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Schiffsbeladeanlage
Schadstoffmessung

Hoch hinaus für gute Luft

13. Dezember 2018

Damit die Kamine von Kraftwerken oder Fabriken nicht zu viele Schadstoffe ausstoßen und dadurch Mensch und Umwelt gefährden, dürfen gesetzliche Grenzwerte nicht überschritten werden. Für ihre Einhaltung sorgen Emissionssachverständige von TÜV NORD wie Christian Thometzek. In Hamburg haben wir ihm bei einer Schadstoffmessung an der Schiffsbeladeanlage am Heizkraftwerk Moorburg über die Schulter geschaut.

Der Himmel hängt tief über dem Heizkraftwerk Moorburg. Für Christian Thometzek geht es heute trotz Nieselregen mal wieder hoch hinaus. Bepackt mit Kabeltrommel, Entnahmesonde, Gaszähler, Pumpe und einer Vielzahl kleiner Messgeräte und Sensoren steigt der Sachverständige von TÜV NORD die Treppen der Schiffsbeladeanlage hinauf. Stufe um Stufe, über eine große Plattform, lässt er das Maschinenhaus auf der nächsten Ebene hinter sich. Eine weitere Treppe, durch deren Gitterroste man freien Blick in die beträchtliche Tiefe genießt, führt hoch bis zum Kamin, über den die gereinigte Abluft der Anlage in den Himmel gepustet wird. Sie ist der Grund, warum er heute hier oben ist.

Damit den Kesseln des Kraftwerks die Kohle nicht ausgeht, wird sie ständig mit Schiffen herangeschafft – kleinere Schiffe nehmen wiederum die nach der Verbrennung übrig gebliebene Asche auf. Eines von ihnen liegt gerade unten am Fuß der Beladeanlage an der Kaimauer und wartet geduldig auf die Kraftwerksasche, die in den Schiffsrumpf geladen und zur Weiterverarbeitung abtransportiert wird. Dies geht jedoch nicht ohne Nebenwirkungen vonstatten: Wenn Aberhundert Tonnen Asche aus dem Kraftwerk in den Schiffsbauch befördert werden, wirbelt das eine Menge Staub auf. Früher verwendete man für die Be- und Entladung Förderbänder zwischen Schiff und Kraftwerk. Der Kohlestaub sowie die Asche wehten dabei jedoch ungehindert in die Umgebung, verschmutzten die Wäsche der Anwohner und schädigten deren Gesundheit. Seit 2005 ist genau festgelegt, wie viel Feinstaub in die Umgebung abgegeben werden darf. Um die Emissionen so gering wie möglich zu halten, kommen deshalb heute sogenannte kontinuierliche Schiffsentlade- und Schiffsbeladeanlagen zum Einsatz – eben das stählerne Bauwerk, auf dem Christian Thometzek gerade sein Messequipment vorbereitet.

Überdimensionaler Staubsauger

Über eine gewaltige Röhre, die hinunter in den Schiffsrumpf ragt, wird die Flugasche in den Schiffsladeraum gefördert, erklärt der Sachverständige. „Alles, was dabei an Staub entsteht, wird sofort abgesaugt und über Rohrleitungen einem Staubfilter zugeführt – das sind überdimensional große Taschen aus Stoff mit einer ganz feinen Struktur und Körnung.“ Gerade einmal 5 Milligramm Staub pro Kubikmeter verlassen so den Abluft- Schornstein – verspricht der Hersteller. Ob die Reinigungsanlagen tatsächlich halten, was sie versprechen, das ermittelt Thometzek.

Mit einer Sonde, die ein wenig an einen Schweißbrenner erinnert, saugt er Luft aus dem Abluft-Schornstein. Sie strömt durch ein ausgewogenes Filterblatt, das er vorab in die Sonde eingesetzt hat. Ist Staub in der Luft enthalten, schlägt er sich in der feinen Struktur des Filters nieder, der optisch einer Puderquaste ähnelt. „Um realistische Messergebnisse zu erhalten, muss die abgesaugte Luft die gleiche Geschwindigkeit haben wie die Abluft, die durch den Kamin strömt“, erklärt Thometzek. Wäre die Geschwindigkeit unterschiedlich, würden sich in der Probenahme vermehrt größere oder kleinere Partikel absetzen. Damit das nicht passiert, misst der Experte zuerst den Luftstrom im Abluft-Schornstein und regelt die Absaugevorrichtung über eine frequenzgesteuerte Pumpe auf die richtige Geschwindigkeit. Im nächsten Schritt wird die Abluft durch einen Trockenturm geschickt. Die Kristalle in dem großen Zylinder entziehen zum Schutz der Messgeräte die Feuchtigkeit aus der Abluft. Anschließend wird das Volumen des Gases über einen Gaszähler ermittelt. Später im Labor werden die beprobten Filter ausgewogen. So kann der Experte ermitteln, wie viel Staub sich im Filter angesammelt hat. In Relation zum Volumen des abgesaugten Abluftstroms kann er so errechnen, wie viel Staub pro Kubikmeter in der Luft enthalten ist.

In genehmigungspflichtigen Anlagen muss laut Bundes-Immissionsschutzgesetz alle drei Jahre überprüft werden, ob die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte eingehalten werden. Doch diese Fristen sind nicht in Stein gemeißelt. „Wenn die Genehmigungsbehörde dem Betreiber oder Anlagenzustand nicht traut, kann sie auch kürzere Fristen, beispielsweise eine jährliche Messung, anordnen. Sie hätte sogar das Recht, alle zwei Wochen eine Messung durchzuführen, so Thometzek. Immer dann, wenn Anlagen oft den Betreiber wechseln, können die Behörden häufigere Kontrollen anordnen.

