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Elektromobilität

Batteriezellen in Deutschland: Wer baut wo?

Der Markt für Elektroautos wächst – die Batterieproduktion in Deutschland auch.

22. April 2021

Batteriezellen für Elektroautos kommen seit Jahren größtenteils aus Asien. Die Politik und die Autoindustrie wollen das ändern. Ankündigungen für Batteriezellenfabriken und die erforderlichen Materialien häufen sich in jüngster Zeit: Besonders Deutschland will sich zum Zentrum der europäischen Akkuproduktion mausern. Wir geben einen Überblick, was wo von wem geplant ist.

Batteriezellen sind das Herzstück eines Elektroautos – technisch wie wirtschaftlich. Rund ein Drittel der Wertschöpfung der Stromfahrzeuge entfällt auf die energiereichen Zellen. Daher wurde in den letzten Jahren viel über Sinn oder Unsinn einer Batteriezellenproduktion in Europa diskutiert. Einerseits galten die hiesigen Lohn- und Energiekosten als zu hoch, und der technologische Vorsprung der asiatischen Hersteller wurde als zu groß erachtet, als dass sich eine eigene Produktion rechnen könnte. Andererseits wollte man den asiatischen Produzenten nicht länger das Feld überlassen und den wachsenden Bedarf der heimischen Autobauer sichern. Die Politik hat mittlerweile Fakten geschaffen: Ende 2019 wurde die Batteriezellenproduktion von der EU-Kommission offiziell als „wichtiges Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse“ – kurz IPCEI – anerkannt und darf von Deutschland und weiteren EU-Ländern mit Milliardensummen gefördert werden.

Die Aufbereitung der Rohstoffe, die Herstellung der Batteriezellen und das Recycling alter Akkus sollen künftig in Europa vonstattengehen. „Zukünftig sollen die innovativsten und umweltfreundlichsten Batteriezellen aus Europa kommen und Zehntausende Arbeitsplätze entlang der Wertschöpfungskette entstehen“, umreißt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier das Ziel. Nach Schätzungen der European Battery Alliance könnten mehrere Hunderttausende Jobs im Batteriebereich entstehen, der Markt für E-Auto-Akkus aus Europa könnte bis ins Jahr 2035 auf bis zu 250 Milliarden Euro wachsen. Mit der batterieorientierten Joboffensive will die Politik auch die Arbeitsplatzverluste bei Autoherstellern wie Zulieferern auffangen, die im Zuge des Technologiewandels erwartet werden. Schließlich ist ein Elektroauto einfacher aufgebaut und benötigt weniger Bauteile sowie Arbeitsschritte als ein Verbrenner.

Ende Januar hat die EU-Kommission die zweite IPCEI-Förderung genehmigt. Aktuell sind an den beiden Förderprojekten fast 60 Unternehmen aus zwölf EU-Staaten beteiligt, davon alleine 15 Firmen in Deutschland – darunter BASF und BMW, Varta und Tesla. Vom Bundeswirtschaftsministerium werden sie in diesem Rahmen mit knapp drei Milliarden Euro gefördert, zwei weitere Milliarden kommen aus anderen Töpfen. Rund acht Milliarden Euro wollen die Unternehmen ihrerseits investieren und dabei 10.000 Arbeitsplätze schaffen. So sollen nach Angaben des Ministeriums Produktionskapazitäten für Batteriezellen von über 180 Gigawattstunden entstehen. Aber auch abseits des IPCEI nimmt die Batteriezellenproduktion in Deutschland Fahrt auf. Sowohl deutsche Autobauer als auch chinesische Hersteller beginnen damit, in der Bundesrepublik Batteriezellenfabriken hochzuziehen.

