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Herausforderung für Generationen

Rückbau von Kernkraftwerken

8. September 2016

Ende 2022 geht in Deutschland das letzte Kernkraftwerk vom Netz. Dann wandelt sich die Herausforderung vom sicheren Betrieb zur sicheren Stilllegung, dem Abbau und der Entsorgung.

Dafür ist jede Menge Spezialwissen nötig. TÜV NORD stand und steht als sicherheitstechnischer Gutachter den Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden über den gesamten Lebenszyklus einer kerntechnischen Anlage zur Seite – und nun auch bis das Gelände schließlich nach erfolgreichem Abbau wieder zur „grünen Wiese“ wird. Lubmin, einst größtes Kernkraftwerk der DDR, ist heute das größte kerntechnische Rückbauprojekt in Deutschland. Das Aus für das Kernkraftwerk kam direkt nach der Wende. Seit 1995 sind Mitarbeiter von TÜV NORD mit der gutachterlichen Begleitung des Abbaus beschäftigt. Lubmin ist ein Beispiel für das, was allen deutschen Kernkraftwerken in den kommenden Jahren bevorsteht; denn der beschlossene Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie sieht vor, das letzte Kraftwerk spätestens 2022 vom Netz zu nehmen.

Zwei Strategien: Sofort oder Später

Grundsätzlich stehen laut Atomgesetz zwei Formen des Abbaus zur Wahl – sofortiger Abbau oder Sicherer Einschluss. Beim sofortigen Abbau beginnt der Betreiber zeitnah mit dem Abbau der nuklearen Anlage. Beim Sicheren Einschluss wird das Kernkraftwerk für einen längeren Zeitraum in einen fast wartungsfreien Zustand überführt, der endgültige Abbau wird auf später verschoben. „Derzeit praktizieren die Betreibergesellschaften in Deutschland in der Regel den direkten Abbau“, sagt Heinz-Walter Drotleff, Leiter der Projektabteilung Stilllegung, Abbau und Entsorgung im Kerntechnikbereich von TÜV NORD und Mitglied der Entsorgungskommission, die das Bundesumweltministerium in allen Fragen der Stilllegung und Entsorgung berät. „Dafür spricht, dass man bei der Stilllegung noch auf die vorhandenen Erfahrungen und Fachkenntnisse der Mitarbeiter aus dem Betrieb zurückgreifen kann. Außerdem liegen inzwischen alle technischen Voraussetzungen, Methoden und ausreichend Erfahrungen für den sofortigen Abbau von kerntechnischen Anlagen vor, so dass sich in den meisten Fällen kein sicherheitstechnischer Vorteil aus einem Sicheren Einschluss ergibt.“

TÜV NORD als Gutachter an der Seite der Behörden

Bevor der Abbau einer kerntechnischen Anlage beginnen kann, stehen umfangreiche Genehmigungsverfahren an. Zuständig für Genehmigung und Aufsicht sind die jeweiligen Länderbehörden, die wiederum Gutachterorganisationen wie beispielsweise TÜV NORD mit der Begutachtung und der begleitenden Kontrolle beauftragen. Drotleff: „Wir als sicherheitstechnischer Gutachter prüfen, ob die einschlägigen Regelwerke eingehalten werden und ob die Planungen des Betreibers dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Bei ihren Entscheidungen stützt sich die Behörde auf unsere Gutachten und Stellungnahmen.“

99 Prozent des Materials aus einem Kernkraftwerk ist nicht kontaminiert oder kann nach einem, jeweils von der Behörde festgelegten Verfahren, bei dem die Unterschreitung von Kontaminationswerten nachzuweisen ist, dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden. Drotleff: „Hierfür ist ein hoher Prüf- und Kontrollaufwand erforderlich, um die Stoffströme entsprechend zu separieren. Es muss sichergestellt werden, dass keine unzulässige Vermischung stattfindet und dass die radioaktiven Stoffe zuverlässig dem radioaktiven Abfall zugeführt werden. Das gilt auch für den sicheren Nachweis, dass die Stoffe in dem überwiegenden Massestrom tatsächlich die Freigabewerte der Strahlenschutzverordnung unterschreiten und damit von der Behörde aus der atomrechtlichen Überwachung entlassen werden können.“

In Deutschland werden die radioaktiven Abfälle danach charakterisiert, ob sie aufgrund ihrer Aktivität und der dadurch freigesetzten Energie Wärme entwickeln oder nicht. Für die Endlagerung der nicht Wärme entwickelnden Abfälle ist das Endlager Konrad vorgesehen, das zurzeit errichtet und nach aktuellen Planungen in 2022 fertiggestellt wird. Über 99 Prozent der Gesamtaktivität eines Kernkraftwerks sind in den abgebrannten Brennelementen oder den Abfällen aus der Wiederaufarbeitung konzentriert.

Für diesen volumenmäßig deutlich kleineren Abfallstrom der Wärme entwickelnden radioaktiven Abfälle wird bundesweit in einem neu gestarteten Prozess ein geeigneter Endlagerstandort gesucht. Drotleff: „Da dieser Prozess und die folgende Erkundung und Errichtung des Endlagers noch mehrere Jahrzehnte dauern wird, ist die sichere Zwischenlagerung der abgebrannten Brennelemente und hochradioaktiven Abfälle eine Herausforderung, der wir uns noch mindestens 50 bis 100 Jahre stellen müssen.“

Die Themen rund um den Abbau der kerntechnischen Anlagen und die Entsorgung von radioaktivem Abfall bietet Ingenieuren und technischen Sachverständigenorganisationen in Deutschland noch viele Jahre wichtige und herausfordernde Tätigkeitsfelder. Heinz-Walter Drotleff: „Wir als TÜV NORD sind hier mit unserem Know-how sehr weit vorn, in Deutschland, aber auch im Ausland ist dieses Know-how zunehmend gefragt. Das bietet interessante Marktchancen für TÜV NORD.“

 

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