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Kurz nachgefragt

Wie funktioniert induktives Laden?

21. Oktober 2021

Man kennt es vom Handy, vom Herd und von der Zahnbürste – aber Induktion soll auch das Laden von Elektrofahrzeugen unkomplizierter machen. Wie die Technik funktioniert, wodurch ihre Sicherheit gewährleistet wird und für welche Einsatzbereiche sie sich anbietet, erklärt Manuel Hagemann, Elektromobilitätsexperte von TÜV NORD.

Was ist induktives Laden?

Induktives Laden ist das Gegenstück zum konduktiven Laden über eine Kabelverbindung, wie es heute bei Elektrofahrzeugen gängig ist. Die zum Laden des Fahrzeugs erforderliche Energie wird dabei nicht über ein Kabel übertragen, sondern über die Luft – mittels Induktion. Auf der Seite der Ladeinfrastruktur ist dabei eine Spule verbaut, die mit Strom gespeist wird und dabei ein Magnetfeld erzeugt. Dieses Magnetfeld wiederum wird von einer Spule im Fahrzeug aufgegriffen und so ein Induktionsstrom erzeugt. Dieser wird über einen Onboard-Lader in Gleichstrom umgewandelt, der in der Traktionsbatterie gespeichert wird.

Wie wird dabei sichergestellt, dass Fußgängerinnen und Fußgänger nicht der elektrische Schlag trifft, wenn sie über eine Induktionsspule laufen?

Die Induktionsspule darf natürlich keinen Strom erzeugen, wenn gerade kein Fahrzeug geladen wird. Deshalb müssen Fahrzeug und Ladeinfrastruktur miteinander kommunizieren, bevor der Ladevorgang gestartet wird. Dabei wird etwa überprüft, ob sich das Auto über der Ladespule befindet – erst dann fließt der Strom. Im Gesamtsystem wird zudem zwingend der elektrische Berührschutz berücksichtigt. Aber auch eine Katze, die während des Ladens unter das Auto läuft, soll dabei keinen Schaden nehmen. Die Internationale Kommission zum Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung (ICNIRP) hat hier entsprechende Grenzwerte festgelegt, die einzuhalten sind. Besonders strenge Grenzwerte gelten immer dann, wenn sich Menschen mit medizinischen Implantaten wie beispielsweise Herzschrittmachern dem induktiven Ladesystem nähern könnten. Denn diese lebenswichtigen Geräte dürfen natürlich in keiner Weise durch die induktive Strahlung gestört oder beeinträchtigt werden. Für die Hersteller dieser Systeme gibt es grundsätzlich zwei Optionen: Entweder halten sie die Grenzwerte zwingend ein. Oder das System erkennt mittels geeigneter Sensorik, dass sich Lebewesen bzw. unbekannte Objekte dem Ladebereich nähern, und schaltet sich dann entsprechend ab.

„Während bei induktiven Ladeschalen fürs Smartphone bestenfalls 60 Prozent der aufgewendeten Energie tatsächlich im Akku ankommen, arbeiten Ladesysteme für E-Fahrzeuge bereits sehr effizient.“

Manuel Hagemann, technischer Experte für E-Mobilität bei TÜV NORD.

Wie steht es um die Effizienz der Technologie?

Während bei induktiven Ladeschalen fürs Smartphone bestenfalls 60 Prozent der aufgewendeten Energie tatsächlich im Akku ankommen, arbeiten Ladesysteme für E-Fahrzeuge bereits sehr effizient. Laut Norm müssen sie mindestens einen Wirkungsgrad zwischen 80 bis 85 Prozent erreichen. Es gibt aber bereits Systeme auf dem Markt, die nach Aussage der Hersteller auf über 90 Prozent kommen. Damit ist man nicht mehr weit vom kabelgebundenen Laden entfernt, bei dem etwa 93 bis 95 Prozent des Stroms in die Batterie fließen.

Batterien kommen heute mit immer größeren Kapazitäten und können immer schneller am Kabel geladen werden. In welchen Bereichen bieten induktive Systeme noch echte Vorteile?

