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Raumfahrt

Wer tummelt sich im Weltall?

16. Juli 2020

Die Zeiten, als NASA und Roskosmos das All unter sich aufteilten, sind seit Jahrzehnten vorbei. Mit Europa, China, Japan und Indien haben längst andere den Weltraum für sich entdeckt. Und neben den staatlichen Raumfahrtagenturen schießen immer mehr private Unternehmen Raketen und Satelliten ins All. Ein Überblick.

Großer Weltraumbahnhof in Cape Canaveral: Die ganze Welt konnte am 31. Mai via Liveübertragung mitverfolgen, wie die Astronauten Doug Henley und Bob Behnken an Bord einer „Falcon 9“-Rakete ins All aufbrachen. 19 Stunden später dockte die Raumkapsel „Crew Dragon“ des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX sicher an der internationalen Raumstation ISS an – und schrieb damit gleich mehrfach Raumfahrtgeschichte. Erstmals flogen Astronauten mit einer privaten Rakete und in einer privaten Raumkapsel ins All. Und erstmals dockte eine bemannte private Raumkapsel an der ISS an.

Die Mission „Demo-2“ hat für die NASA wie für SpaceX eine neue Ära der kommerziellen bemannten Raumfahrt eingeläutet. Künftig sollen die genutzte Rakete und die Raumkapsel für weitere NASA-Missionen zur ISS eingesetzt werden. Der Vorteil für die Raumfahrtbehörde: Mit der SpaceX-Rakete auf dem eigenen Weltraumbahnhof ist sie seit Langem wieder unabhängig von russischen Mitfluggelegenheiten. Seit dem Ende des Spaceshuttle-Programms im Jahr 2011 ging es für NASA-Astronauten nur noch in Sojus-Kapseln ins All.

 

Wiederverwendbare Raketen

Für SpaceX-Gründer Elon Musk markiert die ISS-Mission einen Meilen­stein seiner inter­planetarischen Pläne, nämlich die Menschheit zum Mars und darüber hinaus zu bringen. 2012 und damit zehn Jahre nach der Gründung gelang es SpaceX zum ersten Mal bei einem unbemannten Flug ins All, an der ISS anzudocken. In der Folge ergatterte Musk NASA-Aufträge in Milliarden­höhe und stieg zu deren Haupt­transport­dienst­leister zur Raum­station auf. 2017 schickte SpaceX dann eine wieder­verwendbare Antriebs­rakete ins All. 15 Jahre hatten die Entwickler Musk zufolge an der Wieder­verwendbar­keit von Antriebs­raketen getüftelt, die Raum­fahrt­missionen erheblich günstiger machen soll.

Mit der „Falcon Heavy“ betreibt das Unternehmen die momentan stärkste Träger­rakete der Welt. Damit will sich SpaceX für Groß­auf­träge des US-Militärs empfehlen. Von den ursprünglichen Plänen, mit der Riesen­rakete auch den Mars anzusteuern, hat Musk inzwischen wieder Abstand genommen. Die anvisierten Missionen zum roten Planeten obliegen nun einem neuen System namens „Starship“ und „Super Heavy“. Die „Falcon Heavy“ soll künftig große Satelliten wie 2019 den 6.500 Kilo schweren „Arabsat 6A“ in den Orbit befördern und könnte auch bei einer Mond­mission eine wichtige Rolle spielen.

 

Karawane um die Erde

Kleinere Satelliten bringt SpaceX mit der günstigeren „Falcon 9“ in den Orbit. Seit 2019 vor allem auch in eigener Sache: 598 seiner Starlink-Satelliten hat das Unter­nehmen mittler­weile ins All transportiert, allein 478 in diesem Jahr. Sie sollen schnelles Satelliten­internet in Nord­amerika anbieten, der kommerzielle Betrieb soll noch 2020 starten. Im kommenden Jahr wird das Internet aus dem All dann voraus­sichtlich global verfügbar sein.

Anders als klassische TV-Satelliten umkreisen die Starlink-Satelliten unsere Erde nicht als Einzel­gänger in einer Entfernung von über 35.000 Kilo­metern. Sie fliegen stattdessen in einer Konstellation von vielen Satelliten auf einer niedrigen Umlauf­bahn von 550 Metern Höhe. Bei höheren Umlauf­bahnen wären die Datenpakete der Nutzer zu lang unterwegs – Internet­telefonie oder Online­spiele würden so zu einer höchst hakeligen Angelegenheit.