 

Arnstadt: CATL

Seit Oktober 2019 wird in Arnstadt gebaut, Mitte 2022 will der chinesische Batterieriese CATL am Erfurter Kreuz seine neue Fabrik dann in Betrieb nehmen. 1,8 Milliarden Euro investiert der Konzern in seine erste Batteriezellenfabrik außerhalb Chinas. Mittelfristig sollen hier 2.000 Mitarbeitende Elektroauto-Akkus mit einer Kapazität von 14 Gigawattstunden (GWh) produzieren. Später ist ein Ausbau auf 24 GWh geplant. CATL will in Arnstadt Batteriezellen nicht nur herstellen, sondern auch entwickeln. Der Konzern begründet die Entscheidung für Thüringen mit der zentralen Lage in Deutschland und Europa, der gut ausgebauten Verkehrs- und Forschungsinfrastruktur sowie der Nähe zu großen Automobilherstellern. Namentlich die kurzen Wege zu BMW dürften dabei auch eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Der bayerische Autobauer ist an CATL beteiligt und hat bis 2030 für 7,3 Milliarden Euro Batteriezellen bei den Chinesen bestellt. Die in Deutschland produzierten E-Fahrzeuge des Automobilherstellers sollen mit den Zellen aus Arnstadt bestückt werden. Im nahe gelegenen Leipzig baut BMW seit 2013 den i3 und ab 2023 die nächste Generation des elektrischen Mini, in Dingolfing den neuen iX, und am Stammsitz München läuft mittlerweile der i4 vom Band.

 

Bitterfeld-Wolfen: Farasis Energy Europe

Die Stadt Bitterfeld-Wolfen hat bereits grünes Licht gegeben, doch noch liegt die Baugenehmigung nicht vor. Trotzdem will der europäische Ableger des chinesischen Herstellers Farasis Energy ab 2023 in Bitterfeld-Wolfen mit der Batteriezellenproduktion beginnen. 600 Millionen Euro steckt das Unternehmen in die erste Ausbaustufe, die auf eine Jahreskapazität von zehn Gigawattstunden ausgelegt ist. Später soll das Werk erweitert werden und 2.000 Mitarbeitende in Forschung, Entwicklung, Produktion, Batteriemontage und im Recycling beschäftigen. Erste Lieferverträge wurden bereits unterzeichnet. So soll etwa das erste türkische E-Auto Togg mit Batterien aus Bitterfeld-Wolfen bestückt werden. Größter Abnehmer ist aktuell die Daimler AG, die 2020 mit drei Prozent bei Farasis Energy eingestiegen ist. Die Zellen aus Bitterfeld-Wolfen sollen bei der Daimler-Tochter Accumotive im sächsischen Kamenz montiert werden und unter anderem die elektrischen EQ-Modelle der Stuttgarter mit Energie versorgen.

Ellwangen: Varta

Bei kleinen Lithium-Ionen-Akkus gilt der Batteriehersteller aus Baden-Württemberg als globales Schwergewicht. Nun wird Varta auch in die Produktion von größeren Batteriezellen einsteigen. Ab Ende dieses Jahres will das Unternehmen an seinem Stammsitz in Ellwangen auf einer Pilotlinie Batterien mit neuartigen Lithium-Ionen-Zellen fertigen. Die neuen Zellen sollen sich durch ein extrem hohes Ladetempo auszeichnen und könnten vor allem bei Fahrzeugen im Premiumsegment und bei Sportwagen zum Einsatz kommen. Im Lkw-Bereich ist auch ein Einsatz als Pufferbatterie für einen Brennstoffzellenantrieb angedacht. 300 Millionen Euro Fördergelder hat Varta im Rahmen des IPCEI für seine Batterieentwicklung bekommen – der Löwenanteil sei in die Entwicklung der neuen Lithium-Ionen-Zelle geflossen. Bis Ende 2021 will der Batteriehersteller rund 1.000 neue Stellen in Ellwangen und im bayerischen Nördlingen schaffen. Ein enormer Sprung für die Firma Varta, die derzeit rund 4.000 Mitarbeitende zählt.

