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Halbleiter

Zwischenbilanz: ausbaufähig

12. Juni 2025

Mit dem 2023 beschlossenen European Chips Act will die EU die Halbleiterindustrie in Europa fördern und Versorgungsengpässe wie zu Beginn der Coronakrise bestmöglich verhindern. Entsprechend sind auch in Deutschland neue Chipfabriken geplant. Zwei große Projekte wurden jedoch mittlerweile gestoppt. Warum geht es hierzulande langsamer voran als geplant? Unter welchen Voraussetzungen können Halbleiterhersteller in Deutschland konkurrenzfähig produzieren? Darüber haben wir mit Holger Krumme von ALTER | HTV gesprochen, einer Tochter der TÜV NORD GROUP, die unter anderem Halbleiter prüft und programmiert.

 

Herr Krumme, mit Wolfspeed im Saarland und Intel in Magdeburg wurden zwei geplante große Chipfabriken in Deutschland gekippt beziehungsweise ihr Bau verschoben. Was sind die Gründe dafür?

Holger Krumme: In beiden Fällen geht es um wirtschaftliche Probleme der Hersteller, nicht um eine Entscheidung gegen den Standort Deutschland. So hat Intel den Bau der Fabrik in Magdeburg im vergangenen Jahr zwar vorerst gestoppt, aber angekündigt, 2026 final über das Projekt zu entscheiden.

Mit der Fabrik des taiwanesischen Herstellers TSMC in Dresden geht es indes voran. Warum läuft hier alles planmäßig?

TSMC ist der größte Halbleiter-Auftragsfertiger der Welt und beliefert fast alle großen Chipkonzerne – von Apple über Intel bis Nvidia. Das Unternehmen ist also wirtschaftlich sehr gut aufgestellt und aufgrund des schwelenden Konflikts mit China sehr daran interessiert, auch außerhalb Taiwans eine Halbleiterfertigung aufzubauen.

Die neue Fabrik entsteht im sogenannten Silicon Saxony in und um Dresden. Welche Rolle spielt die Infrastruktur vor Ort bei der Standortwahl?

Kurze Wege sind natürlich ein großer Vorteil für den Informationsaustausch – um etwa zeitnah Lösungen zu finden, wenn in der Produktion Probleme auftreten. Außerdem finden Hersteller wie TMSC oder Infineon die entsprechenden Fachkräfte vor Ort, da die dortigen Universitäten auf den Bedarf reagieren und verstärkt in den gefragten Bereichen ausbilden.

 

Zur Person

Holger Krumme ist CEO von ALTER I HTV. Der gelernte Elektroniker und studierte Elektrotechniker hat bei der Tochter der TÜV NORD GROUP unter anderem ein spezielles Konservierungsverfahren für Halbleiterchips mitentwickelt.

 

 

Warum erfindet KI überhaupt Fakten?

Deutschland möchte eine neue Chipindustrie aufbauen. Doch es läuft schleppender als gedacht. Warum?

Aus meiner Sicht hat man sich zu sehr auf einige wenige große Firmen fokussiert. Ansiedlungen wie TSMC in Dresden sind wichtig und werden auch einiges an Produktion generieren. Aber grundsätzlich sollten wir in Deutschland mehr in die Breite gehen: Wir brauchen hierzulande nicht vor allem High-End-Prozessoren und KI-Chips, sondern spezielle Chips für die Automobilherstellung, die Rüstungsindustrie, die Stromversorgung und für erneuerbare Energien. Deutsche Unternehmen sind in diesen Bereichen erfolgreich und arbeiten profitabel. Und tatsächlich war in der Chipkrise der Mangel an solchen Halbleitern das eigentliche Problem.

Daher sollten wir die durch die gestoppten Großprojekte frei gewordenen Fördergelder verstärkt in solche mittelständischen Unternehmen stecken. Diese produzieren zwar kleinere Stückzahlen als die großen Konzerne, sind jedoch durch ihren spezifischen Abnehmerkreis auch einem geringeren Markt- und Konkurrenzdruck ausgesetzt. Das Problem ist allerdings: Um in Deutschland Fördergelder zu erhalten, muss man sehr hohe Hürden nehmen. Man muss Teil eines Konsortiums sein und innerhalb teils sehr kurzer Fristen Förderanträge zu hoch innovativen Konzepten vorlegen. Für kleine und mittelständische Unternehmen ist das oft nicht zu leisten. Statt sich auf solche hoch innovativen Ansätze zu beschränken, sollte man daher die Förderung auf bestehende Technologien ausweiten, die sich am Markt bereits bewährt haben.