Auch der anfallende Welt­raum­müll soll durch die erdnahe Flug­höhe minimiert werden. Manövrier­unfähige Satelliten würden durch natürliche Effekte wie Schwerkraft und Partikel in der Atmosphäre aus dem Orbit geschoben und inner­halb von fünf Jahren in der Atmosphäre verglühen, so das Unternehmen.

 

Alarmierte Astronomen

Bis zum Jahr 2027 will Musk 11.927 Satelliten im All haben. Anträge für weitere 30.000 sind bereits gestellt. Seit „Sputnik 1“ im Jahr 1957 hat die Menschheit Schätzungen zufolge bis 2019 rund 8.500 Satelliten in der Erdumlaufbahn ausgesetzt – SpaceX würde also fast fünfmal so viele Satelliten betreiben. Astronomen schlagen angesichts dieser weltumspannenden Pläne Alarm. Die Forscher befürchten, dass die Satellitenschwärme die Beobachtung des Sternenhimmels massiv beeinträchtigen. Außerdem könnten die Signale radioastronomische Beobachtungen stören.

SpaceX hat versprochen, alle neuen Satelliten mit Sonnenvisieren auszustatten und den Winkel ihrer Solarpanels zu verändern. Dadurch sollen die künstlichen Trabanten weniger hell am Nachthimmel erscheinen. Außerdem will Musk auf die ursprünglich geplanten Bahnen der zweiten Ausbaustufe in 1.100 bis 1.325 Kilometer Höhe verzichten, die von Astronomen als besonders kritisch bewertet wurden.

 

Zweifel und Interesse von öffentlicher Seite

Skepsis erfährt Starlink aber nicht nur von wissenschaftlicher Seite. Mit über 20 Milliarden Euro will die US-Kommunikationsbehörde Federal Communications Commission (FCC) Breitbandinternet im ländlichen Raum fördern. Aufträge, die natürlich auch für SpaceX höchst attraktiv wären.

Doch die FCC hatte unlängst starke Zweifel an Satelliteninternetangeboten in einer erdnahen Umlaufbahn geäußert. Ihr seien keine Satelliteninternetdienste bekannt, die in der Lage seien, Breitbandinternet für den Massenmarkt anzubieten, und die zudem die Latenzanforderungen der Behörde erfüllten. Aus Sicht von SpaceX sei das allerdings kein Problem, wie man bereits im Gespräch mit FCC-Mitarbeitern erklärt habe. Zwischenzeitlich konnte das Unternehmen einen anderen offiziellen Interessenten für Starlink gewinnen: Ende Mai kündigte die US-Armee an, das Satelliteninternet über drei Jahre zu testen.

 

Kommerzielle Konkurrenz im All

Selbst wenn SpaceX momentan das Tempo vorgibt: Noch ist der Kampf um die Vorherrschaft in der kommerziellen Raumfahrt nicht entschieden. Die NASA will 2024 wieder Menschen auf den Mond schicken, darunter zum ersten Mal eine Frau. Diesen Frühling hat die Raumfahrtbehörde drei Unternehmen auserkoren, die dazu das Landemodul entwickeln sollen – nicht gemeinsam, sondern jeweils mit einem eigenen Entwurf. Mit diesem Wettbewerb will NASA-Chef Jim Bridenstine die privaten Anbieter dazu anstacheln, sich bei den Innovationen zu übertreffen und bei den Kosten zu unterbieten. Das Technologieunternehmen Dynetics aus Alabama erhielt 253 Millionen Dollar, SpaceX bekam 135 Millionen zugeschlagen, doch der Löwenanteil der Fördersumme ging mit 579 Millionen Dollar an Blue Origin. Ein mögliches Indiz dafür, dass die NASA langfristig für die großen Missionen auf die Firma von Amazon-Gründer Jeff Bezos setzt.

