Die Verantwortliche Person nach Artikel 15 MDR: Anforderungen, Aufgaben und Befugnisse
Ein zentrales Element der Medical Device Regulation (MDR) ist die in Artikel 15 definierte „Verantwortliche Person für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften“ beziehungsweise „Person Responsible for Regulatory Compliance (PRRC)“. Der Name ist Programm: Wer die betreffende Rolle ausfüllt, trägt viel Verantwortung und hat weitreichende Befugnisse. Deshalb verlangt die MDR auch eine entsprechende Qualifikation.
Hier erfahren Sie,
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welche Unternehmen eine oder mehrere Verantwortliche Personen brauchen,
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welche Qualifikationen diese besitzen müssen und
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worin ihre Aufgaben bestehen.
Wer muss eine Verantwortliche Person ernennen?
„Grundsätzlich“, so Jürgen Mehring, freiberuflicher Berater RA/QA, „brauchen alle Hersteller im Sinne der Medizinprodukteverordnung die Verantwortliche Person nach Artikel 15. Das sind die Unternehmen, die die rechtliche Verantwortung für die Medizinprodukte übernehmen.“
Allerdings gibt es in diesem Zusammenhang einige Besonderheiten zu beachten:
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Hersteller mit Sitz außerhalb der EU: Haben Hersteller ihren Sitz nicht in der EU, vertreiben ihre Produkte aber dort mit einem CE-Kennzeichen, brauchen sie eine Verantwortliche Person an ihrem Unternehmenssitz.
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Europäische Repräsentanten: Europäische Repräsentanten von Medizinprodukteherstellern außerhalb der EU müssen ebenfalls mindestens eine Verantwortliche Person ernennen. Sie können dafür allerdings auf eine externe Person zugreifen.
Wichtig: Bei der Verantwortlichen Person am Unternehmenssitz des Herstellers und der Verantwortlichen Person des europäischen Repräsentanten darf es sich nicht um dieselbe Person handeln.
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Klein- bzw. Kleinstunternehmen: Die Wahl zwischen externer oder interner Verantwortlicher Person haben nach Artikel 15 Absatz 2 auch Unternehmen, die gemäß der Empfehlung 203/361 der EU ein Klein- oder Kleinstunternehmen darstellen. Voraussetzung ist, dass sie weniger als 50 Mitarbeitende beschäftigen und ihr Jahresumsatz weniger als 10 Millionen Euro beträgt oder dass sie weniger als 10 Mitarbeitende beschäftigen und ihr Jahresumsatz weniger als 2 Millionen Euro beträgt.
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AG mit Tochterunternehmen: Schließlich gibt es AGs mit eigenständigen Medizinprodukteherstellern als Tochterunternehmen. In diesem Fall braucht jede Tochter mindestens eine eigene Verantwortliche Person.
Wann ist es sinnvoll, externe Personen zu ernennen?
Einige Hersteller können also die Rolle der Verantwortlichen Person „outsourcen“. Jürgen Mehring rät aber, sich diese Entscheidung gut zu überlegen. Vor allem folgende Punkte sollten Verantwortliche im Kopf behalten:
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Die MDR verlangt, dass Hersteller „dauerhaft und ständig“ auf Verantwortliche Personen zugreifen können. „Ich müsste als Verantwortliche Person“, erläutert Jürgen Mehring, „ein Seminar im Ernstfall sofort abbrechen und zu dem jeweiligen Unternehmen fahren.“
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Unternehmen geben viele Rechte an Verantwortliche Personen ab. Wenn es diesen notwendig erscheint, können sie sogar die Produktion stoppen. Außerdem steht es ihnen zu, im Unternehmen getroffene Entscheidungen an Behörden zu kommunizieren.
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Alle Pflichten und Rechte müssen vertraglich genau geregelt werden. Sie spiegeln sich im Honorar externer Verantwortlicher Personen wider, vor allem, wenn das Risiko von Zwischenfällen hoch ist.
