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Wasserstoff

Von LNG zum grünen Wasserstoff

28. September 2023

LNG-Terminals sind auf der ganzen Welt im Einsatz. In Deutschland gibt es bislang entsprechende Anlagen für das verflüssigte Erdgas in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin, weitere sind in Stade und Mukran auf der Insel Rügen geplant. Dabei ist heute schon klar: LNG ist eine Übergangstechnologie, die durch grünen Wasserstoff ersetzt werden soll. Wie Flüssiggasterminals für eine spätere Wasserstoffnutzung geplant werden, erklärt Dagmar Hildebrandt, Projektleiterin bei TÜV NORD.

 

#explore: Frau Hildebrandt, Anfang dieses Jahres ist in Lubmin an der Ostseeküste das erste privat finanzierte LNG-Terminal in Betrieb gegangen. Nun soll im Industriehafen Mukran ein weiteres Terminal entstehen. Wie sehen diese Pläne konkret aus?

Dagmar Hildebrandt: Das LNG-Terminal im IndustriehafenMukran wird von der Deutschen ReGas geplant, die bereits das LNG-Terminal in Lubmin betreibt. Dies ist aus Sicht der Bundesregierung erforderlich, um die Versorgungssicherheit mit Erdgas in Deutschland zu gewährleisten und Versorgungsengpässe und Preisanstiege zu verhindern. Das Terminal soll daher noch im Winter 2023/24 in Betrieb gehen. Dort werden zwei Regasifizierungsschiffe (kurz FSRU für „Floating Storage and Regasification Unit“) das flüssige Erdgas wieder in den gasförmigen Zustand versetzen. Der Hafen Mukran ist anders als Lubmin momentan noch nicht an das deutsche Ferngasnetz angeschlossen. Daher baut der Netzbetreiber GASCADE eine rund 51 Kilometer lange Pipeline von Lubmin nach Mukran, die zu einem späteren Zeitpunkt auch für den Transport von Wasserstoff genutzt werden kann.

 

Es wird angestrebt, dass die Betreiber die neuen LNG-Terminals von vorneherein für eine spätere Wasserstoffnutzung auslegen. Wie steht es um diese Wasserstoffprojekte?

Die Deutsche ReGas plant die Produktion von grünem Wasserstoff in zwei Stufen in Lubmin mit einer Leistung von 200 bis 500 Megawatt. Außerdem planen dort vier weitere Unternehmen die Produktion von grünem Wasserstoff. Zusammengenommen ergibt sich so eine Kapazität von zwei Gigawatt. Das wäre ein Fünftel der Produktionskapazität, die die Bundesregierung bis 2030 plant, also eine beträchtliche Menge. Mecklenburg-Vorpommern würde damit von einem reinen Durchleitungsland für Erdgas zu einem großen Produktionsstandort für Wasserstoff werden und kann so auch wirtschaftlich von der Energiewende profitieren.

 

Was spricht denn für Lubmin als großen Standort für die Wasserstoffproduktion?

Lubmin bietet dafür einfach optimale Voraussetzungen. Hier kommen Stromleitungen von großen Ostsee-Windparks an. Die Elektrolyseure können mit Energie aus regenerativen Quellen gespeist werden, was die Voraussetzung für grünen und damit klimafreundlichen Wasserstoff ist. Außerdem verfügt Lubmin als alter Energiestandort über Zugang zu dem deutschen Hochspannungsnetz und in großem Umfang über nutzbare freie Flächen. Und nicht zuletzt wird man den Wasserstoff von hier aus direkt ins deutsche Gasnetz einleiten können, statt ihn aufwendig zwischenlagern zu müssen. Denn der Gasnetzfernbetreiber GASCADE will eine der in Lubmin vorhandenen Pipelines, die bei Lubmin anlandet und bislang von Nord-Stream 1 gespeist wurde, in eine Wasserstoffleitung umwandeln. Ein erster Abschnitt bis Berlin soll bereits 2025 umgerüstet sein, in einem weiteren Schritt werden Leipzig und Halle mit den dortigen Chemiestandorten angebunden. Hessen und Rheinland-Pfalz sollen 2028, Baden-Württemberg bis 2030 folgen. Parallel und bis 2027 will GASCADE auch Bornholm über eine Pipeline an das deutsche Gasfernnetz in Lubmin anbinden. Die dänische Regierung verfolgt den Plan, Bornholm zur Energieinsel zu machen, auf der in großem Stil Wasserstoff aus Windstrom produziert und exportiert werden soll.

