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Gute Frage, nächste Frage

Spricht Schneefall gegen den Klimawandel?

04. Januar 2024

Schwere Schneefälle haben Anfang Dezember 2023 in München den Hauptbahnhof und den Flughafen lahmgelegt und deutschlandweit für Verkehrschaos gesorgt. Auf sozialen Netzwerken sind sie für manche der Beweis: Den menschengemachten Klimawandel gibt es nicht. Aber spricht starker Schneefall tatsächlich gegen die Erderwärmung?

 

Klimafachleute sind sich einig: Schnee allein ist kein Argument gegen weltweit steigende Temperaturen. Denn Schneefall – so massiv er auch ausfallen mag – ist zunächst einmal ein lokales und kurzfristiges Wetterphänomen. Der Begriff „Klima“ bezeichnet dagegen die Gesamtheit des Wetters über einen längeren Zeitraum, also die Statistik des Wetters. Und die zeigt, dass es in immer kürzerer Zeit immer wärmer wird. Ein neuer Hitzerekord löst den nächsten ab: Der Juni 2023 war der zweitsonnigste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881 und der 14. zu warme Juni in Folge.

 

Das Tempo der Erderwärmung ist mittlerweile zehnmal so hoch wie der natürliche Klimawandel, so die Klimatologin Gudrun Mühlbacher vom Deutschen Wetterdienst (DWD) gegenüber der Tagesschau. Die zehn wärmsten Jahre in Deutschland seit 1881 liegen innerhalb der letzten 30 Jahre, neun davon im 21. Jahrhundert. Kletterte die Jahresdurchschnittstemperatur hierzulande vor 2014 nie über zehn Grad Celsius, wurden diese hohen Werte seitdem in fünf weiteren Jahren erreicht.

 

Auch die Winter werden wärmer. Damit sinkt die Zahl der Tage, an denen Schnee fällt und liegen bleibt. Für das bayrische Oberstdorf zeigen die Daten des DWD zwischen 1961 und 1990 im Durchschnitt 127 Tage mit einer drei Zentimeter dicken Schneeschicht. Zwischen 1991 und 2020 waren es dagegen nur noch 106 Schneetage.

 

Rares Massenphänomen

Die Klimaerwärmung kann allerdings dazu führen, dass Schneeflöckchen, Weißröckchen zwar seltener geschneit kommt, dann jedoch in rauen Mengen. Je milder die Winter werden, desto nasser werden sie – und desto mehr Schnee ist prinzipiell möglich. Während die Niederschlagsmenge im Sommer durch die Erderwärmung seit Jahren deutlich sinkt, hat sie sich im Herbst und Winter erhöht. Denn mit jedem Grad Erwärmung kann die Luft sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen. Durch die hohen Temperaturen im Sommer verdunstet diese Feuchtigkeit oft eher, statt abzuregnen. Im Herbst oder Winter dagegen entlädt sich die Feuchtigkeit – je nach Temperatur – als Starkregen oder in Schneegestöber.

 

(Über-)Gewichtiger Schnee

Der Schnee, der dann fällt, kann zu einer sehr konkreten Belastung werden – nicht nur für den Verkehr auf Straße, Schiene und in der Luft. Bei höheren Temperaturen ist der Schnee eher feucht. Anders als der trockene und luftige Pulverschnee enthält er also viel Wasser und bringt entsprechend mehr Gewicht auf die Waage: Dieser schwere Schnee kann die Tragfähigkeit von Dächern oder anderen Infrastrukturen fordern und an ihre Belastungsgrenze bringen. So wie wir in manchen Regionen den Hochwasserschutz verbessern müssen, müssen wir in anderen unsere Häuser und Dächer für die veränderten Winter rüsten.

 

Wenn der Spiegel schmilzt

Eine geschlossene Schneedecke wird wegen der steigenden Temperaturen zunehmend zur Seltenheit. Das kann den Klimawandel beschleunigen und zugleich seine Folgen verschärfen. Schnee und Eis reflektieren besonders viel Sonnenlicht zurück ins Weltall. Fehlt dieser natürliche Spiegel, können die Sonnenstrahlen die Erde erwärmen. Der Klimawandel wird verstärkt, die Winter werden noch milder, und Schnee wird noch seltener – ein Teufelskreis.

Für Pflanzen können die raren Schneedecken ebenfalls zum Problem werden. Ob im Harz, im Schwarzwald oder in der Eifel: In höheren Lagen diente der Schnee über Jahrtausende als Wasserspeicher, der das kostbare Nass im Frühjahr langsam an das neue Grün abgab. Durch die heute oft stark schwankenden Temperaturen im Winter schmilzt der Schnee mittlerweile meist in kurzer Zeit weg. Damit wächst das Risiko für Hochwasser in den Wintermonaten. Und die durstigen Pflanzen im Frühling müssen mit weniger Wasser auskommen.

 

Chancen auf weiße Weihnachten schrumpfen

Aber auch für die Feiertagsstimmung hat der Klimawandel konkrete Folgen. Die Chancen auf weiße Weihnachten werden in Deutschland immer geringer. Laut dem Meteorologen Uwe Kirsche vom DWD liegt die Wahrscheinlichkeit im Norden und Westen Deutschlands schon heute unter zehn Prozent. Im Durchschnitt können wir also nur alle zehn Jahre mit weißen Weihnachten rechnen. Nasse und graue Feiertage wie im gerade vergangenen Jahr sind also längst keine Ausnahme, sondern werden mehr und mehr zur Regel.

 

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