Lebensmittelrecht – wofür brauchen wir es?
Täglich umgeben wir uns mit Lebensmitteln, gehen einkaufen oder in Restaurants essen. Dabei sehen wir uns oft mit einigen Fragen konfrontiert. Wurde es so produziert, dass ich dieses Produkt bedenkenlos konsumieren kann? Auf die Klärung dieser Fragen zielt das Lebensmittelrecht ab. Es stellt die Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten an ein sicheres Produkt in den Mittelpunkt und bietet die Grundlage dafür, Vertrauen in Lebensmitteln zu bekommen. Dabei wird den Unternehmen ein Rahmen geboten, um Lebensmittel legal, sicher und unbedenklich für die Gesundheit zu produzieren.
Um eine kleine Orientierung im Dschungel des Lebensmittelrechts und der Lebensmittelsicherheit zu bekommen, haben wir mit Oliver Eck gesprochen.




Oliver Eck ist bei der TÜV NORD CERT Leiter des Bereichs Food & Agriculture Western Europe sowie Geschäftsführer der TÜV NORD Austria GmbH. Somit ist er für den gesamten Bereich der Lebensmittelzertifizierung zuständig und mit den Grundlagen bestens vertraut ist. Mit seiner Hilfe schaffen wir eine Basis zum Verständnis von Rechten, Pflichten und Verantwortlichkeiten von Unternehmen in Bezug auf das bestehende Lebensmittelrecht.
Lebensmittelrecht und Lebensmittelsicherheit – Sicherheit für den Verbraucher
Wer mit Lebensmitteln arbeitet, trägt eine hohe Verantwortung gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten. Egal ob in der Gastronomie, im Lebensmitteleinzelhandel oder der Lebensmittelindustrie – der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gefahren ist das oberste Ziel.
Um diesen Schutz zu gewährleisten, sollte jeder Betrieb nach bestem Wissen und Gewissen eine sichere Verarbeitungskette mit einem belegbaren Hygienemanagement betreiben. Verordnungen, Richtlinien und Regelungen werden dafür sowohl nach europäischem als auch nationalem Recht festgelegt. So muss es laut EU-Verordnung (EG) Nr. 852/2004 in jedem Lebensmittelunternehmen ein HACCP-Konzept (Hazard Analysis and Critical Control Points) zur Gefahrenanalyse geben, das somit die Sicherheit von Lebensmitteln und/oder Speisen im gesamten Herstellungsprozess sicherstellt.
Im Rahmen des europäischen Rechts bewegt sich auch das deutsche Lebensmittelrecht. Es beinhaltet mehr als 700 lebensmittelrechtliche Bestimmungen, von den Grundsätzen der Herstellungs- und Vermarktungsfreiheit bis hin zu produktspezifischen Vorschriften. Grundsätzlich gilt hierbei das sog. Missbrauchsprinzip – „Es ist erlaubt, was nicht verboten ist“, solange die Lebensmittel sicher für Verbraucherinnen und Verbraucher hergestellt werden. Für bestimmte Verordnungen gilt jedoch auch das Verbotsprinzip, z.B. für Zusatzstoffe: „Alles was nicht erlaubt ist, ist verboten“. Diese Sicherheitsaspekte können von Branche zu Branche sehr unterschiedlich sein. Die Einhaltung der unterschiedlichsten Lebensmittelsicherheitsstandards (IFS – International Featured Standards, BRCGS Food, FSSC 22000) ist dabei für die unterschiedlichsten Unternehmen richtungsweisend.
Ein Produkt muss den gesetzlichen Anforderungen genügen. Es muss sicher sein und sich an den Qualitätsansprüchen der Verbraucherinnen und Verbraucher orientieren. Als Basis aller Grundlagen des Qualitätsmanagements und Vorschriften können demnach die folgenden drei Säulen der Lebensmittelsicherheit und -qualität gesehen werden:
Was beinhaltet das aktuelle Lebensmittelrecht?
Das Lebensmittelrecht, und das ist gleichzeitig auch die Schwierigkeit im Umgang damit, ist kein beständiges Recht. Es besteht derzeit aus über 700 lebensmittelrechtlich relevanten Vorschriften, die fortlaufend angepasst werden, sodass „jede Erkenntnis oder Änderung immer berücksichtigt werden muss“, wie Oliver Eck ausdrücklich betont.