Trotzdem kann es sinnvoll sein, externe Personen als Verantwortliche Personen zu beauftragen. Jürgen Mehring führt als Beispiel Unternehmen an, die seit Jahrzehnten risikoarme Medizinprodukte wie zum Beispiel manuelle Blutdruckmessgeräte, Stethoskope oder fertige Lesebrillen herstellen. In einem solchen Fall seien die Risiken, dass Personen beispielsweise im Zusammenhang mit den Geräten zu Schaden kommt und eine Verantwortliche Person eingreifen muss, verschwindend gering. Darüber hinaus sind die Aufgaben gemäß Artikel 15 klar definiert und somit kalkulierbar.
„Je weiter ich mich davon entferne, um so schwieriger und teurer wird es für Klein- und Kleinstunternehmen. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem es wirtschaftlicher ist, eine Person intern zu beauftragen, die sich zum Beispiel zu 50 Prozent mit den Aufgaben ihrer Rolle beschäftigt und zu 50 Prozent andere Tätigkeiten im Unternehmen übernimmt.“
Welche Aufgaben hat die Verantwortliche Person?
Egal ob intern oder extern, Verantwortliche Personen müssen
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sicherstellen, dass alle Regulierungsvorschriften bei der Entwicklung, Produktion und Herstellung von Produkten eingehalten werden,
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meldepflichtige Rückmeldungen aus dem Markt den Behörden übermitteln und Rückrufe koordinieren,
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die technische Dokumentation und die EU-Konformitätserklärung auf dem aktuellen Stand halten,
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bei klinischen Studien bestätigen, dass das Produkt bereits alle Anforderungen aus dem Anhang der MDR erfüllt, außer die Fragestellungen, die in der klinischen Studie verfolgt werden, und
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die Berichtspflichten erfüllen, die sich aus den Anforderungen der MDR an die Vigilanz ergeben.
Welche Voraussetzungen muss eine Verantwortliche Person nach Artikel 15 MDR erfüllen?
Verantwortliche Personen können das für ihre Rolle „erforderliche Fachwissen auf dem Gebiet der Medizinprodukte“ nach Art. 15 Abs. 1 der MDR auf zwei Arten nachweisen:
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durch ein Diplom, Zeugnis oder einen anderen Nachweis einer formellen Qualifikation durch Abschluss eines Hochschulstudiums oder eines von dem betreffenden Mitgliedstaat als gleichwertig anerkannten Ausbildungsgangs in Recht, Medizin, Pharmazie, Ingenieurwesen oder einem anderen relevanten wissenschaftlichen Fachbereich sowie mindestens ein Jahr Berufserfahrung in Regulierungsfragen oder Qualitätsmanagementsystemen im Zusammenhang mit Medizinprodukten, 2.
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durch 4 Jahre Berufserfahrung in Regulierungsfragen oder Qualitätsmanagementsystemen im Zusammenhang mit Medizinprodukten.
Wichtig: Auch die Berufserfahrung muss nachgewiesen werden, zum Beispiel durch Arbeitsverträge oder Schulungsnachweise.
Wie binden Unternehmen eine Verantwortliche Person in interne Abläufe ein?
Die Antwort auf diese Frage hängt entscheidend von der Größe und Ausrichtung eines Unternehmens ab. In manchem Kleinstunternehmen ist es oft nur die Geschäftsführung, die die Rolle der Verantwortlichen Person in Personalunion übernehmen kann.
In großen Konzernen dagegen reicht eine Person nicht aus, um die Anforderungen an Verantwortliche Personen zu erfüllen. Hier erlaubt es die MDR, die Rolle auf verschiedene Mitarbeitende aufzuteilen. „Geschäftsführende können zum Beispiel eine Person mit entsprechenden Kompetenzen mit dem Bereich technische Dokumentation und Regulatory Compliance für bestimmte Märkte, eine andere mit Post-Surveillance und so weiter beauftragen“, führt Jürgen Mehring aus.