 

Vorbereitung für den Weltraumtourismus

Noch ist Blue Origin keine offiziellen Missionen geflogen. Und auch das „Project Kuiper“, mit dem Bezos seinerseits 3.236 Internetsatelliten in den Orbit bringen will, existiert bislang nur auf dem Papier. Gemäß dem Firmenmotto „Gradatim ferociter“ (was so viel bedeutet wie „Schritt für Schritt, aber fest entschlossen“) lässt das Unternehmen seinen Aufstieg ins All eher ruhig und leise angehen. Mit „New Shepard“ hat Blue Origin eine eigene teils wiederverwendbare Suborbital-Rakete entwickelt, die 2015 erstmals in einem unbemannten Probeflug erfolgreich getestet wurde. Ab Ende des Jahres soll die „New Shepard“ zahlende Kunden an den Rand des Weltraums in rund 100 Kilometer Höhe befördern, wo sie mehrere Minuten schwerelos schweben und die Krümmung der Erde bewundern können – ein Plan, den auch Multimilliardär Richard Branson mit seinem Unternehmen Virgin Galactic verfolgt. Rund 200.000 Dollar will Bezos für einen Ausflug an die Grenze zum All verlangen, Branson kalkuliert mit rund 250.000 Dollar pro Weltraumtourist.

Blue Origin arbeitet parallel an der Trägerrakete „New Glenn“, die Satelliten und Astronauten weiter ins All bringen soll. Sollte die wiederverwendbare Rakete plangemäß Ende 2021 zum ersten Mal abheben, würde sie sich mit ihrer Nutzlast von 45 Tonnen zwischen „Falcon 9“ und „Falcon Heavy“ von SpaceX einreihen. Erster zahlender Kunde ist der Satellitenbetreiber Eutelsat. Voraussichtlich ab 2022 soll „New Glenn“ die TV-Satelliten der Franzosen in die Umlaufbahn befördern. Zwischenzeitlich gesellten sich auch Mu Space aus Thailand und OneWeb dazu.

 

OneWeb hat ein Problem

OneWeb arbeitet selbst an einer Satellitenkonstellation, um Breitband von oben anzubieten. Das in London ansässige Unternehmen brachte bisher 74 seiner mit Airbus gebauten Satelliten ins All und stellte die Hälfte der benötigten 44 Bodenstationen fertig. Insgesamt 588 Satelliten sind in der ersten Ausbaustufe geplant, um einen weltweiten Internetdienst anbieten zu können.

Ob diese Satelliten jemals in den Orbit gelangen, ist aktuell aber unklar. Schon seit einiger Zeit in finanzieller Schieflage, ging OneWeb während der Corona-Krise das Geld aus. Ende März meldete das Unternehmen Insolvenz an. Eine drohende Pleite wäre ein schwerer Schlag für die europäische Raumfahrt: Die Hälfte aller für 2020 geplanten Starts von Arianespace sollten OneWeb-Satelliten ins All befördern. Mit 238 Millionen Dollar steht OneWeb bei Arianespace in der Kreide.

Doch noch ist der Satellitenbetreiber offenbar davon überzeugt, finanziell wieder in sichere Bahnen steuern zu können. Ende Mai hat das Unternehmen bei der US-Regulierungsbehörde FCC einen Antrag eingereicht, knapp 48.000 Satelliten in den Orbit bringen zu dürfen. Die Corona-Pandemie habe einen größeren Bedarf nach einer globalen Internetverbindung offenbart, so OneWeb. Die starke Steigerung der Satellitenzahl ermögliche es, diese Nachfrage zu befriedigen.

Neben OneWeb und SpaceX haben auch andere Anbieter neue Anträge bei der FCC eingereicht: So will Telesat knapp 1.700 Satelliten in den Orbit schicken, Kepler 360, Viasat 288 und Mangata Networks rund 800. Leerer wird es in den kommenden Jahren um unsere Erde also nicht werden.

Mars-Monate

Der rote Planet steht momentan günstig für die globale Raumfahrt: Im Juli und August befinden sich Mars und Erde so dicht beieinander, dass ein Flug nur sechs bis zehn Monate dauert. Eine Gelegenheit, die sich nur alle 26 Monate ergibt und die sich in diesem Jahr gleich drei Raumfahrtnationen nicht entgehen lassen wollen.