Grünheide: Tesla

Seit Anfang des letzten Jahres wächst in Grünheide Teslas Gigafabrik aus dem brandenburgischen Sandboden. Die finale Genehmigung steht noch aus, Eilanträge von Umweltverbänden sorgten immer wieder für Verzögerungen. Dennoch zeigt sich der kalifornische E-Auto-Pionier zuversichtlich, ab Juli mit der Produktion starten zu können. Künftig könnten in der Fabrik bei Berlin auch die Batteriezellen für Teslas Model 3 und Model Y gebaut werden. Bei einer Konferenz mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im November 2020 stellte Tesla-Chef Elon Musk in Aussicht, in Grünheide die weltgrößte Batteriefabrik zu bauen. In der ersten Ausbaustufe solle die Produktionskapazität bei etwa 100 Gigawattstunden pro Jahr liegen, später könne sie auf 250 Gigawattstunden erweitert werden. Medienberichten zufolge kalkuliert Tesla für das Batteriewerk mit 1.000 Jobs – zusätzlich zu den 12.000 Arbeitsplätzen in der ersten Ausbaustufe des Autowerks. Ob die angedachte Batteriezellenfabrik tatsächlich die angekündigten gigantischen Ausmaße annimmt, ist natürlich noch offen. Fest steht: Auch Tesla wird im Rahmen des IPCEI mit einer noch nicht bekannten Summe gefördert. Das zentrale Ziel von Teslas IPCEI-Projekt sei „die Entwicklung und Realisierung fortschrittlicher Herstellungs- und Recycling-Methoden von Lithium-Ionen-Batteriezellen, um den ökologischen Fußabdruck von Zellen sowie deren Stückkosten erheblich zu reduzieren“, heißt es in der offiziellen Ankündigung des Bundeswirtschaftsministeriums.

Kaiserslautern: Automotive Cells Company

Neben Deutschland gilt Frankreich als größter Motor beim Aufbau einer europäischen Batteriezellenfertigung. In Kaiserslautern machen die Nachbarländer gemeinsame Sache: Im dortigen Opel-Werk sollen ab 2023 Batteriezellen mit einer Gesamtkapazität von acht Gigawattstunden produziert werden. Opels französische Konzernmutter Stellantis (vormals: PSA) und die Total-Tochter Saft haben dazu ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Namen Automotive Cells Company (ACC) gegründet. In der finalen Ausbaustufe ist eine Kapazität von 24 Gigawattstunden geplant, um jährlich eine halbe Million E-Autos zu versorgen. 2.000 Arbeitsplätze sollen dabei entstehen. Parallel baut das Konsortium im nordfranzösischen Douvrin eine weitere 24-GWh-Fabrik. Zehn bis 15 Prozent des künftigen Elektroautomarktes in Europa könnten den Unternehmen zufolge aus diesen Werken bedient werden. Von den Projektgesamtkosten in Höhe von rund fünf Milliarden Euro wollen Deutschland und Frankreich mindestens 1,3 Milliarden Euro beisteuern.

Parsdorf: BMW

In Parsdorf bei München will der bayerische Autobauer ab 2022 eigene Batteriezellen produzieren. Für Kundenfahrzeuge sind diese Zellen allerdings nicht vorgesehen. Vielmehr soll das Pilotwerk Prototypenzellen für Entwicklungs- und Erprobungszwecke fertigen. 110 Millionen Euro investiert der Autobauer, mit 60 Millionen Euro wird BMW von Bund und Land im Rahmen des IPCEI unterstützt. Auch bei der zweiten IPCEI-Runde gehört der Automobilhersteller zu den Begünstigten, die konkrete Fördersumme ist jedoch noch offen. BMW will in diesem Projekt Lithium-Ionen-Zellen der „übernächsten Generation“ entwickeln und Festkörperbatterien erproben, die bekanntlich als eine der vielversprechendsten Akkutechnologien der Zukunft gehandelt werden.

 

Salzgitter: Volkswagen

Der aktuell zweitgrößte Autohersteller der Welt schmiedet momentan die wohl ambitioniertesten E-Auto-Pläne. Bis 2030 will VW in Europa zusammen mit Partnern sechs Zellfabriken mit einer Gesamtkapazität von 240 Gigawattstunden betreiben. Volkswagen zufolge wären das fast doppelt so viele Batterien, wie 2020 weltweit für den Bau von Elektroautos und Hybriden benötigt wurden. In Deutschland macht Salzgitter den Anfang: Ab 2024 soll am niedersächsischen Motorenwerk die Produktion von Batteriezellen anlaufen – zunächst mit einer Fertigungskapazität von 16 Gigawattstunden. Später sollen bis zu 2.000 Mitarbeitende Zellen mit einer Kapazität von 40 Gigawattstunden herstellen.

