MENU
Gute Frage, nächste Frage

Bremsen Windenergieanlagen den Wind?

15. Dezember 2022

 

Windkraft gilt in Deutschland als regenerative Energie Nummer eins. Im ersten Halbjahr 2022 wurde ein Viertel des Stroms in Deutschland mit Windkraft erzeugt. Die grüne Energie des Windes macht unsere Wohnungen hell, treibt Waschmaschinen, E-Autos oder – umgewandelt in Wasserstoff – auch Brennstoffzellenfahrzeuge an. Doch welchen Effekt haben die beflügelten Stromgeneratoren eigentlich ihrerseits auf den Wind? Bremsen sie ihn etwa aus?

 

 

Wind ist Luft, und Luft besteht aus Molekülen. Prallen sie gegen Rotorblätter, bringen sie diese in Bewegung – woraufhin die Moleküle ihrerseits ausgebremst werden und hinter den Rotoren verwirbeln. Im Windschatten hinter den Anlagen entstehen Strömungen mit geringeren Windgeschwindigkeiten und stärkeren Turbulenzen. Dieser sogenannte Nachlauf-Effekt ist lange bekannt, lässt sich mittels LiDAR-Technologie sehr gut messen und wird bei der Planung von Windparks berücksichtigt. Die einzelnen Windräder werden dementsprechend mit Mindestabständen und in einer bestimmten Anordnung zur Hauptwindrichtung aufstellt. Damit sich die Windräder sozusagen nicht gegenseitig den Wind aus den Flügeln nehmen.

Auf dem Land fällt dieser Nachlauf-Effekt über den jeweiligen Windpark hinaus eher kurzfristig aus. Denn wenn die Luft über Wälder, Berge, Büsche, Häuser oder andere unebene Oberflächen strömt, wird sie durchmischt. Die Durchmischung durch die Windkraftanlage fällt dadurch weniger ins Gewicht. Und ihr Effekt klingt bei einer modernen Anlage mit 200 Meter Rotordurchmesser bereits maximal einen Kilometer dahinter wieder ab.

 

 

Bremswirkung auf dem Meer

Anders ist die Situation auf dem Meer, wo sich der Wind auf der oft glatten Wasseroberfläche kaum brechen kann. Forschende der TU Braunschweig und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben die Bremswirkung bei großen Windparks vor der Nordseeküste untersucht. Das Ergebnis: Bis zu 70 Kilometer hinter den Offshore-Windparks weht der Wind langsamer. Diese langen Nachwirkungen ergeben sich bei bestimmten atmosphärischen Bedingungen: wenn warme Luft vom Festland unvermischt über die kalte Nordsee strömt. Bei gut durchmischten Luftschichten war der Effekt deutlich geringer.

Diese Befunde sollten den Forschenden zufolge bei der Planung weiterer Offshore-Windparks berücksichtigt werden. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie im Auftrag der Agora Energiewende kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Die Empfehlung der Denkfabrik: Deutschland sollte seine Offshore-Planungen unbedingt mit seinen europäischen Nordseenachbarn koordinieren. Dadurch könnte die Windenergie vor der Küste optimal genutzt werden.

 

 

Windenergie im Auge des Orkans

Einen Effekt auf das Wetter oder das globale Klima hat die Bremswirkung von Windrädern auch auf dem Wasser nicht, so die einhellige Forschungsmeinung. Die Windkraftanlagen könnten aber die zerstörerische Wucht von Wirbelstürmen dämpfen, wie US-amerikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler errechnet haben: Ein Windpark mit 78.000 Anlagen hätte demnach die Geschwindigkeit des verheerenden Hurrikans Katrina um gut 140 Stundenkilometer und seine Wellenhöhe um bis zu 79 Prozent reduziert. Zumindest theoretisch. Denn solche gewaltigen Windparks sind heute noch Zukunftsmusik. Und die Anlagen müssten dazu stabiler gebaut werden: Bislang werden sie bei Windgeschwindigkeiten von 125 Stundenkilometern abgeschaltet – aus Sicherheitsgründen.

 

 

 

 

Entdeckt, erklärt, erzählt: Der Podcast von #explore