Die Herausforderungen wachsen
Für Prof. Dr. Andreas Rükgauer, Spezialist für Produktion und Industriebetriebslehre, steht fest: „Die Produktions- und Lagerlogistiksituation ist häufig ein Schmelztiegel des Chaos.“ Dieser Zustand an sich ist nichts Neues. Doch in Zeiten von Digitalisierung und Internationalisierung wachsen die Herausforderungen speziell an die Auftragsdisposition in der Intralogistik und machen es immer schwerer, dem Chaos Herr zu werden. Gleichzeitig bieten digitale Technologien neue Lösungen für den innerbetrieblichen Materialfluss an, von der Datenbrille bis hin zu vernetzten Abläufen in der Planung.
Auftragsdisposition in der Intralogistik – eine Definition
Wer sich mit Disposition und Auftragsdisposition in der Logistik beschäftigt, wird mit unterschiedlichen Definitionen konfrontiert. Rükgauer verortet die Auftragsdisposition „weit hinten“ im Steuerungsbereich:
„Sieht man sich den klassischen Ablauf an, wird zuerst ein Produktionsplan (Primärebene) erstellt, bei dem endproduktbezogen geplant wird. Aus diesem Produktionsplan heraus geht es auf die Sekundärebene zur Mengen- und Terminplanung für die Einzelkomponenten. Dem nachgelagert ist die Frage von Kapazitätsverfügbarkeit, das sogenannte „Promising“ findet statt, und dann folgt die Auftragsdisposition.“
Zentrale Fragen in der Auftragsdisposition sind demnach „Wann mache ich was mit welcher Arbeitsquelle und welchen Personen?“ Leider ändern sich die Antworten auf diese Fragen ständig.
Wachsender Kostendruck und hohe Anforderungen an Flexibilität und Planbarkeit
Der komplette Intralogistikbereich ist von unvorhersehbaren Ereignissen geprägt. Ob ein versehentlich falsch eingelagertes oder beschädigtes Gut oder der plötzliche Ausfall einer Maschine, die Liste an potenziellen Störfaktoren, die den Materialfluss negativ beeinflussen, ist lang. Laut Rükgauer kann man deshalb mit gutem Gewissen von einem „hochgradig gestörten System“ sprechen.
Dem gegenüber stehen drei zentrale Anforderungen, die an die Auftragsdisposition gestellt werden:
- hohe Planbarkeit
- niedrige Kosten
- hohe Flexibilität
Dabei gilt schon seit einiger Zeit: Während auf der einen Seite immer mehr Flexibilität verlangt wird, werden auf der anderen Seite die Aufträge immer schwerer planbar, das Auftragsvolumen kleiner und der Kostendruck größer.
Zumindest teilweise in der Verantwortung dafür sieht Rükgauer eine Hackordnung, die sich am Vorbild der Automobilindustrie orientiert. Ganz oben steht der Fahrzeughersteller, der bei einem Zulieferer einkauft, der wiederum Teile von einem anderen Zulieferer bezieht. Dabei nimmt der Druck nach unten hin zu, und das umso mehr, je mehr der Druck von außen steigt.
Von Datenbrillen bis zur Vernetzung – neue Chancen durch die Digitalisierung
Zum Glück bringt die Digitalisierung nicht nur wachsende Anforderungen mit sich, sondern auch Ideen und Technologien, um diesen Anforderungen besser standzuhalten, die Disposition effizienter zu gestalten und den Materialfluss in der Intralogistik am Laufen zu halten. Manche davon sind bereits im Einsatz. Dazu gehören z. B. Augmented-Reality-Lösungen wie Datenbrillen, die die Kommissionierung erleichtern.
Auch der Stellenwert von Robotern als „Arbeitskollegen“ wächst. Waren früher Mensch und Maschine allein aus Sicherheitsgründen strikt getrennt, arbeiten sie heute immer häufiger Seite an Seite. Für Mitarbeiter bedeutet dies idealerweise ein freundlicheres Arbeitsumfeld und die Möglichkeit, sich auf rein wertschöpfende Tätigkeiten zu konzentrieren. Gleichzeitig werden viele Arbeitsabläufe effizienter und laufen schneller ab.
Ganz neue Möglichkeiten versprechen außerdem Vernetzungen.
- Eine Vernetzung von Bedarfsketten über die Absatzkette hinweg kann dazu beitragen, flexibel auf Änderungen zu reagieren und dem Chaos in der Intralogistik ein Stück weit Herr zu werden. Doch die Hürden bei der Realisierung solcher Lösungen sind hoch, angefangen bei der dafür notwendigen Softwareinfrastruktur bis hin zu der großen Herausforderung, die Datenqualität zu halten. Laut Rükgauer gibt es deshalb auch erst wenige Beispiele, in denen eine solche Vernetzung erfolgreich stattfindet.
- Über eine interne Vernetzung lassen sich Plandaten verbessern, indem der Algorithmus selbst „nachsehen“ kann, wie lange ein Vorgang auf einer Maschine gedauert hat. Außerdem registrieren Systeme dann selbstständig Störungen im Materialfluss und planen um, wenn beispielsweise eine Maschine stehenbleibt.
Schließlich ist da noch der Traum eines Algorithmus zu Steuerung und Disposition, der sich selbst anlernt. Doch das ist, aller Allgegenwärtigkeit von Machine Learning zum Trotz, tatsächlich noch Zukunftsmusik, die damit verbundenen Anforderungen an Prozess-Standardisierung und Datenqualität sind enorm.
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