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12. November 2020

Die Zulassungszahlen für E-Autos und Plug-in-Hybride in Deutschland sind in den vergangenen Monaten auf bislang ungekannte Höhen geklettert: Fast 16 Prozent aller Neuwagen im September fuhren ausschließlich oder teilweise mit Batterie. Die E-Mobilität scheint also auch hierzulande tatsächlich ins Rollen zu kommen. Damit wird auch das umfassende Recycling der Akkus zur Zukunftsfrage.

„Wie baust du und wie entsorgst du deine Batterien?“, das ist gegenwärtig die Gretchenfrage für Hersteller von Elektroautos. Denn die Akkus sind die teuersten Teile des E-Fahrzeugs und zugleich ihre größte ökologische Hypothek. Ihre Produktion erfordert viel Energie – und die stammt überwiegend aus Kohlekraftwerken und drückt somit auf die Klimabilanz. Zudem enthalten die Akkus kostspielige Metalle wie Kobalt, Nickel und Lithium, die teils unter problematischen Bedingungen für Mensch und Umwelt gefördert werden. Möglichst viele dieser Rohstoffe am Ende des Akkulebens zurückzugewinnen scheint daher ökologisch, ökonomisch und auch ethisch geboten.

Bislang müssen laut EU-Richtlinie mindestens 50 Prozent des Gesamtgewichts einer lithiumhaltigen Batteriezelle recycelt werden. Der Haken dabei: Je schwerer das Metallgehäuse der jeweiligen Batteriezelle, desto mehr dieses Anteils lässt sich bereits über das Recycling der Hülle abdecken – die Rohstoffe im Inneren bleiben so tendenziell außen vor. Ein möglichst umfassendes Recycling der Batterien werde auf diese Weise weder gefordert noch gefördert, sagt Recyclingexperte Bernhard Friedrich. „Erheblich sinnvoller wäre es, separate Quoten für Zielelemente wie etwa Kobalt, Nickel, Lithium oder Grafit zu definieren“, sagt der Leiter des Instituts für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling (IME) an der RWTH Aachen.

Tatsächlich ließen sich aus den alten Akkus viele Wertstoffe für die Akkus von morgen gewinnen, so der Befund einer Studie des Öko-Instituts. Bei ambitioniertem Ausbau der Recyclinginfrastruktur könnten im Jahr 2030 knapp zehn Prozent des weltweiten Bedarfs an Lithium, Kobalt und Nickel für E-Autos durch Batterierecycling gewonnen werden, 2050 dann sogar 40 Prozent.

 

Versiegelte Rohstoffschätze

Technisch betrachtet geben die Akkus die in ihnen enthaltenen Wertstoffe nicht umstandslos frei. Recyclingverfahren müssen gleich eine ganze Reihe von Herausforderungen bewältigen: Die Hersteller fertigen die Batterien in unterschiedlichen Größen und Bauweisen, was einer automatisierten Zerlegung im Wege steht. Die Akkus müssen deshalb zunächst per Hand und mit dem Akkuschrauber bis auf Zellebene demontiert werden. Zudem sind die einzelnen Zellen fest miteinander verklebt, damit das Batteriesystem bei der Fahrt über holprigen Untergrund keinen Schaden nimmt. „Das kommt natürlich der Dauerhaftigkeit des Akkus zugute, erschwert aber naturgemäß das Recycling“, erklärt Bernd Friedrich. „Wir sollten Batterien heute gezielt darauf designen, dass wir sie morgen besser recyceln können“, fordert der Forscher.

Große Herausforderungen birgt auch der stromleitende Elektrolyt im Inneren der Lithium-Ionen-Zellen. Diese zähe Flüssigkeit enthält giftigen Fluor, ist hochreaktiv und entzündlich. Würden die Zellen einfach aufgebrochen, könnte ein Kurzschluss entstehen, und der Akku könnte in Brand geraten. Recyclingunternehmen müssen daher einen sicheren Weg finden, mit dieser sensiblen Lösung umzugehen.

