CSRD und Nachhaltigkeitsberichte

CSRD und Nachhaltigkeitsberichte

Beitrag vom 12.01.2023

Zur Themenwelt Nachhaltig wirtschaften

CSRD und Nachhaltigkeitsberichterstattung: gesetzliche Anforderungen und Chancen von Nachhaltigkeitsberichten

Noch gehen deutsche Unternehmen sehr unterschiedlich mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung um. Luisa Sorgenfrei, zertifizierte Nachhaltigkeitsmanagerin im Consulting bei TÜV NORD Umweltschutz, beobachtet: „Es gibt große Unternehmen, die das Thema seit Jahren sehr ernst nehmen, und kleine und mittelständische Betriebe, die stark intrinsisch motiviert sind. Andere betrachten Nachhaltigkeitsberichterstattung vor allem als zusätzlichen Arbeitsaufwand.“ Letzteren kam die bisherige Gesetzgebung entgegen. 

Das ändert sich nun. Mit der im November 2022 vom Europäischen Parlament beschlossenen und am 16.12.2022 final veröffentlichten Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD-Richtlinie beziehungsweise CSRD) erweitert sich nicht nur der Kreis derjenigen Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen müssen. Auch die Anforderungen an die Inhalte steigen. Gleichzeitig wächst der Druck von Konsument:innen und Geschäftspartner:innen auf Betriebe, mehr Fokus auf Nachhaltigkeit zu legen. 

Viele gute Gründe, Nachhaltigkeitsberichte als mehr als ein lästiges Übel anzusehen. Wir haben uns mit Luisa Sorgenfrei darüber unterhalten,  

  • was deutsche Unternehmen jetzt tun sollten,  
  • wie sie häufige Fehler bei der Berichterstattung vermeiden und  
  • welche Vorteile ein Nachhaltigkeitsbericht abseits des Erfüllens gesetzlicher Vorgaben hat.  

Unsere Expertin: Luisa Sorgenfrei

Luisa Sorgenfrei ist zertifizierte Nachhaltigkeitsmanagerin im Consulting bei TÜV NORD Umweltschutz GmbH & Co. KG.

Von der NFRD und dem CSR-RUG zum CSRD – neue gesetzliche Anforderungen an Nachhaltigkeitsberichte

Seit 2017 gilt in der Europäischen Union die Non-financial Reporting Directive. In Deutschland wurde sie durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) in nationales Recht umgesetzt. Dieses verpflichtete erstmals eine Reihe von Unternehmen, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht zu verfassen. 

Allerdings ist die Zahl dieser Unternehmen gering und auch die Anforderungen an die Berichterstattung selbst fallen vage aus. Hier setzt die CSRD an. 

Das ändert sich mit der CSRD für deutsche Unternehmen – die wichtigsten Neuerungen

Für Luisa Sorgenfrei sind zwei Änderungen im Rahmen der neuen Richtlinie entscheidend: 

  • „Der Kreis der betroffenen Unternehmen wird extrem ausgeweitet, von aktuell ca. 550 in Deutschland auf etwa 15.000.“ Anders als bisher müssen alle an der Börse gelisteten (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen) sowie alle großen Unternehmen jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Dabei gilt ein Unternehmen als groß, wenn es zwei der drei folgenden Merkmale erfüllt: 
    - mindestens 250 Mitarbeitende im Jahresdurchschnitt 
    - Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro 
    - Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro 
  • In Zukunft ist eine externe Prüfung des Nachhaltigkeitsberichtes verpflichtend. 

Hinzu kommen striktere Vorgaben für die Inhalte von Nachhaltigkeitsberichten. Hier sticht das Prinzip der doppelten Materialität beziehungsweise doppelten Wesentlichkeit hervor. Es sieht vor, dass Sachverhalte dann berücksichtigt werden müssen, wenn sie entweder für den Geschäftserfolg oder aus sozialen beziehungsweise ökologischen Gesichtspunkten wesentlich sind, und nicht mehr nur, wenn sie beide Anforderungen erfüllen. 

Wann gilt die CSRD für wen?

Die CSRD wird stufenweise eingeführt:  

  • 1. Januar 2024: Unternehmen, die bisher von der NFRD betroffen waren 
  • 1. Januar 2025: große Unternehmen, die nicht der NFRD unterlagen 
  • 1. Januar 2026: börsennotierte KMU sowie kleine, nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen 

Der erste Bericht ist jeweils im Folgejahr fällig. KMU können außerdem eine Opt-out-Regelung in Anspruch nehmen: Wenn sie in ihrem Lagebericht darlegen, warum die für den Nachhaltigkeitsbericht erforderlichen Informationen noch nicht vorliegen, erhalten sie Aufschub bis Januar 2028.  

Wichtig ist: Wie das neue Lieferkettengesetz ist auch die CSRD nicht nur für Unternehmen relevant, die direkt von ihr betroffen sind. Zulieferer größerer Unternehmen, so Luisa Sorgenfrei, müssen damit rechnen, dass diese von ihnen die Vorlage von Nachhaltigkeitsberichten, Berechnungen von CO2-Fußabdrücken oder Infos zur Transparenz von Lieferketten verlangen, weil diese Informationen ihre eigenen Nachhaltigkeitsbestrebungen beeinflussen.  

