Rechtssicherheit durch Technical Compliance

Rechtssicherheit durch Technical Compliance

Beitrag vom 11.03.2022

Zur Themenwelt Qualitätsmanagement

Technical Compliance: So erreichen Unternehmen systematisch regulatorische Konformität

Das Thema der Technical Compliance ist durch die Abgasskandale der Automobilkonzerne in das öffentliche Bewusstsein gelangt, tatsächlich greift es aber viel tiefer. Ob Feuerlöscher oder Rauchmelder, die regelmäßig überprüft werden müssen, oder Einhaltung der Betriebsmittelverordnung, jedes Unternehmen unterliegt gesetzlichen Vorschriften im technischen Bereich. Es ist im hektischen Alltag eine Herausforderung und noch dazu zeitlich aufwendig, die Vielzahl der Vorschriften zu überblicken und die erforderlichen Kontrollen fristgerecht zu veranlassen.

Wir haben mit Uwe Hermann von der INMAS GmbH, Spezialist für Normung, Standardisierung und die CE‑Kennzeichnung, darüber gesprochen, wie Unternehmen mit einem Technical Compliance Management System Struktur in die Einhaltung regulatorischer Anforderungen bringen können.

Technische Compliance: Definition und Bedeutung

Unter dem Begriff der Compliance (Regeltreue) fasst man alle Bemühungen von Unternehmen zusammen, die regulatorische Konformität sicherzustellen. Konkret geht es darum, nicht gegen Rechtsvorschriften und interne Regulatorien zu verstoßen. Die Definition der Technical Compliance fußt auf der allgemeinen Compliance. Sie konzentriert sich jedoch gezielt auf die Regelkonformität im technischen Bereich. Hermann erklärt: „Jedes Unternehmen, das Immobilien, Geräte und Anlagen besitzt oder betreibt, muss gesetzlichen Anforderungen genügen. Umwelt-, Arbeitsschutz- und Brandschutzvorgaben sind einzuhalten, zum Beispiel Ölabscheider, Öl- und Benzintanks, Tore oder Gabelstapler regelmäßig zu überprüfen und elektrische Anlagen zu kontrollieren. Wer diesen Pflichten nicht nachkommt, geht enorme Haftungsrisiken ein. Im schlimmsten Fall kommt es zum Verlust des Versicherungsschutzes oder der Verhängung von Bußgeldern.“

Compliance vs. Technical Compliance – was ist der Unterschied?

Die Compliance konzentriert sich auf die Minimierung von Haftungsrisiken, etwa durch Verstöße gegen Steuervorschriften, Bestechungsverbote oder arbeitsrechtliche Vorgaben. Bei der technischen Compliance liegt der Fokus auf technikbezogenen Aspekten. Beide verfolgen jedoch dasselbe Ziel: die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben.

Ob ein Unternehmen einen Compliance-Manager oder einen Technical-Compliance-Manager benötigt, ist überwiegend eine Frage der Unternehmensgröße und der anstehenden Haftungsrisiken. In kleineren Unternehmen mit nur geringen Risiken im technischen Bereich kann, wenn vorhanden, der Compliance-Manager diesen mit abdecken. Ansonsten übernimmt das Qualitätsmanagement. Besteht hingegen eine Vielzahl verschiedener Haftungsrisiken, macht es Sinn, die technischen Themen von der allgemeinen Compliance abzukoppeln und einem Experten zu unterstellen, der sich um die Technical-Compliance kümmert.

Warum benötigen Unternehmen ein Technical Compliance Management System?

Unternehmen sehen sich immer vielfältigeren gesetzlichen Anforderungen und komplexeren Technologien gegenüber. In einem Technical Compliance Management System vereint der oder die Verantwortliche verschiedenste Aufgaben zur Einhaltung der rechtlichen und regulatorischen Konformität. Dies kann verschiedene Bereiche wie Technik, Qualität, Nachhaltigkeit oder Umweltschutz umfassen. Die Technical Compliance geht Hand in Hand mit einem bestehenden Qualitäts- und Umweltmanagementsystem, da beide Bereiche große Schnittmengen aufweisen und sich gegenseitig ergänzen. Auch in der Organisation können beide Themen an ähnlichen Stellen angesiedelt sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass Versicherungen im Schadensfall leisten, steigt durch ein Qualitätsmanagementsystem. So zeigen Unternehmen, dass sie alles Mögliche unternommen haben, um Schaden abzuwenden, so Hermann.

Ein Technical Compliance Management System zu installieren, ist vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben. Solange die einzuhaltenden gesetzlichen Regelwerke überschaubar bleiben, lassen sie sich auch über eine simple Tabellenverarbeitung oder ein Terminsystem verwalten, erklärt der Experte. In vielen Unternehmen fehle jedoch das Bewusstsein für die technische Compliance und damit auch eine zentrale Anlaufstelle, die sich um die Einhaltung der gesetzlichen Regularien kümmert.