Recycling bei Extremtemperatur

Der belgische Recyclingkonzern Umicore rückt den Rohstoffen in den Batterien mit extremen Temperaturen zu Leibe. In seinem Werk bei Antwerpen recycelt der europäische Marktführer jährlich rund 7.000 Lithium-Ionen-Akkus aus Smartphones, E-Bikes und Elektroautos. Darunter auch die Batterien, mit denen die elektrischen Rennwagen der Formel E  in den ersten beiden Jahren über die Piste surrten. Die Akkus werden dabei zunächst entladen und danach händisch auf ihre Module zerlegt. Anschließend wandern sie in einen Hochofen. Dort verbrennen die Kunststoffe, der Grafit und der flüssige Elektrolyt. Kobalt, Kupfer und Nickel schmelzen bei Temperaturen bis zu 1.400 Grad und bilden eine Legierung. In einem weiteren Schritt können sie anhand ihrer unterschiedlichen Schmelzpunkte und Dichten voneinander getrennt und anschließend mittels chemischer Verfahren weiter aufbereitet werden. Übrig bleibt eine Schlacke aus Lithium, Eisen und Aluminium.

Über 90 Prozent des Kobalts, Kupfers und Nickels lassen sich auf diese Weise recyceln, wie ein Pilotprojekt von Umicore mit Audi ergeben hat. In einem nächsten Schritt sollen die Materialien wieder in neuen Batteriezellen des Autobauers verwendet werden. Grafit, Aluminium und der Elektrolyt lassen sich bei diesem Verfahren allerdings nicht recyceln. Und das namensgebende Lithium der Batterie kann nur mit Aufwand und dann auch nur anteilig wiedergewonnen werden. Zumeist wird die Schlacke, in der das Lithium steckt, im Straßenbau verwendet – für die Herstellung neuer Batterien ist es damit verloren. Es kann aber auch über ein hydrometallurgisches Verfahren – also mit Säuren – aus der Schlacke extrahiert werden. Technisch seien dafür die Aufbereitungsanlagen bei den Lithiumproduktionsstätten in Australien oder Südamerika prädestiniert, sagt Bernd Friedrich. „Allerdings muss das Lithium dann wieder quer über den Globus transportiert werden“, gibt der Recyclingexperte zu bedenken.

Grundsätzlich gilt das Schmelzverfahren als vergleichsweise kostengünstig und verlässlich, braucht aber viel Energie, die nur teilweise über den Reststrom aus den Akkus gedeckt werden kann. Außerdem wird bei der Verbrennung des Grafits CO2 freigesetzt, was die Klimabilanz des Prozesses weiter schmälert.

 

Schreddern unter Schutzgas

Die Firma Duesenfeld aus Niedersachsen will mit deutlich weniger Energie erheblich mehr Wertstoffe aus den Batterien zurückgewinnen. Dazu werden die Akkus zunächst tiefenentladen und mit Schraubenschlüssel oder Flex auseinandergenommen. Dann werden sie in einem Schredder unter Schutzgas zerkleinert. Diese Stickstoffatmosphäre sorgt dafür, dass die Akkus keine Funken schlagen und dadurch in Brand geraten können. Während beim Schmelzverfahren der Elektrolyt verbrannt wird, wobei giftige Fluorgase entstehen, die danach aus der Abluft herausgefiltert werden müssen, kann er bei der Duesenfeld-Methode über Kondensation und Destillation zumindest anteilig zurückgewonnen werden.

Die Granulatmischung, die hinten aus dem Schredder herauskommt, wird einer speziellen Säurebehandlung unterzogen und Fluor abgetrennt. Der Rückstand kann anschließend mit Gebläsen, Sieben oder Magnettrommeln weiter sortiert werden: in die Schnipsel der Separatorfolie, die Eisenmetalle, die Nichteisenmetalle wie Aluminium und ein schwarzes Pulver aus Grafit, Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt. Die sogenannte „schwarze Masse“ verkauft Duesenfeld bislang an andere Firmen weiter, die daraus die Wertstoffe extrahieren. Bald will das Unternehmen die Stoffe selber trennen – hydrometallurgisch in einem Schwefelsäurebad. Bis zu 91 Prozent einer Batterie ließen sich auf diese Weise zurückgewinnen. Das Verfahren funktioniere im Labor bereits gut. In den kommenden Jahren muss Duesenfeld dann also demonstrieren, dass die anvisierte Recyclingquote auch im industriellen Maßstab realisiert werden kann.

