Arbeitssicherheit & -schutz
Arbeitsschutzvorschriften fürs Homeoffice: Was müssen Unternehmen beachten, wenn sie hybride Arbeitsmodelle einführen?
Zum Blog Wissen kompaktNach einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung arbeiteten vor der Corona-Krise vier Prozent aller Beschäftigten in Deutschland im Homeoffice. Dann kam der erste Lockdown, und aus den vier Prozent wurden 27.
Seitdem schwankt die Zahl. Klar ist jedoch: Die Pandemie hat die Entwicklung hin zu neuen Arbeitsmodellen rasant beschleunigt. Vor allem hybride Formen liegen im Trend. Umfragen zufolge planen viele Unternehmen, ihren Mitarbeiter:innen in Zukunft einen Mix aus Präsenzarbeit und Homeoffice anzubieten.
Dieser Wandel geht mit Vorteilen einher, zum Beispiel möglichen Kostenersparnissen für das Unternehmen, einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder einer geringeren Umweltbelastung durch weniger Autofahrten. Er bringt aber auch Herausforderungen mit. Unter anderem stellt sich die Frage, welche Anforderungen für den Arbeitsschutz im Homeoffice bestehen und wie Unternehmen die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten fördern können.
Wir haben uns mit Daniel Streich, Leitung Betriebliches Gesundheitsmanagement bei TÜV NORD MEDITÜV, darüber unterhalten,
Arbeitsrechtliche Anforderungen hängen entscheidend davon ab, welches Arbeitsmodell angewendet wird:
In § 2 VII Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) wird der Begriff „Telearbeitsplatz“ definiert. Danach handelt es sich um fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich. Die Arbeitgeberin beziehungsweise der Arbeitgeber ist für die komplette Einrichtung und Ausstattung dieses Arbeitsplatzes zuständig. Außerdem muss eine Gefährdungsbeurteilung für den Telearbeitsplatz erstellt werden.
Beim mobilen Arbeiten entscheidet die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer selbst, wo sie oder er arbeitet. Das kann zu Hause in der eigenen Wohnung sein, aber auch beispielsweise im Café. Im Gegensatz zur Telearbeit gilt für mobile Arbeit nur das Arbeitsschutzgesetz und nicht die Arbeitsstätten-verordnung. Was das konkret bedeutet, klären wir noch.
Und Homeoffice? Für diesen Begriff gibt es (noch) keine verbindlich festgelegte gesetzliche Definition.
In der ersten Phase der Coronapandemie war der Wechsel vom Büro ins Homeoffice oft provisorisch geregelt.
Inzwischen treffen viele Unternehmen Betriebsvereinbarungen, um langfristig tragfähige Rahmenbedingungen für hybrides Arbeiten zu schaffen.
Daniel Streich merkt an, dass diese meist als Regelung zu mobilem Arbeiten festgehalten werden. Ein einfacher Grund dafür sei zum Beispiel folgender: „Einen Telearbeitsplatz müssen Unternehmen nicht nur bewerten, sondern auch komplett einrichten. Je nach Größe des Unternehmens ist das ein riesiger Kostenfaktor.“
Die Vorgaben im Arbeitsschutz für mobiles Arbeiten sind niedriger und die Umsetzung kostengünstiger. Zum Beispiel gibt es keine Verpflichtung, dass Arbeitgeber:innen fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze für das Arbeiten im Homeoffice bereitstellen.
Allerdings halten die meisten Expert:innen auch eine Gefährdungsbeurteilung im Homeoffice für notwendig. Daniel Streich empfiehlt, insbesondere die Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen zu aktualisieren. Denn dies sei erforderlich, wenn sich die Belastungsfaktoren in der Arbeit erheblich veränderten.
Außerdem trifft Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch bei mobilem Arbeiten eine Unterweisungspflicht nach § 12 ArbSchG. Das heißt, sie müssen Beschäftigte regelmäßig dazu unterweisen, wie ein Arbeitsplatz so gestaltet wird, dass er den Anforderungen des Arbeitsschutzes entspricht.
Davon abgesehen ist es sinnvoll, sich nicht auf das zu beschränken, was der Gesetzgeber vorschreibt, sondern zusätzlich freiwillige Maßnahmen für den Arbeitsschutz im Homeoffice zu ergreifen:
Tipps: Einfach umsetzbare Empfehlungen für gesundes Arbeiten bieten zum Beispiel MEDITÜV, die Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und die Digital Academy von TÜV NORD.
Erste Studien zeigen: Hybride Arbeitsmodelle können sich positiv auf die Zufriedenheit und die Leistung von Beschäftigten auswirken. Der Schuss kann aber auch nach hinten losgehen.
Entscheidend in diesem Zusammenhang ist laut Daniel Streich, wie gut die Umstellung der Unternehmenskultur klappt. „Das ist noch wichtiger als die Ausstattung von Arbeitsplätzen zu Hause.“
Dazu gehöre auch, durch die Möglichkeit individueller Absprachen die Mitarbeiter:innen zu berücksichtigen, die keine Lust verspüren, zu Hause zu arbeiten. Außerdem sei es entscheidend, kommunikative Spielregeln festzusetzen und zum Beispiel zu klären, wie Abwesenheiten im Homeoffice kommuniziert werden. Der geschickte Einsatz von Collaboration Tools könne dabei eine große Hilfe sein. Manchmal komme es allerdings auch vor, dass eine offene Unternehmenskultur durch die lange Zeit im Homeoffice gelitten habe und gezielt wiederbelebt werden müsse.
Wer solche Tipps beachte und sich auf die Suche nach einer passenden Lösung für die eigene Organisation mache, müsse sich um die Leistungsbereitschaft von Beschäftigten im Homeoffice wenig Sorgen machen, so Daniel Streich. „Unternehmen mit einer gesunden Unternehmenskultur profitieren oft vom Homeoffice.“
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