Betreiber profitieren von funktionierenden Filteranlagen

Im Heizkraftwerk in Moorburg ist Christian Thometzek heute nicht im Auftrag der Behörden, sondern für eine freiwillige Messung vor Ort, die Kraftwerksbetreiber Vattenfall aus Eigeninteresse durchführen lässt. „Die Hersteller der Filteranlagen versprechen einen sogenannten Garantiewert“, so Thometzek. Werden die Anlagen vorschriftsgemäß betrieben, sollen die Staubemissionen einen bestimmten Wert nicht überschreiten. „Um zu überprüfen, ob dieser Garantiewert eingehalten wird, die Anlage noch auf dem Stand der Technik ist und um sie im Zweifelsfall frühzeitig warten zu können, lässt Vattenfall regelmäßige Messungen durchführen“, erläutert der Sachverständige. Denn die Kraftwerksbetreiber haben auch ein finanzielles Interesse an tadellos funktionierenden Filteranlagen. „Wenn mehr Feinstaub bei den Anwohnern ankommt als gesetzlich erlaubt, müssen die Betreiber der Anlage im Zweifelsfall dafür aufkommen“, berichtet Thometzek. Zugleich schädigt der Staub auch die Mechanik der eigenen Anlagen. Setzt er sich etwa auf den Rollen und Kugellagern der Förderbänder ab, verschleißen sie schneller und müssen aufwendig gereinigt werden. „Deswegen kontrolliert man so häufig wie möglich, um erst überhaupt keinen Schaden entstehen zu lassen“, erläutert Thometzek.

Solche Schiffsbeladeanlagen sind nicht die einzigen Orte, an denen Thometzek und seine Kollegen zum Einsatz kommen. Auch in Blockheizkraftwerken, Biogasanlagen, Räuchereien, Lackieranlagen, Kaffeeröstereien, Sandtrocknungsanlagen, Silos oder Müllverbrennungsanlagen messen sie, ob die Luft rein ist. „Überall dort, wo Dinge verbrannt, erhitzt, getrocknet, oder gemahlen, wo Lösungsmittel eingesetzt oder Dämpfe freigesetzt werden, werden wir tätig“, erklärt der Sachverständige. Neben dem Schutz von Umwelt und Anwohnern stellen sie auch sicher, dass Menschen ihrer Arbeit nachgehen können, ohne dass dabei ihre Gesundheit gefährdet wird.

Im Einsatz am Ende der Abgaskette

Und wie an der Schiffsbe- und entladeanlage in Moorburg ist Thometzek oft draußen und in luftiger Höhe im Einsatz. „Wir messen ganz am Ende der Abluft- oder Abgaskette, also kurz bevor die gereinigte Prozessabluft an die Umgebung abgeführt wird – und das ist erfahrungsgemäß ganz weit oben.“ Schließlich wollen sie ermitteln, ob das, was am Ende aus dem Schornstein herauskommt, Mensch und Umwelt nicht belastet. Deshalb benötigen die Experten nicht nur Sachverstand und Erfahrung – auch Wetterfestigkeit und Schwindelfreiheit sind wichtige Voraussetzungen. Kompetenzen, die viele Kollegen des Umweltingenieurs aus ihrer bisherigen Tätigkeit mitbringen. „Bei uns arbeiten viele Schornsteinfegermeister“, erzählt Thometzek. Denn Schornsteinfeger erledigen in Privathaushalten ähnliche Messarbeiten, wie die Sachverständigen an Industrieanlagen. „Viele Schornsteinfeger suchen bei uns die Herausforderung: jeden Tag eine andere Anlage mit einem anderen Hintergrund und damit die Möglichkeit, sich selbst ständig weiterzubilden“, so der Experte.

„Viele Schornsteinfeger suchen bei uns die Herausforderung: jeden Tag eine andere Anlage mit einem anderen Hintergrund und damit die Möglichkeit, sich selbst ständig weiterzubilden.“

Christian Thometzek, Regionalleiter Nord – Air Monitoring bei TÜV NORD Umweltschutz

Diese Vielfalt macht auch für Christian Thometzek seinen Beruf so spannend. Zudem mag er seine Rolle als Vermittler zwischen den Welten. Denn auf der einen Seite beraten und unterstützen er und sein Team die Betreiber dabei, ihre Anlagen auf dem Stand der Technik und dabei die Umwelt im Blick zu behalten. Auf der anderen Seite werden sie für die Öffentlichkeit aktiv und decken mit ihren Messungen auf, wenn unnötig Schadstoffe ausgestoßen werden, weil es ein Unternehmen mit dem Umweltschutz nicht ganz so genau nimmt. „Wir beraten die Betreiber und beraten die Öffentlichkeit und vermitteln zwischen diesen beiden oft sehr gegensätzlichen Parteien.“

Auch der NDR hat Christian Thometzek und weitere Kollegen von TÜV NORD bei ihrer Arbeit begleitet. Hier können Sie die spannende Reportage anschauen.

ZUR PERSON

Christian Thometzek ist studierter Umweltingenieur und seit 2013 Regionalleiter Nord – Air Monitoring bei TÜV NORD Umweltschutz.