Digitale Kompetenz: ältere Mitarbeiter bei der Digitalisierung mitnehmen
Allmählich wird es für die öffentliche Verwaltung eng: Bis Ende 2022 sollen die Bürgerinnen und Bürger die wichtigsten Anträge online stellen können. Ziel des sogenannten Onlinezugangsgesetzes ist, die Angebote der Behörden besser verfügbar zu machen, Kosten zu senken und Kapazitäten sinnvoll zu nutzen.
Doch nicht nur der schwerfällige Apparat macht dem Unterfangen in unserem Beispiel der öffentlichen Verwaltung zu schaffen, auch aus den eigenen Reihen regt sich Widerstand: Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen die Vorteile der Digitalisierung nicht und tun sich schwer damit, im hohen Alter noch einmal grundlegende Veränderungen ihrer jahrzehntelang gewohnten Arbeitsprozesse zu akzeptieren. Diese Herausforderung besteht übrigens in fast allen Branchen.
Wir haben mit Dr. Thor Möller, ehemaliger Präsident der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement und Geschäftsführer der prometicon projects GmbH, darüber gesprochen, wie Arbeitgeber es schaffen, ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Digitalisierung ins Boot zu holen.
Plötzlich ist alles anders: drastische Veränderungen durch die Digitalisierung
Alle, die nach 1980 geboren sind, sind mit der Digitalisierung aufgewachsen. Das Internet, E-Mails und soziale Netzwerke sind seit Langem ein fester Bestandteil des Lebens. Auch das Konzept des lebenslangen Lernens ist vielen jüngeren Beschäftigten vertraut. Nicht umsonst bezeichnet man sie als „Digital Natives“.
Anders geht es ihren älteren Kolleginnen und Kollegen. Diese erleben den immer schnelleren Wandel der Arbeitswelt als einen drastischen Umbruch, der vertraute Strukturen und Prozesse infrage stellt. Thor Möller weiß: Es ist für den Menschen schwierig, seine Komfortzone zu verlassen. Bei der Digitalisierung kommt zu den ohnehin schon problematischen Veränderungen eine zusätzliche Dimension hinzu: „Digitale Arbeitsprozesse sind für viele ältere Menschen zu abstrakt: Sie sehen nicht, was als Nächstes kommt und können die Auswirkungen ihres Handelns nicht erkennen. Das macht ihnen Angst und schürt Vorbehalte.“ Die Angst vor Fehlern erschwert es, Weiterbildungsmaßnahmen und notwendige Veränderungen durchzuführen.
Warum es so schwierig ist, ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Digitalisierung mitzunehmen
Der Fachkräftemangel rückt die Bedeutung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fokus. Sie einfach abzuschreiben, wäre fatal: Nicht nur, dass ihre Arbeitskraft dringend benötigt wird, mit ihnen ginge wertvolles Know-how unwiederbringlich verloren.
Ein interessanter Fakt: Im privaten Umfeld nutzen viele ältere Frauen und Männer Smartphones, unternehmen erste Versuche im Onlinebanking oder beziehen Filme über Streaming-Dienste. Die ersten Schritte in der privaten Digitalisierung fallen mit der Unterstützung der Familie und in einem vertrauensvollen Umfeld verhältnismäßig leicht.
Im beruflichen Umfeld gehen Veränderungen schneller und ruckartiger vonstatten. Zugleich schleicht sich die Angst vor einer Blamage hinzu: Verstehen ältere Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter etwas nicht sofort, fühlen sie sich unzulänglich. Sie fürchten die Risiken wie einen Datenverlust infolge eines Fehlers. Möller erklärt: „Ältere Beschäftigte haben etwa Vorbehalte gegenüber der Datenspeicherung in der Cloud. Sie behalten Daten lieber vermeintlich sicherer auf ihrem Rechner oder speichern sie doppelt, anstatt auf die Vorteile der Digitalisierung zu vertrauen.“
Kommunikation zwischen Jung und Alt
Junge Menschen gehen mit Neuerungen und gerade mit den Besonderheiten der Digitalisierung ganz anders um als Ältere. Letztere sind eher zaghaft, planen lieber gründlich und setzen dann erst um. Jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hingegen entscheiden schnell und evaluieren dann, ob die Entscheidung richtig war – bei Fehlern können sie immer noch nachjustieren. Dieses Spannungsfeld zwischen Jung und Alt bringt zwangsläufig Herausforderungen in der Kommunikation mit sich.