Im März 2021 wurde die Rechtsprechung der Verordnung (EU) 2021/382 hinsichtlich der Lebensmittelsicherheitskultur neu definiert. Eine gelebte Lebensmittelsicherheitskultur (Englisch: Food Safety Culture) macht das Unternehmen weniger anfällig für Zwischenfälle, die eine Kontamination von Lebensmitteln verursachen könnten. Das Bewusstsein, dass nur die Implementierung einer entsprechenden Sicherheitskultur in lebensmittelverarbeitenden Betrieben einen nachhaltigen Schutz bietet, hat sich nun auch auf höchster politischer Ebene durchgesetzt. Die EU-Kommission hat die Verordnung 852:2004 als rechtliche Grundlage für Lebensmittelsicherheit in der EU überarbeitet. Die Lebensmittelsicherheitskultur ist damit in der Mitte der Hygieneanforderungen angekommen. Bereits im Februar 2020 hat die Global Food Safety Initiative (GFSI) ihre Benchmarking-Kriterien aktualisiert. Die EU zog nun nach und hat die Lebensmittelsicherheitskultur gesetzlich verankert. Die neuen Anforderungen sind in der EU-Verordnung 2021/382 festgehalten, mit der die Anhänge der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 geändert werden.
Für die Implementierung dieser Sicherheitskultur sind umfassende Schulungen von Mitarbeitenden in Bezug auf Hygiene, HACCP und weitere Vorschriften unerlässlich.
Es geht dabei um die folgenden Richtlinien zu:
- Reinigungs- und Hygieneplan,
- Wareneingangskontrolle,
- Temperaturkontrolle,
- Schädlingsbekämpfung und
- Personalschulung.
Gesetzliche Regelungen
Die Vielzahl der Lebensmittelgesetze in Deutschland verfolgt genau ein Ziel – sichere Erzeugnisse für die Konsumenten herzustellen.
Für die Produkte, die in Europa vertrieben werden, steckt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Rahmenbedingungen. Durch die Basisverordnung 178/2002 werden allgemeine Grundsätze und rechtliche Grundlagen des Lebensmittelrechts sowie Verfahren zur Lebensmittelüberwachung festgelegt. Diese gilt für alle Länder der Europäischen Union. Innerhalb dieser Bestimmungen hat jedes Land noch eigene länderspezifische Gesetze und Vorschriften, die bis hin zu regionalen Regelungen immer kleinteiliger werden können.
Alleine deutschlandweit gibt es tausende Vorgaben und Regelungen, die es zu berücksichtigen gibt, abhängig von Branche und Land, für das man produziert. Die Grundlage des deutschen Lebensmittelrechts ist das LFGB, das Lebensmittel- und Futtergesetzbuch).
Übrigens: Sobald ein Produkt hergestellt wird, das nicht auf dem europäischen Markt vertrieben wird, gelten die Regelungen des Bestimmungslandes.
Lebensmittelrecht in Betrieben – eine riesige Herausforderung
Nach geltendem Lebensmittelrecht Nahrungsmittel zu produzieren, stellt Betriebe vor große Herausforderungen. Nicht nur, dass sie immer up-to-date sein sollten und das Eigenkontrollsystem (HACCP) ständig pflegen müssen. Die wohl größte Herausforderung ist die Arbeit mit Lebensmitteln an sich, deren gleichmäßige Qualität sich naturgemäß nicht immer kalkulieren lässt. Es können Ernten ausfallen oder sich in den Lagern feuchte Stellen bilden, die nicht rechtzeitig erkannt wurden. Das alles macht eine ständig gleichbleibende Qualität bei der Produktion so schwierig.
Welche Regelungen müssen von Betrieben eingehalten werden?
Für die Betriebe gilt, sich ständig mit den Gegebenheiten der aktuellen Gesetzgebung auseinanderzusetzen, Personal stetig zu schulen, sich aktuelle Informationen zu beschaffen und diese an das Personal weiterzugeben.
Die Pflicht eines jeden lebensmittelherstellenden Betriebes ist es dabei, Lebensmittel sicher herzustellen, also so, dass für den Verbraucher keine gesundheitsschädliche Gefahr ausgeht. Genau dafür muss ein Eigenkontrollsystem (HACCP) im Unternehmen integriert werden, welches auch ein wichtiger Baustein des freiwilligen IFS (International Featured Standard) darstellt.
Seit 2004 sind Lebensmittelunternehmen laut der Europäischen Verordnung (EG) 852/2004 zur Einrichtung, Durchführung und Aufrechterhaltung sowie stetiger Anpassung eines Eigenkontrollsystems, auch HACCP, verpflichtet. HACCP sind. Eine Nachweispflicht gilt für große lebensmittelproduzierende Unternehmen, die gegenüber der Lebensmittelüberwachungsbehörde einen Reinigungs- und Hygieneplan, die Wareneingangskontrolle, Temperaturkontrolle, Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung und eine jährliche Personalschulung nachweisen müssen.
Neben dem Eigenkontrollsystem ist, es ist sinnvoll und notwendig, jedoch ist es keine gesetzliche Forderung den IFS zu installieren., das je nach Qualitätsanspruch durch weitere vom IFS unabhängige Zertifikate oder Siegel erweitert werden kann. Beispielsweise ermöglicht das MSC-Siegel (Marine Stewardship Council), das Nachhaltigkeitssiegel für Fischerei, Verbraucherinnen und Verbrauchern, die komplette Lieferkette seines Fisches vom Fang bis zur Verarbeitung nachzuvollziehen.
