde das die Bahnen auslasten und gleichzeitig den Lkw-Verkehr nach Berlin verringern, so die Überlegungen der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Ob in Berlin tatsächlich bald die Tram Pakete transportiert, ist noch offen. Die Sondierungsgespräche zwischen Stadt, Verkehrsbetrieben und Logistikunternehmen stehen noch am Anfang. Einige Vorteile der Straßenbahn lägen jedenfalls auf der Hand: Sie verstopfen keine Straßen. Und elektrisch fahren sie bereits von Haus aus.

ZUR PERSON

Christian Förster ist Projektleiter Elektromobilität der TÜV NORD GROUP und Experte für alternative Kraftstoffe und Antriebskonzepte am Institut für Fahrzeugtechnik und Mobilität (IFM).