Vorteile eines Technical Compliance Management Systems

Die Einführung eines Technical Compliance Management Systems unter dem Dach eines Qualitätsmanagementsystems kann Unternehmen somit viele Vorteile bieten:

  • fortlaufender Überblick über alle anstehenden Prüftermine und Kontrollen sowie über die eingesetzten Betriebsstoffe wie Öle, Fette, Filter oder Dichtungen und deren Bezugsquellen
  • stärkeres Bewusstsein der Mitarbeitenden für die Technical Compliance
  • mehr Rechtssicherheit und in der Folge Minimierung von Haftungsrisiken und Strafen
  • besserer Standpunkt bei der Schadensregulierung durch Versicherungen
  • transparente Geschäftsprozesse
  • Vertrauensbasis für Kunden und Geschäftspartner
  • Optimierung der betrieblichen Abläufe und Steigerung der Effizienz
  • optimierter Einsatz interner Ressourcen

Auch einen möglichen Imagegewinn könnte man als Vorteil ansehen, da das Technical Compliance Management System heute noch nicht in der Masse der Unternehmen verbreitet ist. Hermann betont allerdings, dass Unternehmer die regulatorische Konformität eigentlich als selbstverständlich ansehen sollten.

Aufbau eines Technical Compliance Management Systems

Die Technical Compliance sollte in die Harmonized Structure (HS) des Unternehmens eingegliedert werden (vormals HLS). Sie befindet sich auf einer Ebene mit anderen Managementsystemen wie Umwelt-, Qualitäts- oder Energiemanagement und gliedert sich so nahtlos in die bereits bestehenden Managementsysteme ein. Die Einrichtung eines Technical Compliance Management Systems erfolgt in mehreren Prozessschritten:

  1. Schritt: Verantwortliche Person benennen
    Häufig liegt die Verantwortung für die Technical Compliance bei der technischen Leitung. Diese delegiert die einzelnen Kontrollaufgaben und pflegt die Prüfergebnisse und Kontrolltermine im System.
     
  2. Schritt: Bewusstsein für die Bedeutung der Technical Compliance schaffen
    Hermann erklärt, dass die Compliance-Thematik eine Leitungs- und Führungsfunktion ist. Dies entsprechend zu kommunizieren, schafft das Bewusstsein für die übergeordnete Bedeutung der Technical Compliance. Jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter im Unternehmen muss bewusst sein, dass bei der Anschaffung neuer Geräte, dem Bau von Gebäuden oder der Entwicklung neuer Produkte stets das Technical Compliance Management einzubeziehen ist.
     
  3. Schritt: IT-Unterstützung anfordern
    Voraussetzung für ein durchdachtes Technical Compliance Management System ist die Unterstützung der IT-Abteilung, die die nahtlose Eingliederung des Systems in die Softwarelandschaft des Unternehmens sicherstellt. Wie ein Technical Compliance Management System technisch konkret umgesetzt wird, hängt von den individuellen Bedürfnissen des Unternehmens ab. Bei geringem Umfang können Terminsysteme reichen, um die Vorschriften nachzuverfolgen. Wer die Technical Compliance jedoch professionell angehen möchte, setzt auf ein Compliance-Management-System, das mit der bestehenden Softwarelandschaft verzahnt werden kann. Hierfür gibt es Standardsoftware ebenso wie die Möglichkeit einer individuellen Programmierung, um die Anforderungen des Unternehmens optimal abzudecken.
     
  4. Schritt: Daten einpflegen
    Nun gilt es, die erforderlichen Kontrolltermine, technisch zu überprüfende oder zu wartende Geräte, Anlagen, Flüssigkeiten und mehr im System zu pflegen. Dazu lassen sich weitere Informationen wie Bezugsmöglichkeiten oder Standort erfassen. Die hinterlegten Kontrollintervalle sorgen dafür, dass die erforderlichen Compliance-Aufgaben rechtzeitig angestoßen werden. An der Datenpflege können in großen Unternehmen neben dem verantwortlichen Technical Compliance Management weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt sein.
     
  5. Schritt: Aufgaben delegieren
    Sobald das Technical Compliance Management System anstehende Aufgaben vermeldet, gibt die verantwortliche Person diese in Auftrag. Sie informiert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des betreffenden Bereichs, damit sie den Expertinnen oder Experten Zugang zur Anlage verschaffen.

Die drei häufigsten Fehlerquellen bei der Technical Compliance

Fehler #1:

Das Managementsystem wird nicht auf der Führungsebene aufgehängt, sondern die Verantwortung bleibt auf der operativen Ebene. Dadurch fehlt das nötige Bewusstsein für die Technical Compliance und sie wird als zeitraubende Pflichtaufgabe abgetan.

Fehler #2:

Es mangelt an der richtigen Kommunikation an die Fachabteilungen. Neuerungen werden nicht an die für die Technical Compliance verantwortliche Person gemeldet, das System ist lückenhaft oder nicht aktuell gepflegt.

Fehler #3:

Das Thema scheint so unübersichtlich, dass es gar nicht erst angegangen wird – in der Hoffnung, dass kein Schadensfall eintreten wird.

Unternehmer sollten Eigeninitiative zeigen

In vielen Unternehmen fehlt noch das Bewusstsein für die Bedeutung des Technical Compliance Managements. Erst wenn es zum Schadensfall kommt und das Unternehmen vor einem haftungsrechtlichen und finanziellen Problem steht, rückt die Technical Compliance in den Mittelpunkt. Um Haftungsrisiken zu minimieren, sollten sich Unternehmer jedoch in Eigeninitiative um das Thema kümmern und sich über ihre rechtlichen Verpflichtungen informieren. Einen fundierten Einstieg in die Technical Compliance liefert etwa das Seminar „Technical Compliance Management System (tCMS)“, das Expertenwissen unter Berücksichtigung der aktuellen ISO-Normen vermittelt. So können Unternehmen ein zuverlässiges Technical Compliance Management System einrichten, bei dem alle Anforderungen an die regulatorische Konformität zusammenlaufen.