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Achterbahnprüfung

Messbarer Fahrspaß

08. Dezember 2022

Für Rennfahrer*innen oder Pilot*innen gehören sie zum Berufsalltag. Alle anderen erfahren die sogenannten G-Kräfte vor allem im Flugzeug, beim Überholmanöver auf der Autobahn oder im Freizeitpark. Die Expert*innen von TÜV NORD prüfen hier mit Sensortechnik, welche Beschleunigungskräfte in Achterbahnen oder anderen Fahrgeschäften auf die Insass*innen wirken.

 

 

Zuerst ganz langsam, dann mit zunehmendem Tempo gewinnt das Gefährt allmählich an Höhe. Ein Kribbeln im Bauch. Die Vorfreude steigt. Ganz schön weit oben, ein kurzer Stillstand – und los geht’s! Steil stürzen wir in die Tiefe, eine enge Kurve wirft uns zur Seite, der nächste Aufstieg drückt uns in den Sitz. Oben scheint der Magen einen Moment in der Luft zu hängen, und zack geht es wieder bergab!

Eine Achterbahnfahrt ist ein abenteuerliches Auf und Ab, der Körper wird wunderbar durchgerüttelt. Merklich große Kräfte wirken hier von oben, von unten, von vorne und hinten, von allen Seiten. Wie hoch die Beschleunigungskräfte genau sind, ist messbar. Die Sachverständigen für Fliegende Bauten bei TÜV NORD ermitteln sie mit einem daumengroßen Kästchen bei der G-Force-Messung. „Von den Beschleunigungskräften hängt die Belastung und Sicherheit der mitfahrenden Personen ab“, erklärt Michael Krah, Leiter Fliegende Bauten bei TÜV NORD. „Deshalb ist die Messung ganz wichtig für die Alters- und Größenfreigabe, beispielsweise ob eine Achterbahn schon ab sechs oder erst ab zwölf Jahren freigegeben wird.“ Der Sensor wird nacheinander in den ersten und in den letzten Wagen etwa auf Nackenhöhe angeklebt; das geschieht bei jeder Inbetriebnahme-Prüfung und manchmal auch bei den jährlich wiederkehrenden Kontrollen, wenn die Sachverständigen Unstimmigkeiten vermuten.

 

 

Die Messung der Beschleunigungskräfte ist wichtig für die Alters- und Größenfreigabe.

Nach der Simulation ist vor der Messung

Wird ein neues Fahrgeschäft gebaut, nimmt der Hersteller bestimmte Beschleunigungen an und simuliert sie am Computer. Danach wird dann die Konstruktion ausgelegt: Welche Kurvengeometrie findet das richtige Maß zwischen Sicherheit und Nervenkitzel? Wie dick muss der Stahl sein, um die Kräfte in den Boden abzuleiten? „Bei unserer Abnahme prüfen wir, ob die tatsächlichen Werte mit den angenommenen übereinstimmen“, sagt Michael Krah. „Liegen sie höher, muss der Hersteller nacharbeiten, zum Beispiel andere Sicherheitsbügel einbauen oder die Geschwindigkeit reduzieren.“

Von den Beschleunigungskräften hängt auch die Einstufung des Fahrgeschäfts in die von der Norm vorgegebenen Risikokategorien ab. Je nach Risikokategorie benötigt das Karussell oder die Achterbahn ein anderes Rückhaltesystem, um die Fahrgäste auf ihren Sitzen zu sichern. Ab Kategorie 4 braucht beispielsweise der Sicherheitsbügel eine zusätzliche Verriegelung, und Aufsichtspersonen müssen überwachen, ob er geschlossen ist. Ab Kategorie 5 wird zusätzlich noch die Verriegelung überprüft – das betrifft zum Beispiel Looping-Achterbahnen oder Schaukeln. In ihrer Auswertung nutzen die TÜV NORD-Sachverständigen ein selbst entwickeltes Programm zum Abgleich der Messwerte mit der entsprechenden Norm.

Neu ist die Messung der G-Kräfte freilich nicht: Sie wird bereits seit rund 50 Jahren praktiziert, erklärt Michael Krah. Doch über die Jahre ist die Technik immer leichter, kleiner und praktischer geworden: „Früher hatten wir einen Papierschreiber mit Nadel, da mussten wir die mehrere Kilo schwere Kiste mit Schrauben am Sitz befestigen und das Gerät vorher mit einem Schlüssel aufziehen. Heute ist das komfortabler.“

Die Sachverständigen für Fliegende Bauten bei TÜV NORD ermitteln die Beschleunigungskräfte mit einem daumengroßen Kästchen bei der G-Force-Messung.

Zur Person

Michael Krah ist Leiter Fliegende Bauten bei TÜV NORD und kennt sich wie kaum ein anderer in seinem Bereich mit Fahrgeschäften aus. Nach einem Studium der Elektrotechnik arbeitete er zunächst zehn Jahre lang als Serviceingenieur bei einem Karussellhersteller. Anschließend wechselte er zu TÜV NORD und hat in den vergangenen 16 Jahren alle Arten von Karussells und anderen Attraktionen gesehen, gehört und gespürt. Dabei kommt er viel herum und arbeitet mit seinen Teams auf Volksfesten und in Freizeitparks überall auf der Welt.

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