Welche Rahmenbedingungen braucht die Industrie, um im Wettbewerb mit Asien und den USA wirtschaftlich produzieren zu können?

Ein zentraler Aspekt sind die Lieferketten: Wir benötigen Gewerke für sämtliche Prozessschritte der Halbleiterfertigung. In Deutschland beziehungsweise in Mitteleuropa sucht man etwa händeringend Lieferanten für das Packaging – also Unternehmen, die den Chip in ein Gehäuse einsetzen. Wir bei ALTER | HTV haben zwar intern einige Kapazitäten, doch diese reichen bei Weitem nicht, um den großen Bedarf zu decken. Und die Chips zum Packaging nach Asien zu fliegen ist natürlich weder wirtschaftlich noch nachhaltig. Spanien, das aktuell massiv in den Ausbau seiner Halbleiterindustrie investiert, fördert daher die gesamte Wertschöpfungskette im Halbleiterbereich. Das fehlt bislang in Deutschland, wäre aber ein wichtiger Hebel, um die Industrie tatsächlich zu stärken.

Wo konkret müssen wir in Deutschland also besser werden?

Generell sind wird hierzulande zwar nach wie vor in der Forschung sehr stark. In der Vergangenheit haben wir uns allerdings oft schwer damit getan, gute und innovative Ideen in eine wirtschaftlich tragfähige Produktion umzusetzen. Hier müssen wir besser werden. Und das geht im Halbleiterbereich eben nicht ohne starke und unbürokratische staatliche Unterstützung. In den USA und in China werden dreistellige Milliardensummen ausgeschüttet. Auch Taiwan, Japan und Südkorea subventionieren ihre heimische Industrie mit ähnlich milliardenschweren Programmen. Wenn wir in Europa hier nicht den Anschluss verlieren und sogar Boden gutmachen wollen, müssen wir vergleichbare Anstrengungen unternehmen.

Wie kann man KI-Halluzinationen erkennen?

Indem man KI nicht blind vertraut! Kleine Unstimmigkeiten etwa fallen auch Laiinnen und Laien auf: Sätze widersprechen vorangegangenen Sätzen oder Teilen der generierten Antwort. Oder die KI-Antworten passen vollständig oder teilweise nicht zu der Frage, die ihnen der Mensch gestellt hat. „Regelmäßige Überprüfungen der Genauigkeit und Zuverlässigkeit von KI-gestützten Systemen sind unerlässlich, um das Risiko von Fehlinformationen zu minimieren“, empfiehlt daher Expertin Markert. Am eigenen Faktencheck führt also letztlich kein Weg vorbei. Google etwa gibt zu seinen KI-Antworten auch die Quellen an, aus denen sie generiert wurden. Folgt man diesen Links, kann man sich selbst ein Bild davon machen, ob die KI die Informationen korrekt zusammengefasst und wiedergegeben oder ob sie Zahlen und Aussagen aus dem Kontext gerissen hat.

 

Wie lassen sich Halluzinationen bestmöglich verhindern?

Selbst wenn das jeweilige Sprachmodell auf zuverlässigen und konsistenten Datensätzen gebaut ist, lassen sich digitale Sinnestäuschungen nicht völlig ausschließen. „Die Reduzierung von Halluzinationen ist daher eine der grundlegenden Herausforderungen für die Entwicklerinnen und Entwickler sowie die Betreibenden von KI“, sagt Vasilios Danos, Leiter des Bereichs KI-Sicherheit bei TÜVIT. Er und sein Team unterstützen Entwicklerinnen und Entwickler dabei. In umfangreichen Tests identifizieren die Fachleute Schwachstellen, um Risiken zu minimieren. „Im besten Fall kommen wir zum Einsatz, bevor die Anwendung auf den Markt kommt, um die Wahrscheinlichkeit von Halluzinationen von vorneherein zu verringern“, sagt der Experte. Das stärke das Vertrauen in KI-Technologien, so Danos. „Und es stellt sicher, dass ihre Vorteile verantwortungsvoll genutzt werden können.“

 

Entdeckt, erklärt, erzählt: Der Podcast von #explore