Warum eine Nachhaltigkeitsberichterstattung auch für kleine Unternehmen immer wichtiger wird

Gesetze sind ein Grund für Unternehmen, mehr Fokus auf Nachhaltigkeit zu legen und darüber zu berichten.  

Aber daneben gibt es noch viele andere, betont Luisa Sorgenfrei: 

  • Wettbewerbsvorteil: Sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich sei Nachhaltigkeit zu einem entscheidenden Faktor geworden. „Manche Ausschreibungen gewinnt man nicht, wenn man nichts zu Nachhaltigkeit im Unternehmen sagen kann.“  
  • Vorsprung im „War for Talents“: „Der akute Fachkräftemangel macht sich in vielen Unternehmen deutlich bemerkbar. Ein guter, glaubwürdiger Bericht gibt potenziellen Mitarbeitenden einen umfassenden Überblick über die Werte, Ziele und die Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens. Das bietet Vorteile am Arbeitsmarkt.“ 
  • Wertvoller Status quo: Ein Nachhaltigkeitsbericht gebe einen wichtigen Anstoß, den Ist-Zustand in einem Unternehmen zu analysieren. So würden Handlungsfelder und Verbesserungspotenzial erkennbar.  

Nachhaltigkeitsberichte erstellen – Prozesse und Verantwortlichkeiten

Fest steht also: Unternehmen, die bislang wenig Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt haben, sollten jetzt aktiv werden. Aber wo fangen sie am besten an?  

Der Status quo als Ausgangspunkt 

Luisa Sorgenfrei empfiehlt, im ersten Schritt den Status quo zu erheben und eine Stakeholder- sowie Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen.  

Wesentliche Fragen seien: 

  • Was machen wir schon im Bereich Nachhaltigkeit? 
  • Welche Handlungsmöglichkeiten haben wir? 
  • Welche Strategien und Ziele verfolgen wir? 

Ausgehend von den Antworten auf diese Fragen lassen sich Handlungsfelder ableiten. Dann können Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsstrategie definieren und die Berichterstattung in Angriff nehmen.  

Nachhaltigkeitsberichterstattung ist Teamsache

In Unternehmen ohne Nachhaltigkeitsmanager:in wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung oft an Umweltbeauftragte oder die Kommunikationsabteilung weitergegeben. Luisa Sorgenfrei sieht dies kritisch. „Wenn man die Aufgabe an die Kommunikation abgibt, fehlt manchmal das Nachhaltigkeits-Know-how, und Nachhaltigkeit reicht weit über ökologische Aspekte hinaus.“  

Gibt es nicht genug Ressourcen, um eine:n Nachhaltigkeitsmanager:in einzustellen, sei es am besten, ein Projektteam zu bilden und sich gegebenenfalls von externen Fachleuten beraten zu lassen. Denn Nachhaltigkeit sei ein komplexes Querschnittsthema. Deshalb bräuchten auch Nachhaltigkeitsmanager:innen Zuarbeit von anderen Abteilungen.  

Führungskräfte sollten Mitarbeitende mit ins Boot holen

Nicht zuletzt ist es entscheidend, die Belegschaft mitzunehmen. „Die Nachhaltigkeitsperformance meines Unternehmens ist maßgeblich davon beeinflusst, wie meine Mitarbeitenden handeln und denken“, betont Luisa Sorgenfrei. „Wenn ein Unternehmen nachhaltig werden will, muss es Prozesse, die schon seit Jahren laufen, darauf überprüfen, wie sie sich nachhaltiger gestalten lassen. Deshalb würde ich allen Geschäftsführer:innen empfehlen, sich die Zeit zu nehmen und den Mitarbeitenden zu erklären, was Nachhaltigkeit und nachhaltiges Verhalten am Arbeitsplatz für das Unternehmen bedeuten.“ 

Keine gute Idee sei es, die Verhältnisse in einem Unternehmen im Nachhaltigkeitsbericht zu beschönigen. Denn dann fühlten sich Mitarbeitende auf den Arm genommen. „Ein Nachhaltigkeitsbericht ist ein sensibles Kommunikationsmittel, in dem Unternehmen Handlungspotenzial anerkennen sollten. Glaubwürdigkeit ist entscheidend.“ 

Mit der richtigen Einstellung von Nachhaltigkeit profitieren

Egal ob klein oder groß, Unternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit bisher an die Seitenlinie verbannt haben, sollten dies so schnell wie möglich ändern. Dies gilt nicht nur für Betriebe, die von der CSRD betroffen sind.  

Denn der Trend ist eindeutig und wird sich in naher Zukunft nicht umkehren: Nachhaltiges Handeln gewinnt an Bedeutung bei Konsument:innen, Geschäftspartner:innen und dem Gesetzgeber. Wer jetzt darauf reagiert, ist für die Zukunft gewappnet.  

Ein sorgfältig erstellter Nachhaltigkeitsbericht ist ein wichtiger Baustein einer Nachhaltigkeitsstrategie. Er kann Optimierungspotenzial aufzeigen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit steigern und die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen fördern. Entscheidend dafür ist, dass man die Erstellung nicht als lästige Pflicht, sondern als Chance begreift.