Oliver Eck stellt fest: "An dieser Stelle können Verbraucherinnen und Verbraucher übrigens merklichen Einfluss auf die Art und Weise der Produktion nehmen. Schließlich führen seine Kaufentscheidungen und Bedürfnisse an gute Qualität zu einem Umdenken in der Ausrichtung der Produktion. In den letzten Jahren lässt sich hier ein deutlicher Trend hin zu nachhaltiger, veganer/vegetarischer und ggf. biozertifizierter Produktion beobachten."
Wo liegen die Verantwortlichkeiten im Betrieb?
Lebensmittelproduzierende Unternehmen haben ein Qualitätsmanagement oder geschultes Fachpersonal, das die Umsetzung der Vorschriften und Anforderungen sicherstellt.
Die ausführenden Personen sollten dafür mit der Lebensmittelproduktion vertraut sein und diverse Schulungen zum Thema Lebensmittel- und Hygienesicherheit, dem bestehenden IFS und HACCP besucht haben und sich mit den gesetzlichen Bestimmungen auskennen. Fachanwälte oder spezialisierte Beratungsunternehmen unterstützen oft bei der rechtssicheren Umsetzung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen – z. B. durch innerbetrieblichen Seminare.
Dass ein HACCP-Konzept im Unternehmen etabliert wird, liegt in den Händen des Lebensmittelunternehmers. Dieser muss die Qualitätssicherung jedoch nicht persönlich durchführen – dafür gibt es das Qualitätsmanagement (QM) und die Qualitätssicherung (QS) oder entsprechend geschultes Fachpersonal. Sollte es dennoch zu einem Zwischenfall kommen, z,B. festgestellt durch das jährlich durchgeführte Audit oder Beanstandungen von Verbrauchern, muss sich der Lebensmittelunternehmer dafür verantworten.
Wie werden Verstöße gemeldet und wie werden diese geahndet?
Auch wenn ein Unternehmen seine Produktion durch ein Qualitätsmanagement (QM), Qualitätssicherung (QS) oder geschultes Fachpersonal absichert, haftet im Falle eines Verstoßes immer der Lebensmittelunternehmer. Doch in welchen Fällen kommt es überhaupt zu einer solchen Situation? Entweder, wenn die Lebensmittelbehörde Verstöße gegen geltende Vorschriften feststellt, oder wenn Verbraucherinnen und Verbraucher selbst Unstimmigkeiten melden.
Ein Beispiel: Ein Kunde oder eine Kundin kauft sich eine Tafel Schokolade mit Nüssen, öffnet die Packung voller Vorfreude und findet neben den Nüssen ein Stück Hartplastik. Gut, wenn das rechtzeitig bemerkt wurde. Solche Verstöße können direkt dem Hersteller, dem Verkäufer oder der Lebensmittelbehörde gemeldet werden. In diesem Fall wird nach der Ursache gesucht. Ist diese schnell gefunden und wurde festgestellt, dass dieses Produkt eines der wenigen mit minderwertiger Qualität war, so schicken einige Hersteller der Kundin oder dem Kunden ein neues Produkt zu. Sollte es sich aber um eine Schwachstelle handeln, die die gesamte Marge betrifft, wird das Produkt zunächst zurückgerufen, um weitere schadhafte Produkte aus dem Verkehr zu nehmen. Intern wird auf Fehlersuche gegangen und die Behebung durch eine Behörde geprüft. Es kann dabei zu Bußgeldern, hohen Geldstrafen oder sogar Haftstrafen kommen. Darüber hinaus ist mit einem Vertrauensverlust auf Seiten der Kundschaft zu rechnen.
Welche Ausbildung ist nowendig, um das Lebensmittelrecht im Betrieb durchzusetzen?
Das Lebensmittelrecht ist ein schnelllebiges Recht. Es gibt häufig Änderungen und Neuerungen, die in der jeweiligen Branche umgesetzt werden müssen. Je nach Vorschrift muss nicht die komplette Belegschaft über die Änderungen Bescheid wissen, aber es muss eine zuständige Person oder Abteilung geben, die die Änderungen im Unternehmen kommuniziert und umsetzt. Es kann durchaus sein, dass auch interne Schulungen durchgeführt werden müssen, um das gesamte Personal zu informieren. Es können aber auch extern gezielt Schulungen besucht werden, die bestimmte Themen zum Lebensmittelrecht behandeln.
Neben den Möglichkeiten, sich innerhalb oder außerhalb des Unternehmens weiterzubilden, ist es empfehlenswert, regelmäßig die offiziellen Seiten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) nach Neuerungen zu durchsuchen. Hier können Sie auch Newsletter abonnieren, um immer auf dem aktuellen Stand zu sein. So arbeiten Sie gesetzlich korrekt und vor allem rechtssicher.
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