 

Modulares Prinzip

Neben der Pilotanlage in Wendeburg bei Braunschweig und einer geplanten Chemiefabrik zur Aufbereitung der schwarzen Masse setzt Duesenfeld auf dezentrales Recycling. Ausgediente Lithium-Ionen-Akkus dürfen wegen der Brandgefahr bislang nur unter hohen Sicherheitsstandards transportiert werden, was den Aufwand und die Kosten der Wiederverwertung erhöht. Duesenfeld will seine Schredderanlagen dagegen an lokalen Sammelstellen aufstellen, deren Technik in einen normalen Seecontainer passt. So könnten die Batterien vor Ort zerkleinert und das Granulat von dort aus gefahrlos zu einer zentralen Wiederaufbereitungsanlage transportiert werden.

 

Akkus in der Geisterbahn

Einen Mittelweg wählt das Recyclingunternehmen Accurec aus Mülheim an der Ruhr. Nach der händischen Demontage werden die Batterien ähnlich wie bei Umicore zunächst thermisch behandelt, also Hitze ausgesetzt. Anders als bei den Belgiern geht es allerdings nicht darum, die in ihnen enthaltenen Metalle einzuschmelzen. „Die Module und Zellen werden bei 600 Grad durch einen Ofen gefahren – ähnlich wie in einer Geisterbahn“, erklärt Recyclingexperte Friedrich, der das Verfahren zusammen mit Accurec entwickelt hat. Bei dieser Temperatur zersetzen sich der Elektrolyt und die Kunststoffe zu nutzbarem Brenngas wie Wasserstoff und Methan. Die Zellen selbst lassen sich im Anschluss gefahrlos zerkleinern, die Bestandteile werden dann über Magneten oder Gebläse sortiert. Rund 2.500 Tonnen Akkus recycelt Accurec pro Jahr in seinem Werk in Krefeld. Nur 150 bis 300 Tonnen davon stammen bislang aus E-Autos. Mehr gibt der Markt noch nicht her. Schließlich ist die Elektromobilität jung, und die Akkus sind rund zehn Jahre im Einsatz.

Zwischen 53 und 60 Prozent der Bestandteile einer Batterie werden dabei zurückgewonnen. Lithium, Grafit und der Elektrolyt gehören noch nicht dazu. Doch das soll sich ändern. Im Rahmen des Forschungsprojekts LIBERO will die RWTH Aachen gemeinsam mit der Technischen Hochschule Chalmers in Göteborg und Accurec sowie weiteren Industriepartnern ein möglichst abfallfreies Verfahren zum Batterierecycling auf den Weg bringen. „,Early-stage lithium removal‘ nennt sich die Vision, die wir hier am Institut verfolgen“, erläutert Recyclingforscher Friedrich. Das Lithium wird dabei ineinem speziellen Prozess unter Zugabe von CO2 zu Lithiumcarbonat umgewandelt, das dann mit Wasser aus der schwarzen Masse herausgewaschen werden kann. Herzstück des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekts ist die Entwicklung einer Anlage, die wie der Duesenfeld-Schredder in einen Container passen soll und so je nach Anforderung modular erweitert werden kann. „Schlussendlich wollen wir die Blaupause zur Planung einer Pilotanlage entwickeln, in der 25.000 Tonnen Lithium-Ionen-Akkus recycelt werden können“, erklärt Friedrich.

 

Batteriezellenproduktion in Europa

Langfristig sollen effiziente Recyclingverfahren europäische Autobauer mit Rohstoffen für neue Batterien versorgen und sie so unabhängiger machen von Lieferungen aus dem Ausland. Damit das gelingt, müssten aber auch zunehmend Batteriezellen in Europa produziert werden, konstatiert Friedrich. Denn die Batterien würden vor allem dort recycelt, wo die wiedergewonnenen Ressourcen auch tatsächlich in der Industrie benötigt würden. „Ein idealer Kreislauf bedingt auch, dass alle Komponenten des Kreislaufs in Europa vorhanden sind“, so der Experte. Eine Auffassung, die mittlerweile auch in der Politik breiteren Rückhalt findet.

Der Akku macht heute rund 40 Prozent der Wertschöpfung eines E-Autos aus. Über 80 Prozent der Batteriezellen werden aktuell in Asien produziert , gerade mal drei Prozent in Europa. Doch das soll sich ändern. Ende 2019 hat die EU-Kommission die Batteriezellenfertigung als „wichtiges Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse“, kurz IPCEI , anerkannt. Die beteiligten Länder Belgien, Finnland, Frankreich, Italien, Polen, Schweden und Deutschland können demnach Unternehmen mit insgesamt 3,2 Milliarden Euro unterstützen, Deutschland darf davon 1,25 Milliarden Euro an Firmen und Forschungseinrichtungen vergeben. „Wir wollen in Deutschland und Europa die innovativsten und nachhaltigsten Batterien bauen und so Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Europa sichern. Deshalb verfolgen wir mit unserem Konzept einen Gesamtansatz vom Material über die Produktion bis zum Recycling“, formuliert Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier das Ziel der Förderung.