 

Zellen aus Schweden

Während die Batteriezellen aus Salzgitter für den Massenmarkt bestimmt sind, will VW die Zellen für seine Premiumfahrzeuge aus der Gigafabrik beziehen, die der Batteriehersteller Northvolt aktuell im nordschwedischen Skellefteå baut. Die Produktion soll 2023 starten und schrittweise auf bis zu 40 Gigawatt Jahreskapazität ausgebaut werden. VW ist seit 2019 an dem schwedischen Unternehmen beteiligt, zu den weiteren Kunden und Kooperationspartnern zählen auch Siemens und BMW. Die Bundesregierung bürgt für den Bau der Batteriezellenfabrik in Skellefteå mit einer staatlichen Garantie von 443 Millionen Euro. Deutsche Unternehmen könnten sich über diese Kooperation langfristig den Bezug von E-Auto-Akkus sichern, begründet das Wirtschaftsministerium diese Entscheidung.

 

Eigenproduktion plus Einheitsbatterie gleich günstigerer Akku

Beide Fabriken in Salzgitter und Skellefteå sollen ausschließlich mit Grünstrom betrieben werden. Wo die vier anderen Batteriezellenwerke für VW entstehen werden, steht noch nicht fest. Im Gespräch war zuletzt eine Produktion bei Seat in Spanien. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte einen zweiten Standort in Deutschland. Volkswagen verspricht sich in jedem Fall viel von der Eigenproduktion und einer selbst entwickelten Einheitszelle, die ab 2023 die ersten E-Autos des Konzerns mit Energie versorgen soll. In Kombination mit neuen Produktionsmethoden und konsequentem Recycling wollen die Wolfsburger die Batteriekosten drastisch drücken: Im Einstiegssegment sollen die Akkukosten schrittweise um bis zu 50 Prozent, im Volumensegment um bis zu 30 Prozent sinken. Damit werde die „E-Mobilität endgültig erschwinglich und zur bestimmenden Antriebstechnologie“, ist der Autoriese überzeugt.

 

Schwarzheide: BASF

Im November 2020 erfolgte in Schwarzheide der erste Spatenstich: Ab 2022 will BASF an seinem brandenburgischen Standort Basismaterialien für Batterien herstellen. Konkret geht es um Material für die Kathode, also den Pluspol der Batteriezelle. Bis zu 400.000 Elektrofahrzeuge sollen jährlich aus Schwarzheide versorgt werden können, 150 Arbeitsplätze vor Ort entstehen. Außerdem will der Chemiekonzern an diesem Standort künftig Akkurecycling betreiben: Bis 2022 soll eine Pilotanlage gebaut werden, um etwa auch Lithium aus alten Akkus zurückzugewinnen. BASF wird dabei mit 175 Millionen Euro vom Bund und vom Land Brandenburg gefördert.

 

Überherrn: SVolt

Vom saarländischen Überherrn aus will der chinesische Batteriehersteller SVolt in den europäischen Markt einsteigen. Der Baustart ist für dieses Jahr angesetzt, ab 2023 sollen dann Batterien mit einer Gesamtkapazität von sechs Gigawattstunden auf dem Linslerfeld produziert werden. Abhängig von der Nachfrage ist ein Ausbau auf bis zu 24 Gigawattstunden geplant. Im 30 Kilometer entfernten Heusweiler baut SVolt außerdem eine Modul- und Pack-Fabrik, die bereits Mitte 2022 ihren Betrieb aufnehmen soll. Bis zu zwei Milliarden Euro will der Ableger des chinesischen Autobauers Great Wall Motors im Saarland investieren und 2.000 Arbeitsplätze schaffen. Land und Bund bürgen für die Bauprojekte. SVolt will in Überherrn auch komplett kobaltfreie Batteriezellen produzieren. Erster Abnehmer für die Batterien ist der Mutterkonzern Great Wall Motors. Nach Unternehmensangaben gibt es ab 2022 auch Abnehmer in Europa – Namen hat SVolt bisher jedoch noch nicht genannt.

 

Willstätt: Leclanché

Im baden-württembergischen Willstätt produziert Leclanché schon heute Batteriezellen – bislang aber eher im kleinen Stil. Nun stecken die Schweizer 48 Millionen Euro in den Ausbau des Standorts. Bis zum Jahr 2022 werden die Produktionskapazitäten von aktuell einer Million Lithium-Ionen-Zellen mit insgesamt 200 Megawattstunden auf eine Gigawattstunde pro Jahr ausgebaut. Im Endausbau will das Unternehmen zehn Millionen Zellen mit einer Gesamtkapazität von 2,5 Gigawattstunden produzieren.

 

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