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Welche Unternehmen brauchen eine Verantwortliche Person, welche Qualifikation braucht diese und welche Aufgaben hat sie?
Zum Blog Wissen kompaktEin zentrales Element der Medical Device Regulation (MDR) ist die in Artikel 15 definierte „Verantwortliche Person für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften“ beziehungsweise „Person Responsible for Regulatory Compliance (PRRC)“. Der Name ist Programm: Wer die betreffende Rolle ausfüllt, trägt viel Verantwortung und hat weitreichende Befugnisse. Deshalb verlangt die MDR auch eine entsprechende Qualifikation.
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„Grundsätzlich“, so Jürgen Mehring, freiberuflicher Berater RA/QA, „brauchen alle Hersteller im Sinne der Medizinprodukteverordnung die Verantwortliche Person nach Artikel 15. Das sind die Unternehmen, die die rechtliche Verantwortung für die Medizinprodukte übernehmen.“
Allerdings gibt es in diesem Zusammenhang einige Besonderheiten zu beachten:
Wichtig: Bei der Verantwortlichen Person am Unternehmenssitz des Herstellers und der Verantwortlichen Person des europäischen Repräsentanten darf es sich nicht um dieselbe Person handeln.
Einige Hersteller können also die Rolle der Verantwortlichen Person „outsourcen“. Jürgen Mehring rät aber, sich diese Entscheidung gut zu überlegen. Vor allem folgende Punkte sollten Verantwortliche im Kopf behalten:
Trotzdem kann es sinnvoll sein, externe Personen als Verantwortliche Personen zu beauftragen. Jürgen Mehring führt als Beispiel Unternehmen an, die seit Jahrzehnten risikoarme Medizinprodukte wie zum Beispiel manuelle Blutdruckmessgeräte, Stethoskope oder fertige Lesebrillen herstellen. In einem solchen Fall seien die Risiken, dass Personen beispielsweise im Zusammenhang mit den Geräten zu Schaden kommt und eine Verantwortliche Person eingreifen muss, verschwindend gering. Darüber hinaus sind die Aufgaben gemäß Artikel 15 klar definiert und somit kalkulierbar.
„Je weiter ich mich davon entferne, um so schwieriger und teurer wird es für Klein- und Kleinstunternehmen. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem es wirtschaftlicher ist, eine Person intern zu beauftragen, die sich zum Beispiel zu 50 Prozent mit den Aufgaben ihrer Rolle beschäftigt und zu 50 Prozent andere Tätigkeiten im Unternehmen übernimmt.“
Egal ob intern oder extern, Verantwortliche Personen müssen
Verantwortliche Personen können das für ihre Rolle „erforderliche Fachwissen auf dem Gebiet der Medizinprodukte“ nach Art. 15 Abs. 1 der MDR auf zwei Arten nachweisen:
Wichtig: Auch die Berufserfahrung muss nachgewiesen werden, zum Beispiel durch Arbeitsverträge oder Schulungsnachweise.
Die Antwort auf diese Frage hängt entscheidend von der Größe und Ausrichtung eines Unternehmens ab. In manchem Kleinstunternehmen ist es oft nur die Geschäftsführung, die die Rolle der Verantwortlichen Person in Personalunion übernehmen kann.
In großen Konzernen dagegen reicht eine Person nicht aus, um die Anforderungen an Verantwortliche Personen zu erfüllen. Hier erlaubt es die MDR, die Rolle auf verschiedene Mitarbeitende aufzuteilen. „Geschäftsführende können zum Beispiel eine Person mit entsprechenden Kompetenzen mit dem Bereich technische Dokumentation und Regulatory Compliance für bestimmte Märkte, eine andere mit Post-Surveillance und so weiter beauftragen“, führt Jürgen Mehring aus.
In jedem Fall ist es erforderlich, die Aufgabenverteilungen schriftlich zu begründen. Außerdem sollten Geschäftsführende an Stellvertreterregelungen denken. „Gibt es nur eine Person, die eine Konformitätserklärung erstellen darf, und stößt dieser etwas zu oder befindet sie sich im Urlaub, können die Produkte im schlimmsten Fall einige Wochen lang nicht in Verkehr gebracht werden.“
Oft, so Jürgen Mehring, ist nur eine Neustrukturierung notwendig, um die Anforderungen des Artikels 15 der MDR zu erfüllen. Denn auch in der Vergangenheit habe es Personen im Unternehmen gegeben, die die Aufgaben der Verantwortlichen Person(en) übernommen hätten. Die Kompetenzen seien also in aller Regel da.
Der Nachweis dieser Kompetenz könne aber eine Hürde darstellen. „Es mag Unternehmen geben, die es in der Vergangenheit mit Qualifikationsnachweisen nicht so ernst genommen haben. Deshalb reicht die Qualifikation von Mitarbeitenden unter Umständen nicht aus. Das heißt, diese müssen Schulungen machen oder das Unternehmen muss neue Mitarbeitende einstellen.“
Wichtig: Beauftragen Geschäftsführende oder ein Vorstand Personen mit der Rolle als Verantwortliche Person, die diese Kompetenz nicht besitzen, müssen sie mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 € rechnen.
Jürgen Mehring beobachtet, dass die meisten Medizinproduktehersteller die Anforderungen von Artikel 15 MDR bereits erfüllen.
Allen anderen rät er, sich schnellstmöglich um das Thema zu kümmern. Denn spätestens nachdem sich Unternehmen in der EUDAMED-Datenbank registriert haben – was voraussichtlich ab dem 4. Quartal 2024 verpflichtend ist –, werden sie aufgefordert, die Qualifikation ihrer Verantwortlichen Personen nachzuweisen. „Es wird stringenter geprüft als früher.“
Aussitzen ist also keine (gute) Option. Besser ist es, sich spätestens jetzt Gedanken darüber zu machen, welche Person(en) im Unternehmen oder extern die Rolle der Verantwortlichen Person einnehmen sollen und ob diese die erforderliche Qualifikation nachweisen können. Ist Letzteres nicht der Fall, lässt es sich nur durch eine Kombination von Schulungen und Berufserfahrung nachholen.
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