Subventioniert werden etwa eine geplante Batteriezellenproduktion von Opel in Kaiserslautern, von BMW bei München und eine Lithium-Ionen-Fabrik von Varta im bayrischen Nördlingen. BASF und Umicore erhalten staatliche Mittel unter anderem zur Erforschung und zum Aufbau von Recyclingstrukturen. Auch das Bundesforschungsministerium steckt immer größere Summen in die Batteriezellen- und in die Recyclingforschung. 500 Millionen Euro fließen vom Bund in den Aufbau einer Batterieforschungsfabrik in Münster. Das Land Nordrhein-Westfalen steuert weitere 200 Millionen bei, mit denen unter anderem eine „Erprobungsfabrik Batterierecycling“ in Ibbenbüren gebaut werden soll. Mit der Basiskonzeption der Recyclinganlage ist ein Team um Bernd Friedrich in Zusammenarbeit mit der FH Münster betraut. Das Bundesforschungsministerium hat seinerseits im Juni 2020 die Fördersumme um 100 Millionen Euro für weitere Forschungsprojekte aufgestockt. 30 Millionen davon fließen unter anderem in die Recyclingforschung an der TU Dresden, der TU Braunschweig und der RWTH Aachen. Eine Investition in die Zukunft: Große Mengen ausgemusterter E-Auto-Akkus dürften frühestens zwar erst Mitte des Jahrzehnts bei den Recyclern auflaufen. „Aber wir müssen heute bereits effiziente Recyclingverfahren entwickeln, die dann großtechnisch auch wettbewerbsfähig sind“, umreißt Bernd Friedrich das Ziel der Forschungsanstrengung.

 

Rechnet sich Recycling?

Die Wirtschaftlichkeit des Recyclings steht und fällt dabei nicht nur mit effizienten Verfahren und gut zerlegbaren Batterien. Die Wiedergewinnung von Lithium spielt in der Praxis aktuell noch keine große Rolle. Denn bislang ist es schlichtweg günstiger, neues Lithium zu fördern, als es aufwendig aus den Altbatterien herauszufiltern. Mit steigender Nachfrage nach dem Rohstoff dürfte sich das künftig zumindest etwas ändern.

Noch rechnet sich in erster Linie das Recycling von Nickel, Kupfer und vor allem von Kobalt. Das Übergangsmetall ist das teuerste Basismaterial des Lithium-Ionen-Akkus und gilt wegen der Arbeitsbedingungen im Hauptförderland Kongo zugleich als Problemrohstoff. Auch deshalb arbeiten die Autobauer daran, den Anteil des Kobalts im Akku immer weiter zu senken. Lag der Anteil von Kobalt in der Kathode vor zehn Jahren noch bei 30 Prozent, sind es heute deutlich unter 20. VW will den eigenen Kobalt-Anteil von derzeit zwölf bis 14 Prozent in den nächsten drei bis fünf Jahren auf fünf Prozent senken. Tesla liegt nach eigenen Angaben bereits bei 2,8 Prozent und will auf nahezu null kommen.

Weniger Wertmetalle in der Batteriezelle machen künftige E-Autos günstiger – im Gegenzug aber auch das Recycling weniger lukrativ. „Es lässt sich dann nicht mehr durch die wiedergewonnenen Rohstoffe finanzieren“, erklärt Recyclingexperte Friedrich. „Mittelfristig werden wir deshalb dahin kommen müssen, dass Hersteller und Kunden einen Teil der Recyclingkosten über eine Entsorgungsgebühr tragen.“ Bei den bleihaltigen Starterbatterien von Verbrennerautos sorgt etwa ein Pfandsystem seit 2009 für eine Rücklauf- und Recyclingquote von heute 95 Prozent.

ZUR PERSON

Bernd Friedrich ist Leiter des Instituts für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling (IME) an der RWTH Aachen. Mit seinem Team entwickelt der Metallurge hier Recyclingkonzepte für alle gängigen Batteriesysteme.