Hier muss man grundsätzlich unterscheiden zwischen dem stationären induktiven Laden und dem dynamischen Laden während der Fahrt. Einzelne Hersteller wie BMW oder Hyundais Luxusmarke Genesis haben stationäre Systeme für Privatkundinnen und -kunden angekündigt oder bereits im Angebot. Dabei geht es ausschließlich um einen kleinen Komfortgewinn, da man den Ladevorgang nicht mehr über das Kabel starten muss. Die Nachfrage dürfte hier abhängig sein vom Preis dieser Systeme. Eine große Verbreitung ist aber nach meiner Einschätzung nicht zu erwarten. Einen echten Vorteil kann ein induktives Ladesystem bei Fahrzeugen mit längerer Standzeit bieten – also nicht an der Ampel, sondern beispielsweise an einem Taxistand. Die Fahrerinnen und Fahrer warten hier meist länger, rücken immer um einen Platz vor und haben bei Regenwetter ja auch nicht unbedingt Lust, aus dem Auto zu steigen. Eine automatische Aufladung mittels Induktion ist hier eine gute Alternative. Allerdings laden kabellose Systeme im Pkw-Bereich aktuell mit maximal elf Kilowatt – das entspricht der Ladeleistung einer gängigen Wallbox. Zum Vergleich: An einer Schnellladesäule können entsprechend ausgerüstete E-Autos via Kabel bereits heute serienmäßig mit bis zu 270 Kilowatt laden. In Forschungsprojekten etwa mit Bussen erreichen induktive Ladesysteme aber bereits Leistungen von über 100 Kilowatt je Lademodul und bis zu 300 Kilowatt im Gesamtsystem. Dementsprechend ist auch im Pkw-Bereich in den kommenden Jahren mit weiteren Fortschritten zu rechnen.

Und wie steht es mit dem induktiven Laden während der Fahrt?

Das dynamische Laden bietet den Vorteil, dass man auf kleinere Batterien im Fahrzeug zurückgreifen kann, da diese auf der Strecke zwischengeladen werden können und somit gleichwertige Reichweiten erreicht werden. Und kleinere Akkus bedeuten weniger Gewicht und geringere Anschaffungskosten beim Fahrzeug. Zuerst denkt man dabei meist an einen Einsatz auf der Autobahn. Allerdings sind die Fahrgeschwindigkeiten hier in der Regel schlicht zu hoch, um auf kürzeren Strecken relevante Energiemengen aufnehmen zu können. Sinn macht ein solches System daher vor allem im städtischen Verkehr, beispielsweise bei Bussen. Die Induktionsspulen werden dabei in den Straßenbelag eingelassen. Allerdings ist die Technik bislang noch sehr teuer und muss zudem über lange Zeit hohen Belastungen standhalten. Insofern muss sich mittelfristig zeigen, ob der Vorteil der kleineren Batterien die höheren Infrastrukturkosten überwiegt. Grundsätzlich konkurriert das dynamische induktive Laden mit der konduktiven Ladung via Oberleitung. Etwa mit Oberleitungssystemen für Lkw, die auf einigen Autobahnen in Deutschland getestet werden. Oder mit Stromabnehmern – den sogenannten Pantografen –, die vielerorts bereits zum schnellen Zwischenladen von Elektrobussen verwendet werden. Was sich wo letztlich durchsetzt, ist eine Frage der Kosten und des jeweiligen Einsatzzweckes sowie des Wettbewerbs mit weiteren Transportmitteln. Den größten Nutzen bietet das kontaktlose Laden während der Fahrt aus meiner Sicht bei autonomen Shuttlebussen, die in diversen deutschen Städten erprobt werden. Diese elektrischen Kleinbusse sind auf festen Kreisrouten von maximal fünf Kilometern unterwegs. Wenn diese Busse schließlich komplett autonom fahren, werden keine Sicherheitsfahrer:innen mehr an Bord sein und somit keine Personen, die zwischendurch den Ladevorgang starten können. In diesem Fall wäre eine automatische Aufladung via Induktion natürlich die beste Lösung.

 

ZUR PERSON

Manuel Hagemann ist technischer Experte für E-Mobilität bei TÜV NORD. Im TÜV-Verband leitet der studierte Maschinenbauingenieur den Arbeitskreis Elektromobilität.

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