Keimen Konflikte oder Schwierigkeiten im Umgang miteinander auf, sollten Führungskräfte vermitteln. Sie haben eine Übersetzungsfunktion, mit der die oft gegensätzlichen Bedürfnisse und Wünsche kommuniziert und für gegenseitiges Verständnis geworben wird. Zugleich ist es Aufgabe der Führungskraft, Respekt vor dem Alter vorzuleben, den Wert älterer Beschäftigter in den Fokus zu rücken und die unterschiedlichen Motivatoren zu berücksichtigen.
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Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Vorteile aus langjähriger Erfahrung
Lebenslanges Lernen nimmt in der heutigen Unternehmensorganisation einen hohen Stellenwert ein. Es endet nicht, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das 50. Lebensjahr vollendet haben. Ältere Menschen lernen anders als jüngere – aber auch sie lernen weiterhin dazu und erwerben digitale Kompetenz für den Umgang mit neuen Technologien.
Wichtig ist jedoch, ihnen ein altersgerechtes Lernen zu ermöglichen. Unter dem Begriff „Fail & Learn“ fasst man Methoden zusammen, die ihnen Raum zum Ausprobieren schaffen. Möller ist sicher, dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Digitalisierung mitziehen, wenn ihnen das Gefühl vermittelt wird, dass Fehler in Ordnung sind. Dies erfordert eine neue Fehlerkultur, die Fehler als positiv anerkennt und erlaubt, aus ihnen zu lernen. So wie Kinder im Inlineskatekurs zuerst lernen, richtig zu fallen, müssen auch Ältere erfahren: Die Welt geht nicht unter, wenn sie einmal zu oft auf „Ok“ klicken. Fehler lassen sich rückgängig machen und korrigieren. Diese neue Fehlerkultur erfordert Zeit und Geduld bei allen Beteiligten.
Gibt man ihnen genügend Raum für die Entwicklung digitaler Schlüsselkompetenzen, können auch ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Digitalisierung bewusst mittragen. Dabei helfen gesonderte Trainings, in denen gerade die Auswirkungen möglicher Fehler zur Sprache gebracht werden. Dies nimmt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Vorbehalte und Befürchtungen, vermittelt Spaß am Umgang mit dem Computer und steigert die Motivation bei der Digitalisierung.
Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewinnen und halten
Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern, kann sich auch positiv auf das Employer-Branding des Unternehmens auswirken. Es wird von Außenstehenden als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen, der sich um die Bedürfnisse aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kümmert. Dies hilft auch dabei, gezielt Ältere für eine Tätigkeit im Unternehmen zu begeistern. Heute gehören sie nämlich nicht mehr zum „alten Eisen“, sondern sind die Know-how-Stütze vieler Unternehmen.
Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern: Acht-Punkte-Checkliste
Fazit
Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Digitalisierung mitzunehmen, ist eine herausfordernde Aufgabe, die viele Ebenen aufweist. Dies beginnt ganz allgemein bei einer altersgerechten Ausstattung der Arbeitsplätze, geht über lebenslanges Lernen mit optimal angepassten Methoden und endet noch lange nicht bei einer Sensibilisierung der Führungskräfte für die besonderen Bedürfnisse der Mitarbeitenden.
Entscheidend ist, älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Chance zu geben, in einem sicheren Umfeld Fehler zu machen, daraus zu lernen und so ganz natürlich digitale Schlüsselkompetenzen aufzubauen.
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