Vereinigte Arabische Emirate – „al-Amal“

Zwischen dem 20. und 22. Juli wollen die Vereinigten Arabischen Emirate die Raumsonde „al-Amal“ („Hoffnung“) mit einer japanischen Trägerrakete zum Mars schicken. Die Sonde soll dort das tägliche Wetter sowie die Klimazyklen untersuchen und Wetterereignisse in der niedrigen Marsatmosphäre unter die Lupe nehmen. Durch die Untersuchung atmosphärischer Wasserstoff- und Sauerstoffanteile erhofft man sich Antworten auf die Frage, warum der Mars seine obere Atmosphärenschicht verliert. Für den Wüstenstaat wäre der Flug zum roten Planeten die erste größere Weltraummission überhaupt.

China – „Tianwen-1“

Mit weichen Landungen auf dem Mond kennt sich China bereits aus – doch der Mars ist für die Volksrepublik bislang unbekanntes Terrain. Das soll sich ab dem 23. Juli mit dem Start von „Tianwen-1“ ändern. Der Rover soll die Topografie und die geologische Zusammensetzung des Mars erforschen und hochauflösende Karten von ausgewählten Gebieten erstellen. Zu den weiteren Aufgaben des Marsfahrzeugs zählt die Suche nach Wasser und Mineralienvorkommen. Dazu muss der Rover zunächst wohlbehalten auf dem Marsboden landen, was aufgrund der atmosphärischen Bedingungen äußerst schwierig ist. Nur etwa 40 Prozent aller Landungen sind bisher gelungen.

USA – „Perseverance“

Die NASA hat bei Marslandungen die meiste Erfahrung: Seit 1976 mit „Viking 1“ setzte sie insgesamt achtmal sanft auf dem roten Planeten auf. Am 30. Juli schickt die US-Raumfahrtagentur nun das nächste Fahrzeug zum Mars. „Perseverance“ („Ausdauer“) soll die frühere Bewohnbarkeit, aber auch die Bodenbeschaffenheit und geologische Prozesse genauer ergründen. An Bord hat „Perseverance“ auch einen kleinen Mars-Helikopter: „Ingenuity“ soll autonom erproben, ob menschengemachte Fluggeräte auch in der dünnen Atmosphäre des Mars abheben können.

 

Sichere Marsmobile

Wenn es für NASA und ESA Richtung Mars geht, sind die Mitarbeitenden von Alter Technology meist involviert. Beim Marsfahrzeug „Curiosity“ 2012 haben die Experten der TÜV-NORD-Tochter Geräte für die Erfassung meteorologischer Daten mitentwickelt und eingebaute elektronische Komponenten getestet und zertifiziert. Beim aktuellen NASA-Rover „Perseverance“ ist Alter Technology verantwortlich für die Sicherheit und Widerstandsfähigkeit der elektronischen und optoelektronischen Komponenten des Mars Environmental Dynamics Analyzer (MEDA). Das Gerät ist ein Kernelement der Mission, sendet Wetterdaten zur Erde und misst auch die Menge und Größe von Staubpartikeln in der Marsatmosphäre. 2022 macht sich dann mit „Rosalind Franklin“ der nächste von Alter Technology geprüfte Rover auf den Weg zum Mars. Ziel der ursprünglich für 2020 angesetzten ExoMars-Mission von ESA und Roskosmos: mittels Bohrungen auf der Marsoberfläche untersuchen, ob Leben dort möglich war oder ist.

Sonne, Merkur und Jupiter im Visier

Unterstützt von Alter Technology will die ESA in den kommenden Jahren auch Sonne, Merkur und Jupiter genauer unter die Lupe nehmen: Der am 10. Februar 2020 gestartete „Solar Orbiter“ soll herausfinden, wie Sonnenwinde unser Leben auf der Erde beeinflussen und inwiefern wir uns besser vor dem Weltraumwetter schützen können. 2025 wird „BepiColombo“ in eine Umlaufbahn um den Merkur einschwenken. Die 2018 gestartete Mission soll die Zusammensetzung, Geophysik und Geschichte des unerforschtesten Planeten im inneren Sonnensystem untersuchen und verstehen helfen. Zum größten Planeten unseres Sonnensystems wird voraussichtlich 2022 „JUICE“ aufbrechen. Ins Aufgabengebiet der Sonde fallen detaillierte Beobachtungen des Jupiters und drei seiner größten Monde. Die Experten von Alter Technology werden auch hier vorab sicherstellen, dass die wissenschaftlichen Instrumente dem strapaziösen Flug durch das All standhalten können.