 

Zur Person

Gibt es noch weitere Wasserstoffpläne im Rahmen dieser LNG-Terminals?

Die Deutsche ReGas plant nach Realisierung des Elektrolyseurs in Lubmin im Hafen Mukran den Betrieb einer Elektrolyseanlage. Es wird außerdem vom Hafen überlegt, dort ein Tanklager für grünes Ammoniak zu installieren. Denn Deutschland wird grünen Wasserstoff künftig auch per Tankschiff importieren. Allerdings ist gasförmiger Wasserstoff ob seiner geringen Dichte für den Schiffstransport ungeeignet. Eine Spaltung von grünem Ammoniak auf den Regasifizierungsschiffen wird aktuell entwickelt, da sich die Tanks der Regasifizierungsschiffe auch für Ammoniak nutzen lassen, um es zwischenzulagern. Eigner wie Betreiber dieser Terminals wissen natürlich, dass LNG eine Übergangstechnologie ist, und sind sehr an einer perspektivischen Ammoniaknutzung interessiert.

 

Welche Rolle übernehmen Sie in diesen Projekten?

Im ersten Verfahren beim LNG-Terminal in Lubmin war ich als Projektmanagerin im Auftrag der Behörde tätig. Jetzt begleite ich den Vorhabenträger – also die Deutsche ReGas – gemeinsam mit meinem Team im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für das Terminal in Mukran. Wir erstellen Luftschadstoffprognosen, Schallprognosen und Antragsunterlagen.

 

Welche Prozesse laufen in einem solchen LNG-Terminal ab? Worauf müssen Sie dementsprechend achten?

LNG ist -162 Grad kalt. Es wird in den Regasifizierungsschiffen mithilfe von Wärmetauschern erwärmt und wieder in Gas umgewandelt. Hierzu wird ein Teil des Erdgases verbrannt, wodurch Stickoxide entstehen. Die daraus resultierenden Stickstoffdepositionen müssen über eine Luftschadstoffprognose nachgewiesen werden, um die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten. In und an Schutzgebieten wie Lubmin und Mukran sind die Auflagen und Prüfungen besonders streng, um mögliche Folgen für Flora und Fauna auszuschließen. Ein weiterer Aspekt ist die Schallproblematik. Der eigentliche Regasifizierungsprozess ist nicht laut. Aber er erfordert Strom, den die Schiffe zurzeit mit ihren Generatoren produzieren. Diese Generatoren erzeugen tieffrequente Geräusche, brummeln also vor sich hin, was die Bevölkerung stören kann. Die Deutsche ReGas hat deshalb im Terminal in Lubmin zusätzliche Schalldämpfer eingebaut und will in Mukran die FSRU vollständig vom Land aus mit Strom versorgen, womit eine zentrale Schallquelle entfällt.

 

Und wie sieht das bei den geplanten Elektrolyseuren aus?

Hier haben wir tatsächlich eine völlig andere Situation. Die Beurteilung von Elektrolyseuren ist momentan in Abstimmung beim Gesetzgeber. Elektrolyseure erzeugen weder Lärm noch Luftschadstoffe. Sie können als chemische Umwandlungsanlagen oder als sonstige Anlagen angesehen werden. Ich rechne daher damit, dass die Bundesregierung zeitnah ein Gesetz auf den Weg bringen wird, um die Errichtung und den Betrieb von Elektrolyseuren deutlich zu erleichtern. Denn das ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass die ambitionierte deutsche Wasserstoffstrategie realisiert werden kann.

 

Entdeckt, erklärt, erzählt: Der Podcast von #explore