In jedem Fall ist es erforderlich, die Aufgabenverteilungen schriftlich zu begründen. Außerdem sollten Geschäftsführende an Stellvertreterregelungen denken. „Gibt es nur eine Person, die eine Konformitätserklärung erstellen darf, und stößt dieser etwas zu oder befindet sie sich im Urlaub, können die Produkte im schlimmsten Fall einige Wochen lang nicht in Verkehr gebracht werden.“
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Unsere Seminar-Empfehlungen für Sie
In unserer MDR-Schulung zu den Grundlagen der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR 2017/745) bieten wir Ihnen einen umfassenden Überblick über die gesetzlichen Anforderungen auf europäischer und nationaler Ebene, die für das konforme Inverkehrbringen von Medizinprodukten unerlässlich sind. Voraussetzung dafür ist das rechtmäßig angebrachte CE-Kennzeichen an Medizinprodukten. Damit bestätigen Sie die Einhaltung der innerhalb Europas geltenden gesetzlichen Anforderungen. Im Mittelpunkt stehen daher in unserem MDR-Seminar die komplexen Anforderungen der europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation – MDR 2017/745) im direkten Abgleich mit den nationalen Rechtsregelungen.
In unserem Seminar lernen Sie die gesetzlichen Anforderungen rund um die Position des Medizinprodukteberaters sowie die Aufgaben und Pflichten des Medizinprodukteberaters kennen. Die Anforderungen an Medizinprodukteberater sind im § 83 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes - MPDG festgelegt. Medizinprodukteberater ist, wer Fachkreise fachlich über Medizinprodukte informiert oder in deren sachgerechte Handhabung einweist. Dies gilt auch für die fernmündliche Information. Medizinprodukteberater stehen somit im direkten Kontakt zu Anwendenden und medizinischem Fachpersonal. Medizinprodukteberater dürfen darüber hinaus diese Tätigkeiten nur ausüben, wenn sie die notwendigen Kenntnisse zum jeweiligen Medizinprodukt besitzen.
Die verantwortliche Person nach Art. 15 MDR/IVDR ist eine gesetzlich vorgeschriebene Person mit definierten Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Anforderungsprofil, ohne die eine Zulassung von Medizinprodukten in Europa nicht möglich ist. Die Anforderungen gehen weit über die des früheren Sicherheitsbeauftragten für Medizinprodukte hinaus. Die MDR verlangt die Benennung einer oder mehrerer sogenannter „person responsible“ für die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen bei der Herstellung von Medizinprodukten oder In-vitro-Diagnostika. In der englischsprachigen Ausgabe der Verordnung wird diese Position als Person Responsible for Regulatory Compliance (PRRC) bezeichnet.
Fehlende Qualifikationen nachzuholen ist wichtig
Oft, so Jürgen Mehring, ist nur eine Neustrukturierung notwendig, um die Anforderungen des Artikels 15 der MDR zu erfüllen. Denn auch in der Vergangenheit habe es Personen im Unternehmen gegeben, die die Aufgaben der Verantwortlichen Person(en) übernommen hätten. Die Kompetenzen seien also in aller Regel da.
Der Nachweis dieser Kompetenz könne aber eine Hürde darstellen. „Es mag Unternehmen geben, die es in der Vergangenheit mit Qualifikationsnachweisen nicht so ernst genommen haben. Deshalb reicht die Qualifikation von Mitarbeitenden unter Umständen nicht aus. Das heißt, diese müssen Schulungen machen oder das Unternehmen muss neue Mitarbeitende einstellen.“
Wichtig: Beauftragen Geschäftsführende oder ein Vorstand Personen mit der Rolle als Verantwortliche Person, die diese Kompetenz nicht besitzen, müssen sie mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 € rechnen.
Lieber nicht bis zum letzten Moment warten
Jürgen Mehring beobachtet, dass die meisten Medizinproduktehersteller die Anforderungen von Artikel 15 MDR bereits erfüllen.
Allen anderen rät er, sich schnellstmöglich um das Thema zu kümmern. Denn spätestens nachdem sich Unternehmen in der EUDAMED-Datenbank registriert haben – was voraussichtlich ab dem 4. Quartal 2024 verpflichtend ist –, werden sie aufgefordert, die Qualifikation ihrer Verantwortlichen Personen nachzuweisen. „Es wird stringenter geprüft als früher.“
Aussitzen ist also keine (gute) Option. Besser ist es, sich spätestens jetzt Gedanken darüber zu machen, welche Person(en) im Unternehmen oder extern die Rolle der Verantwortlichen Person einnehmen sollen und ob diese die erforderliche Qualifikation nachweisen können. Ist Letzteres nicht der Fall, lässt es sich nur durch eine Kombination von Schulungen und Berufserfahrung nachholen.
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